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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 10.04.2006
Aktenzeichen: X B 162/05
Rechtsgebiete: FGO, ZPO


Vorschriften:

FGO § 116 Abs. 3 Satz 3
FGO § 155
ZPO § 227 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) schätzte in dem angefochtenen Einkommensteuerbescheid 2002 die Besteuerungsgrundlagen, weil die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger), zusammen veranlagte Eheleute, keine Einkommensteuererklärung abgegeben hatten. Mit der dagegen nach erfolglosem Einspruch erhobenen Klage haben die im erstinstanzlichen Verfahren nicht durch einen steuerlichen Berater vertretenen Kläger im Wesentlichen geltend gemacht, dass die Klägerin im Streitjahr keine gewerblichen Einnahmen erzielt habe. Außerdem hätten sie --die Kläger-- negative Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erwirtschaftet.

Das Finanzgericht (FG) bestimmte den Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 19. August 2005, zu dem es die Beteiligten am 15. Juli 2005 lud. Mit Fax vom 18. August 2005, das beim FG um 15.57 Uhr einging, beantragten die Kläger, die mündliche Verhandlung auf einen späteren Zeitpunkt zu verlegen, da sie sich "wegen mehrerer Krankheiten zur Zeit in (ärztlicher) Dauerbehandlung (befänden)". Zum Nachweis ihrer Erkrankungen fügten sie zwei Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vom 17. August 2005, ausgestellt für die Klägerin von einem Frauenarzt und für den Kläger von einem Allgemeinmediziner, bei, aus denen sich lediglich ergab, dass die Kläger vom 17. August bis voraussichtlich 19. August 2005 arbeitsunfähig waren.

Die Kläger nahmen den Termin zur mündlichen Verhandlung am 19. August 2005 nicht wahr. Das FG führte die mündliche Verhandlung durch und wies die Klage als unbegründet ab, ohne die Revision zuzulassen. In dem angefochtenen Urteil wies das FG darauf hin, dass es den Antrag der Kläger auf Aufhebung des Termins in der mündlichen Verhandlung abgelehnt habe, weil die Kläger erhebliche Gründe für eine Aufhebung oder Verlegung des Termins nicht substantiiert dargelegt hätten.

Mit ihrer Nichtzulassungsbeschwerde machen die Kläger die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache sowie Verfahrensmängel (insbesondere sinngemäß die Verletzung ihres Rechts auf Gehör) geltend.

II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Soweit die Kläger die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache und wegen (vorgeblicher) Verletzung der Sachaufklärungspflicht des FG begehren, entspricht die Beschwerdebegründung nicht den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung --FGO-- (unten 1. und 2.). Die von ihnen sinngemäß gerügte Verletzung des rechtlichen Gehörs liegt nicht vor (unten 3.).

1. Macht der Beschwerdeführer die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (vgl. § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) geltend, so muss er zunächst eine bestimmte für die Entscheidung des Streitfalles erhebliche Rechtsfrage herausstellen, der grundsätzliche Bedeutung zukommen soll. Des Weiteren muss er substantiiert darauf eingehen, weshalb die von ihm aufgeworfene Rechtsfrage aus Gründen der Rechtssicherheit, der Rechtseinheitlichkeit und/ oder Rechtsentwicklung im allgemeinen Interesse liegt. Zur schlüssigen Darlegung der Klärungsbedürftigkeit dieser Rechtsfrage muss er außerdem begründen, in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen die Beantwortung der Rechtsfrage zweifelhaft und streitig ist (vgl. z.B. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 116 Rz. 32, m.w.N. aus der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs --BFH--).

Diesen Erfordernissen genügt die Beschwerdebegründung der Kläger nicht. Es fehlt bereits an der Herausarbeitung einer bestimmten abstrakten Rechtsfrage, welcher nach Auffassung der Kläger eine grundsätzliche Bedeutung beizumessen sein soll.

2. Wird ein Verstoß gegen die Sachaufklärungspflicht mit der Begründung gerügt, das FG hätte den Sachverhalt von Amts wegen weiter aufklären müssen, so sind nach der ständigen Rechtsprechung des BFH (vgl. hierzu die Nachweise bei Gräber/Ruban, a.a.O., § 120 Rz. 70) u.a. Ausführungen zu folgenden Punkten erforderlich:

- welche Tatsachen das FG auch ohne besonderen Antrag hätte aufklären müssen oder welche Beweise zu welchem Beweisthema es von Amts wegen hätte erheben müssen,

- aus welchen (genau bezeichneten) Gründen sich dem FG die Notwendigkeit einer weiteren Aufklärung des Sachverhalts oder einer Beweisaufhebung auch ohne einen entsprechenden Antrag hätte aufdrängen müssen;

- inwiefern eine weitere Aufklärung des Sachverhalts auf der Grundlage des materiell-rechtlichen Standpunkts des FG zu einer anderen Entscheidung hätte führen können.

Zu keinem dieser Punkte enthält die Beschwerdebegründung substantiierte Angaben.

3. Ohne Erfolg rügen die Kläger schließlich, dass das FG ihren Antrag auf Aufhebung bzw. Verlegung des Termins zur mündlichen Verhandlung zu Unrecht abgelehnt und --sinngemäß-- dadurch ihren Anspruch auf rechtliches Gehör (vgl. § 96 Abs. 2, § 119 Nr. 3 FGO, Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes --GG--) verletzt habe.

a) Lehnt das Gericht den Antrag eines Beteiligten auf Aufhebung oder Verlegung eines Termins zur mündlichen Verhandlung zu Unrecht ab, liegt darin nach ständiger Rechtsprechung des BFH ein Verstoß gegen das Gebot der Gewährung rechtlichen Gehörs (vgl. dazu die Nachweise bei Gräber/Ruban, a.a.O., § 119 Rz. 16, "Ablehnung eines Vertagungsantrages").

