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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 20.03.1999
Aktenzeichen: VIII R 58/97
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 17 Abs. 1 Satz 1
BUNDESFINANZHOF

Der Gewinn aus der Veräußerung einer nicht wesentlichen Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft ist auch dann nach § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG zu erfassen, wenn der Gesellschafter die Beteiligung erst neu erworben hat, nachdem er zuvor innerhalb des Fünfjahreszeitraums eine wesentliche Beteiligung insgesamt veräußert hat und mithin vorübergehend überhaupt nicht an der Kapitalgesellschaft beteiligt war.

EStG § 17 Abs. 1 Satz 1

Urteil vom 20. April 1999 - VIII R 58/97 -

Vorinstanz: FG Baden-Württemberg (EFG 1998, 819)


Gründe

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) war in den Jahren 1983 bis Anfang des Jahres 1990 mit 30 v.H. an einer GmbH beteiligt. Weitere Gesellschafter waren der Vater des Klägers, seine Tochter und sein Sohn zu je 15 v.H. und A zu 25 v.H. Mit notariell beurkundeten Verträgen aus dem Jahre 1990 übertrugen der Kläger und sein Vater im Schenkungswege Geschäftsanteile auf die Kinder des Klägers mit der Folge, daß der Kläger, seine Tochter, sein Sohn und A zu je 25 v.H. an der Gesellschaft beteiligt waren. A bot mit notariell beurkundeter Erklärung vom 22. Juli 1991 der Ehefrau des Klägers oder einer von dieser zu bestimmenden dritten Person seine Geschäftsanteile zum Kauf an.

Mit notariell beurkundetem Vertrag vom 22. November 1991 verkaufte der Kläger und übertrug mit Wirkung zum 26. November 1991 (0.00 Uhr) seine Geschäftsanteile von 25 v.H. an den Erwerber X. Mit notarieller Urkunde vom 27. November 1991 nahm der Kläger, der von seiner Ehefrau als Angebotsempfänger benannt worden war, das Angebot des A, seine Geschäftsanteile von 25 v.H. verkaufen zu wollen, an.

Mit notariell beurkundetem Vertrag vom 15. Mai 1992 verkauften und übertrugen die Kinder des Klägers ihre Geschäftsanteile an den Erwerber X. Mit notariell beurkundeter Erklärung vom selben Tage bot X dem Kläger an, dessen Geschäftsanteile von 25 v.H. erwerben zu wollen. Der Kläger nahm das Angebot mit notariell beurkundeter Erklärung vom 30. Juli 1992 an.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) war der Ansicht, daß der Gewinn des Klägers aus der Veräußerung der Geschäftsanteile an der GmbH im Streitjahr 1992 von § 17 des Einkommensteuergesetzes (EStG) erfaßt werde und entgegen der Ansicht des Klägers nicht steuerfrei sei. Über die Höhe des Gewinns besteht zwischen den Beteiligten kein Streit.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage mit der Begründung ab, daß der Kläger entsprechend dem Wortlaut des § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG innerhalb der letzten fünf Jahre wesentlich an der GmbH beteiligt gewesen sei. Die Voraussetzungen für eine den Wortlaut einschränkende Auslegung lägen nicht vor. Denn der Gesetzeszweck erschöpfe sich nicht in einer gewissen Gleichstellung mit einem Mitunternehmer, sondern es solle auch der Zuwachs an finanzieller Leistungsfähigkeit erfaßt werden. Deshalb sei es nicht erforderlich, daß der Kläger gerade mit den veräußerten Anteilen innerhalb der Fünfjahresfrist wesentlich beteiligt gewesen sein müsse. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1998, 819 veröffentlicht.

Der Kläger rügt mit seiner Revision eine Verletzung des § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG.

Der Kläger beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid 1992 vom 9. April 1997 i.d.F. der Einspruchsentscheidung dahin zu ändern, daß der Gewinn aus der Veräußerung der Geschäftsanteile steuerfrei bleibt.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Die Revision des Klägers ist unbegründet. Das FG hat rechtsfehlerfrei entschieden, daß der Kläger durch die Veräußerung seiner Geschäftsanteile an der GmbH im Streitjahr 1992 einen steuerpflichtigen Veräußerungsgewinn i.S. des § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG erzielt hat.

1. Nach § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG gehört zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb auch der Gewinn aus der Veräußerung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft, wenn der Veräußerer innerhalb der letzten fünf Jahre am Kapital der Gesellschaft wesentlich beteiligt war. Der Wortlaut dieser Vorschrift ist im Streitfall erfüllt. Denn der Kläger war bis zum Jahr 1990 mit 30 v.H., d.h. mit mehr als einem Viertel und mithin wesentlich i.S. des § 17 Abs. 1 Satz 4 EStG, am Kapital der GmbH beteiligt. Die Anteilsveräußerung im Streitjahr 1992 lag innerhalb der Fünfjahresfrist.

