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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 09.12.2002
Aktenzeichen: VIII R 80/01 (1)
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 64 Abs. 1
EStG § 70 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) erhielt in der Zeit von Januar 1998 bis Januar 1999 Kindergeld für ihre Tochter E. Mit Bescheid vom 29. Januar 1999 bewilligte der Beklagte und Revisionskläger (Beklagter) das Kindergeld ab Februar 1999 dem Vater, der E bereits ab Dezember 1997 in seinen Haushalt aufgenommen hatte. Die Eltern lebten seit diesem Zeitpunkt getrennt.

Ebenfalls mit Bescheid vom 29. Januar 1999 hob der Beklagte die Kindergeldfestsetzung gegenüber der Klägerin ab Februar 1999 auf und wies die Klägerin darauf hin, dass er das ihr ab Januar 1998 gezahlte Kindergeld möglicherweise zurückfordern werde. Die Klägerin solle dazu Stellung nehmen.

Diese erklärte daraufhin, dass sie das Kindergeld für die Zeit von Januar 1998 bis August 1998 an den Vater weitergeleitet habe. Das hat dieser bestritten.

Mit Bescheid vom 3. Mai 1999 hob der Beklagte die Kindergeldfestsetzung für die Zeit von Januar 1998 bis einschließlich Januar 1999 auf und forderte den zuviel bezahlten Betrag von 2 890 DM von der Klägerin zurück. Der Einspruch blieb erfolglos.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt (Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2001, 1224). Für die rückwirkende Aufhebung der Kindergeldfestsetzung gebe es keine Rechtsgrundlage.

Mit der Revision rügt der Beklagte die Verletzung materiellen Rechts (§§ 118 bis 128 der Abgabenordnung --AO 1977--; Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes --GG--).

Er beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

1. Der Beklagte war berechtigt, die Kindergeldfestsetzung in einem ersten Änderungsbescheid für die Zukunft und dann in einem zweiten Änderungsbescheid auch für die Vergangenheit aufzuheben.

Der zweite Änderungsbescheid vom 3. Mai 1999 ändert nicht den ersten Änderungsbescheid vom 29. Januar 1999, sondern die ursprüngliche Kindergeldfestsetzung. Der VI. Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) hat bereits mit Urteil vom 26. Juli 2001 VI R 163/00 (BFHE 196, 274, BStBl II 2002, 174) entschieden, dass die Festsetzung von Kindergeld ein teilbarer Verwaltungsakt sei und dementsprechend grundsätzlich für einzelne Monate aufgehoben oder geändert werden und für andere Monate unverändert bestehen bleiben könne. Der erkennende Senat schließt sich dieser Rechtsprechung an. Er verweist zur Begründung auf dieses Urteil.

2. Der Beklagte hat die Kindergeldfestsetzung auch zu Recht für die Zeit ab Januar 1998 aufgehoben (§ 70 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes --EStG--).

Gemäß § 64 Abs. 1 EStG wird für jedes Kind nur einem Berechtigten Kindergeld gezahlt. Bei mehreren Berechtigten steht das Kindergeld demjenigen zu, der das Kind in seinen Haushalt aufgenommen hat (§ 64 Abs. 2 Satz 1 EStG). Das war im Streitfall der Vater des Kindes, in dessen Haushalt E seit Dezember 1997 lebte.

Da das Kindergeld zugunsten der Klägerin als der nachrangig Berechtigten festgesetzt war, war die Festsetzung gemäß § 70 Abs. 2 EStG vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse an aufzuheben.

3. Der Beklagte hat das für die Zeit von Januar 1998 bis einschließlich Januar 1999 gezahlte Kindergeld zu Recht zurückgefordert (§ 37 Abs. 2 AO 1977).

Mit der rechtswirksamen Aufhebung der Kindergeldfestsetzung für diesen Zeitraum ist auch die Rechtsgrundlage für die Zahlung des Kindergeldes entfallen. Der Rückforderung steht nicht entgegen, dass die Klägerin vorgetragen hat, sie habe das Kindergeld teilweise an den Vater des Kindes weitergeleitet. Der Beklagte hat einen Verzicht auf die Rückforderung des Kindergeldes deshalb abgelehnt, weil der Vater nicht bestätigt hat, dass die Klägerin das erhaltene Kindergeld an ihn weitergeleitet hat. Diese Entscheidung ist nicht zu beanstanden (BFH-Urteil vom 12. September 2001 VI R 25/01, juris). Sie beruht darauf, dass die Weiterleitung die Rückforderung nicht von Gesetzes wegen ausschließt, sondern lediglich aus Vereinfachungsgründen von dem Beklagten als Erfüllung des Rückforderungsanspruchs im verkürzten Zahlungswege berücksichtigt werden kann.

Der Beklagte war nicht verpflichtet, den Sachverhalt hinsichtlich der behaupteten Weiterleitung weiter aufzuklären. Er konnte die Berücksichtigung der Weiterleitung auf einen unstreitigen Sachverhalt beschränken und einen solchen Fall nur dann annehmen, wenn beide Elternteile erklären, dass das Kindergeld an den vorrangig Berechtigten weitergeleitet wurde (Dienstanweisung zur Durchführung des Familienleistungsausgleichs nach dem X. Abschnitt des Einkommensteuergesetzes --DA-FamEStG-- 64.4 Abs. 4 Satz 2 Nr. 2, BStBl I 2000, 639, 692, und dazu BFH-Beschluss vom 22. Juli 1999 VI B 344/98, BFH/NV 2000, 36).

4. Auch der Grundsatz von Treu und Glauben steht der Rückforderung des Kindergeldes nicht entgegen.

Der VI. Senat des BFH hat zwar ausgeführt, dass die Umstände es erfordern könnten, die Rückforderung aus Gründen des Vertrauensschutzes zu unterlassen (BFH-Urteil in BFHE 196, 274, BStBl II 2002, 174, unter 4. b der Gründe). Im Streitfall kann sich die Klägerin aber nicht auf ein schutzwürdiges Vertrauen in das Verhalten des Beklagten berufen. Für die Zeit von Januar 1998 bis Januar 1999 ergibt sich dies daraus, dass die Zahlung des Kindergeldes auf einer Verletzung ihrer Mitwirkungspflicht bei der Aufklärung des Sachverhalts beruhte (§ 90 AO 1977). Die kurze Zeit zwischen dem Erlass des ersten und des zweiten Änderungsbescheides berechtigte die Klägerin nicht zu der Annahme, der Beklagte werde das Kindergeld nicht mehr zurückfordern.



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