Nach § 155 FGO i.V.m. § 227 Abs. 1 der Zivilprozessordnung (ZPO) kann das Gericht aus erheblichen Gründen einen Termin nach pflichtgemäßem Ermessen aufheben oder verlegen bzw. eine mündliche Verhandlung vertagen. Beantragt ein Beteiligter die Terminsänderung und kann er sich hierbei auf erhebliche Gründe i.S. von § 227 Abs. 1 ZPO berufen, so verdichtet sich das richterliche Ermessen zu einer entsprechenden Rechtspflicht zur Terminsänderung (vgl. z.B. Gräber/Koch, a.a.O., § 91 Rz. 3, m.w.N. aus der Rechtsprechung).

b) Solche erheblichen Gründe für die von den Klägern begehrte Aufhebung bzw. Verlegung des Termins zur mündlichen Verhandlung hat das FG indessen zutreffend verneint.

aa) Begründet der Beteiligte seinen kurz vor der mündlichen Verhandlung gestellten Antrag auf Terminsänderung mit seiner Erkrankung, so ist er --entgegen der Ansicht der Kläger-- auch ohne Aufforderung (Hinweis) des Gerichts verpflichtet, die Gründe für seine krankheitsbedingte Verhinderung so präzise anzugeben und zu belegen, dass das Gericht die Frage, ob der Beteiligte aufgrund seiner Erkrankung verhandlungsunfähig ist, selbst beurteilen kann (ständige höchstrichterliche Rechtsprechung; vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 17. Mai 2000 IV B 86/99, BFH/NV 2000, 1353, und vom 25. Juli 2005 XI B 155/03, BFH/NV 2005, 2036).

bb) Im Streitfall haben die Kläger ihren Antrag erst kurz vor der mündlichen Verhandlung gestellt, obwohl sie nach eigenem Bekunden nicht etwa durch eine plötzliche und unvorhersehbare Erkrankung an der Wahrnehmung des Termins gehindert waren, sondern sich "wegen mehrerer Erkrankungen in einer (ärztlichen) Dauerbehandlung" befanden.

Unter diesen Umständen hätten die Kläger --worauf das FG in den Urteilsgründen zu Recht hingewiesen hat-- nicht erst am Vortag der mündlichen Verhandlung gegen Ende der regulären Arbeitszeit der Gerichtsverwaltung, sondern wesentlich zeitiger einen Antrag auf Aufhebung des Termins stellen sowie begründen können und müssen. Das Gericht hätte sodann Gelegenheit gehabt, etwaige Mängel oder Unvollständigkeiten des Antrages zu beanstanden und die Kläger zur Ergänzung ihres Vortrages aufzufordern. Eine entsprechende Möglichkeit hätte --wie das FG des Weiteren betont hat-- selbst dann noch bestanden, wenn die Kläger ihren Antrag unter Beifügung der ärztlichen Atteste unverzüglich nach deren Ausstellung am 17. August 2005 unter Angabe ihrer Fax-Nummer an das FG übermittelt hätten. Stattdessen haben die Kläger ihren Antrag auf Terminsänderung erst am späten Nachmittag des 18. August 2005 an das FG gefaxt und hierbei weder ihre Fax- noch ihre Telefonnummer angegeben.

cc) Zu Recht hat das FG angenommen, dass die von den Klägern am Tag vor dem Termin zur mündlichen Verhandlung vorgelegten privatärztlichen "Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen" nicht genügten, um die Reise- und (die von der Arbeitsunfähigkeit zu unterscheidende; vgl. hierzu z.B. Senatsbeschluss vom 26. August 1999 X B 58/99, BFH/NV 2000, 441) Verhandlungsunfähigkeit der Kläger zu belegen. Das FG konnte auf der Grundlage dieser ärztlichen Bescheinigungen, die keine Angaben zu Art und Schwere der Erkrankungen enthielten, nicht selbst beurteilen, ob die Erkrankungen der Kläger so schwerwiegend waren, dass sie ihre Verhandlungsfähigkeit beeinträchtigten und/oder ihr Erscheinen zum Termin wegen fehlender Reisefähigkeit nicht erwartet werden konnte. Auch in ihrem Begleitschreiben haben die Kläger keinerlei Angaben zur Art und Schwere ihrer Erkrankungen gemacht.

Vor diesem Hintergrund war das FG nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht zu einer Aufhebung oder Verlegung des Termins zur mündlichen Verhandlung verpflichtet (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 3. August 2005 II B 47/04, BFH/NV 2005, 2041; in BFH/NV 2005, 2036; vom 27. April 2005 X B 130/04, BFH/NV 2005, 1596; vom 6. Oktober 2003 XI B 170/02, BFH/NV 2004, 216; vom 6. Dezember 2002 IV B 144/01, BFH/NV 2003, 629; vom 23. Oktober 2002 III B 167/01, BFH/NV 2003, 80; in BFH/NV 2000, 441).

Dies gilt umso mehr auch deswegen, weil die Kläger einen Schätzungsbescheid angefochten und bis dato keine Steuererklärungen (mit Gewinnermittlung) abgegeben hatten. Von daher waren sie in einem auch für sie erkennbaren besonderen Maße verpflichtet, die Gründe ihrer kurzfristig mitgeteilten Verhinderung von sich aus substantiiert darzulegen und glaubhaft zu machen (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 2005, 2036).

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