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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 24.08.2004
Aktenzeichen: VIII S 1/04
Rechtsgebiete: FGO


Vorschriften:

FGO § 69 Abs. 2 Satz 2
FGO § 69 Abs. 3 Satz 1
FGO § 69 Abs. 6 Satz 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Der Kläger, Revisionsbeklagte und Antragsteller (Antragsteller) und seine Mutter waren Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR). Ausweislich der Anzeige über die Gründung der GbR vom 5. April 1997 war der Antragsteller Empfangsbevollmächtigter gegenüber den Finanzbehörden für alle Steuerarten.

Nachdem die GbR trotz Aufforderung keine Gewinnfeststellungserklärung abgegeben hatte, schätzte der Beklagte, Revisionskläger und Antragsgegner (das Finanzamt --FA--) die Besteuerungsgrundlagen für das Jahr 1999 und stellte mit Bescheid vom 18. Dezember 2000 die Einkünfte für 1999 gesondert und einheitlich fest. Der Bescheid wurde dem Antragsteller ausweislich der Postzustellungsurkunde am 19. Dezember 2000 durch Niederlegung bei der Post zugestellt.

Es besteht Streit darüber, ob der Antragsteller diesen Bescheid rechtzeitig mit einem Einspruch angefochten hat. Das FA verneinte dies und verwarf den Einspruch als unzulässig. Der Kläger erhob Klage und beantragte beim Finanzgericht (FG) Aussetzung der Vollziehung, soweit die Einkünfte aus Gewerbebetrieb höher als xxx DM festgesetzt worden sind. Das FG lehnte den Antrag mit Beschluss vom 13. September 2002 wegen fehlender ernstlicher Zweifel i.S. des § 69 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 der Finanzgerichtordnung (FGO) ab.

Es gab der Klage mit dem --im Laufe des Klageverfahrens eingeschränkten-- Begehren, den Einspruchsbescheid hinsichtlich der einheitlichen und gesonderten Feststellung 1999 vom 17. April 2002 aufzuheben, mit Urteil vom 12. November 2003 statt und ließ die Revision zu. Das FA hat Revision eingelegt und rügt die Verletzung formellen und materiellen Rechts (Az. VIII R 7/04).

Der Antragsteller stellte am 18. Dezember 2003 beim FA erneut einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung des angefochtenen Gewinnfeststellungsbescheides für 1999. Das FA lehnte den Antrag mit Bescheid vom 8. Januar 2003 ab. Der Antragsteller hat daraufhin die Aussetzung der Vollziehung des Gewinnfeststellungsbescheides für 1999 beim Bundesfinanzhof (BFH) beantragt.

II. Der Antrag ist unzulässig. Nachdem das FG bereits über einen entsprechenden Antrag des Antragstellers entschieden hat, wäre ein erneuter Antrag nur unter denjenigen Voraussetzungen statthaft, unter denen nach § 69 Abs. 6 Satz 2 FGO eine Änderung der ergangenen Entscheidung des FG verlangt werden könnte. Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall nicht vor.

1. Nach § 69 Abs. 3 Satz 1 FGO kann, wenn ein Steuerverwaltungsakt Gegenstand eines Rechtsbehelfsverfahrens ist, das Gericht der Hauptsache dessen Vollziehung unter bestimmten Umständen aussetzen. Außerdem kann es, wenn der Verwaltungsakt schon vollzogen worden ist, die erfolgte Vollziehung aufheben (§ 69 Abs. 3 Satz 3 FGO). Gericht der Hauptsache ist, wenn der angefochtene Verwaltungsakt Gegenstand eines beim BFH anhängigen Verfahrens ist, der BFH (BFH-Beschlüsse vom 23. Januar 1985 I S 4/84, BFH/NV 1987, 385; vom 14. August 1997 X B 108/97, BFH/NV 1998, 68; vom 13. Oktober 1999 I S 4/99, BFHE 190, 34, BStBl II 2000, 86)

2. Die gerichtliche Entscheidung über einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung erwächst nicht in materielle Rechtskraft. Vielmehr kann das Gericht der Hauptsache einen einmal ergangenen Beschluss jederzeit ändern oder aufheben (§ 69 Abs. 6 Satz 1 FGO). Die Beteiligten können die Aufhebung oder Änderung jedoch nur wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen (§ 69 Abs. 6 Satz 2 FGO). Diese Begrenzung der Antragsmöglichkeit dient der Entlastung der Gerichte, die so in die Lage versetzt werden sollen, nach Möglichkeit innerhalb eines einzigen Verfahrens abschließend über das Aussetzungsbegehren zu entscheiden (FG Düsseldorf, Beschluss vom 16. Dezember 1992 17 V 7248/92 A (H,U), Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 1993, 395; BFH-Beschluss in BFHE 190, 34, BStBl II 2000, 86).