2. Entgegen der Auffassung des Klägers ist die Vorschrift nicht einschränkend dahin auszulegen, daß dann, wenn der Steuerpflichtige die ursprünglich erworbene wesentliche Beteiligung innerhalb des Fünfjahreszeitraums insgesamt steuerpflichtig veräußert hat, die Veräußerung einer innerhalb der Frist neu erworbenen nicht wesentlichen Beteiligung nicht erfaßt wird.

Nach der Rechtsprechung des Senats werden von § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG nicht nur die Verkäufe solcher Geschäftsanteile erfaßt, die zuvor Teil einer wesentlichen Beteiligung gewesen sind; vielmehr reicht es entsprechend dem Wortlaut der Vorschrift aus, daß der veräußernde Gesellschafter einmal während des Fünfjahreszeitraums wesentlich beteiligt gewesen ist (Urteile vom 7. Juli 1992 VIII R 54/88, BFHE 169, 49, BStBl II 1993, 331; vom 10. November 1992 VIII R 40/89, BFHE 173, 17, BStBl II 1994, 222; vom 24. April 1997 VIII R 23/93, BFHE 183, 397, 400).

Ausdrücklich offengelassen hat der Senat bisher die im Streitfall entscheidungserhebliche Frage, wie zu entscheiden ist, wenn eine wesentliche Beteiligung insgesamt veräußert und anschließend innerhalb des Fünfjahreszeitraums eine weitere (Minderheits-)Beteiligung erworben und veräußert wird (vgl. BFH in BFHE 169, 49, BStBl II 1993, 331, und in BFHE 183, 397, 400). Auch eine solche Veräußerung führt entsprechend dem Wortlaut der Vorschrift zu einem steuerpflichtigen Veräußerungsgewinn.

a) Der aus der Entstehungsgeschichte ersichtliche Zweck des § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG spricht entgegen der Auffassung der Revision auch für diese Fallkonstellation nicht für eine einschränkende Auslegung. Denn dem Zweck der Vorschrift ist kein überzeugender Grund dafür zu entnehmen, danach zu differenzieren, ob der Veräußerer vor dem Erwerb derjenigen Geschäftsanteile, um deren Weiterverkauf es geht, zumindest noch geringfügig oder aber vorübergehend gar nicht mehr an der Kapitalgesellschaft beteiligt gewesen ist (vgl. Blümich/Ebling, Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, Kommentar, § 17 EStG Rn. 110; Dötsch in Dötsch/Eversberg/Jost/Witt, Die Körperschaftsteuer, Kommentar, § 17 EStG Rn. 106; Jäschke in Lademann, Einkommensteuergesetz, § 17 Anm. 93).

Zwar wird in der Literatur (Hermann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, § 17 EStG Rn. 59) und der Rechtsprechung (FG Köln, Urteil vom 26. Juni 1996 1 K 2566/92, EFG 1996, 1031, rechtskräftig aufgrund des Senatsbeschlusses vom 17. Juni 1997 VIII B 72/96, BFH/NV 1997, 882) die Auffassung vertreten, daß der Gesetzgeber mit der Fünfjahresfrist allein die Umgehung der Steuerpflicht des § 17 EStG durch Teilveräußerungen habe verhindern wollen. Diese Ansicht hält aber einer Überprüfung nicht stand.

Die Vorgängervorschrift zu § 17 EStG war § 30 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes vom 10. August 1925 --EStG 1925-- (RGBl I, 189). Nach der Begründung des Entwurfs des EStG 1925 soll die Teilveräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften steuerpflichtig sein, um Umgehungen der Vorschrift zu verhindern (vgl. Reichstagsdrucksache Nr. 795, III. Wahlperiode 1924, S. 56). Die Frist, innerhalb derer die wesentliche Beteiligung vorgelegen haben muß, betrug nach § 30 Abs. 3 EStG 1925 zehn Jahre. In der Gesetzesbegründung wird diese Zehnjahresfrist nicht erläutert. Diese Vorschrift ist im Einkommensteuergesetz vom 16. Oktober 1934 --EStG 1934-- (RGBl I, 1005) durch § 17 EStG ersetzt worden. Dabei ist die Frist auf fünf Jahre verkürzt worden. Eine eigenständige Begründung für die Frist oder ihre Verkürzung enthält jedoch auch die Begründung zum EStG 1934 (RStBl 1935, 42) nicht.