Aus dem genannten Zweck der in § 69 Abs. 6 Satz 2 FGO getroffenen Regelung hat der BFH abgeleitet, dass hiervon nicht nur diejenigen Fälle erfasst werden, in denen formal die Aufhebung oder Änderung einer ergangenen Entscheidung begehrt wird, sondern dass die Begrenzung der Antragsmöglichkeit gleichermaßen gelten muss, wenn zunächst über einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung entschieden worden ist und nunmehr ein Beteiligter erneut einen solchen Antrag stellt. Denn in dieser Konstellation wird das Gericht ebenso wiederholt mit dem Begehren auf Aussetzung der Vollziehung befasst wie im Fall des Antrags auf Abänderung der ursprünglichen Entscheidung. Demgemäß ist die Zulässigkeit eines solchen Folgeantrags ebenfalls an die Voraussetzungen des § 69 Abs. 6 Satz 2 FGO gebunden (vgl. BFH-Beschlüsse vom 18. September 1996 I B 39/96, BFH/NV 1997, 247; vom 25. März 1998 IX S 27/97, BFH/NV 1998, 1115; in BFHE 190, 34, BStBl II 2000, 86).

3. Daran ändert sich auch nichts, wenn --wie im Streitfall-- die ursprüngliche Entscheidung vom FG erlassen wurde, inzwischen aber der BFH Gericht der Hauptsache geworden ist und deshalb der Folgeantrag bei ihm gestellt wird (vgl. BFH-Beschlüsse in BFH/NV 1998, 1115; in BFHE 190, 34, BStBl II 2000, 86). Denn es wäre nicht gerechtfertigt, den Beteiligten allein wegen des zwischenzeitlich eingetretenen Zuständigkeitswechsels eine Rechtsschutzmöglichkeit zu eröffnen, die das Gesetz ihnen gegenüber dem erstinstanzlichen Gericht versagt. Eine solche Lösung würde zudem damit kollidieren, dass die Beschwerde gegen eine Entscheidung des FG in Sachen Aussetzung der Vollziehung nur bei ausdrücklicher Zulassung durch das FG gegeben ist (§ 128 Abs. 3 Satz 1 FGO). Diese Regelung zielt darauf ab, dass ein einmal vom FG entschiedenes Verfahren auf Aussetzung der Vollziehung nicht ohne Zutun des FG an den BFH herangetragen werden kann; damit wäre es nicht vereinbar, wenn eine Anfechtung der in der Hauptsache ergangenen FG-Entscheidung eine solche Möglichkeit letztlich doch eröffnen würde. Hierdurch könnte die vom Gesetz vorgegebene grundsätzliche Beschränkung des einstweiligen Rechtsschutzes auf eine Instanz für eine Vielzahl von Fällen unterlaufen werden (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 1998, 1115). Im Ergebnis kann deshalb auch ein --zutreffenderweise-- beim BFH gestellter erneuter Antrag auf Aussetzung der Vollziehung nur nach Maßgabe des § 69 Abs. 6 Satz 2 FGO statthaft sein.

4. Die danach erforderlichen Voraussetzungen für die Zulässigkeit eines erneuten Antrags auf Aussetzung der Vollziehung liegen im Streitfall nicht vor. Der Antragsteller hat nicht vorgetragen und es ist auch den Akten nicht zu entnehmen, dass im Anschluss an die Entscheidung des FG Umstände eingetreten oder erkennbar geworden wären, die den entscheidungserheblichen Sachverhalt oder die maßgebliche Rechtslage in einem neuen Licht erschienen ließen.

Als Änderung der maßgeblichen Rechtslage kann nicht angesehen werden, dass das FG seine eigene Auffassung im Hauptsacheverfahren geändert und der Klage des Antragstellers stattgegeben hat (vgl. Dumke in Schwarz, Kommentar zur Finanzgerichtsordnung, § 69 Rn. 112 a). Von einer maßgeblichen Änderung der Rechtslage kann vielmehr erst dann die Rede sein, wenn eine den Streitfall betreffende Gesetzesänderung oder eine für die Beurteilung des Streitfalles erhebliche Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung eingetreten ist (vgl. BFH-Beschlüsse vom 12. Februar 1969 VII B 60/66, BFHE 95, 84, BStBl II 1969, 318; vom 15. Januar 1991 IX S 6/90, BFH/NV 1991, 535; vom 25. Oktober 1994 VIII B 101/94, BFH/NV 1995, 611; vgl. auch Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 69 Rn. 199, m.w.N.). Dies ist hier nicht der Fall.

Der Antrag muss deshalb abgelehnt werden, ohne dass in diesem Verfahren auf die sachliche Berechtigung des Begehrens des Antragstellers eingegangen werden könnte.

5. Der Senat hat in dem Hauptsacheverfahren VIII R 7/04 mit Urteil vom heutigen Tag die Revision des FA als unbegründet zurückgewiesen. Dieses wird prüfen müssen, ob möglicherweise angefallene Säumniszuschläge dem Kläger wegen der besonderen Umstände des Streitfalls zu erlassen sind (§§ 227, 240 der Abgabenordnung --AO 1977--).



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