Wenn der Gesetzgeber das Ziel, Umgehungen zu vermeiden, gerade nicht durch eine Regelung verwirklicht hat, deren Wortlaut verlangt, daß die veräußerten Anteile zu irgendeinem Zeitpunkt Teil einer wesentlichen Beteiligung gewesen sein müssen, sondern durch eine Befristung, dann spricht dies dafür, daß er damit gleichzeitig auch noch andere Ziele verfolgen wollte. Dementsprechend hat der Senat in der zeitlichen Begrenzung der Steuerverhaftung auf fünf Jahre einen gewissen Ausgleich für die weitgehende Erfassung von Mehrwerten gesehen, die sich nach dem Absinken der Beteiligung auf 25 v.H. und darunter gebildet haben (Urteil in BFHE 173, 17, BStBl II 1994, 222, 224). Dieser Zweck greift aber auch dann ein, wenn innerhalb des Fünfjahreszeitraums vorübergehend keine Beteiligung bestanden hat.

b) Auch mit der Ähnlichkeit von wesentlich Beteiligtem und Mitunternehmer, mit der die Einführung einer Steuerpflicht für Gewinne aus der Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften durch § 30 Abs. 3 EStG 1925 begründet worden ist (vgl. Reichstagsdrucksache Nr. 795, S. 56), läßt sich eine einschränkende Auslegung des § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG nicht rechtfertigen. Denn der Gesetzgeber hat die Gleichstellung des wesentlich beteiligten Gesellschafters einer Kapitalgesellschaft mit dem Mitunternehmer nur lückenhaft verwirklicht.

Während beispielsweise der Gewinn aus der Veräußerung eines Mitunternehmeranteils stets und ohne Beachtung einer sog. Bagatellgrenze zu versteuern ist, ist der Anteil an einer Kapitalgesellschaft, der 25 v.H. oder weniger beträgt, nur bei einer Veräußerung innerhalb eines Zeitraums von fünf Jahren und dem Überschreiten der sog. Bagatellgrenze von 1 v.H. steuerverhaftet. Obwohl der Gewinn nach § 17 EStG den gewerblichen Einkünften zugeordnet wird, bleibt die Beteiligung im Privatvermögen des Anteilseigners; die Gewinnanteile (Dividenden) gehören zu den Einkünften aus Kapitalvermögen (§ 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG) und nicht wie diejenigen des Mitunternehmers zu den gewerblichen Einkünften (§ 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG). Bei einer Gleichbehandlung der wesentlichen Beteiligung mit dem Mitunternehmeranteil dürften bei der Veräußerung nur diejenigen Wertveränderungen erfaßt werden, die sich während der Dauer der wesentlichen Beteiligung gebildet haben. Dagegen sind nach § 17 Abs. 2 EStG die Anschaffungskosten anzusetzen, so daß auch diejenigen Wertveränderungen steuerpflichtig werden, die entstanden sind, bevor die Beteiligung zu einer wesentlichen geworden oder nachdem die 25 v.H.-Grenze unterschritten worden ist.

Deshalb kann der Gleichstellungsgedanke nur in bestimmten Einzelfragen zur Auslegung des Gesetzes herangezogen werden, und zwar dann, wenn und soweit vergleichbare Voraussetzungen bestehen. Eine Vergleichbarkeit hat der Senat insoweit angenommen, als die Besteuerung des Gewinns aus der Veräußerung eines Mitunternehmeranteils in § 16 EStG ebenso wie in § 17 Abs. 2 EStG an einen einmaligen (punktuellen) Vorgang anknüpft. Deshalb erscheint es gerechtfertigt, die Begriffe "Veräußerung" und "Veräußerungsgewinn", die Art der Gewinnermittlung und den Zeitpunkt der Gewinnrealisierung in §§ 16 und 17 EStG nach im wesentlichen gleichen Grundsätzen zu bestimmen (vgl. Senatsurteil vom 21. Dezember 1993 VIII R 69/88, BFHE 174, 324, BStBl II 1994, 648, 649, m.w.N.). Für die Entscheidung der Frage, wie eine vorübergehend beteiligungslose Zeit bei der Auslegung des § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG zu beurteilen ist, kann der Vergleich der Stellung des wesentlich beteiligten Gesellschafters mit derjenigen des Mitunternehmers aber nicht weiterführen. Denn dieses Problem stellt sich bei der Besteuerung des Gewinns aus der Veräußerung eines Mitunternehmeranteils nicht.

Ende der Entscheidung

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