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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 10.07.2002
Aktenzeichen: X B 170/00
Rechtsgebiete: FGO, AO 1977, 2.FGOÄndG


Vorschriften:

FGO § 76 Abs. 1
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 2
FGO § 115 Abs. 3 Satz 3
FGO § 116 Abs. 5 Satz 2
AO 1977 § 160
2.FGOÄndG Art. 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

Gemäß Art. 4 des Zweiten Gesetzes zur Änderung der Finanzgerichtsordnung und anderer Gesetze (2.FGOÄndG) vom 19. Dezember 2000 (BGBl I 2000, 1757) richten sich die Voraussetzungen für die Zulässigkeit eines Rechtsbehelfs nach den bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Vorschriften, wenn eine Entscheidung --wie im Streitfall-- vor dem 1. Januar 2001 zugestellt worden ist.

1. Eine Zulassung der Revision wegen Divergenz zu Entscheidungen des Bundesfinanzhofs (BFH) kommt im Streitfall nicht in Betracht. Die Darlegung einer Divergenz i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) a.F. setzt voraus, dass der Beschwerdeführer abstrakte Rechtssätze im angefochtenen Urteil und in der (mutmaßlichen) Divergenzentscheidung herausarbeitet und einander gegenüberstellt, so dass die behauptete Abweichung erkennbar ist.

a) Daran fehlt es im Hinblick auf die Entscheidung des BFH vom 10. November 1998 I R 108/97 (BFHE 187, 211, BStBl II 1999, 121) schon deshalb, weil in dem vom Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) genannten Urteil in BFHE 187, 211, BStBl II 1999, 121 der Satz "... Ein Beteiligter kann sich nicht darauf berufen, dass er Sachverhalte nicht aufklären oder Beweismittel beschaffen kann, wenn er sich nach Lage des Falles bei der Gestaltung seiner Verhältnisse die Möglichkeit dazu hätte beschaffen oder einräumen lassen können ..." nicht zu finden ist. Im Übrigen hat die Rechtsprechung des BFH sehr früh darauf hingewiesen, dass den Steuerpflichtigen bei der Aufklärung von Verhältnissen, die eine Beziehung zum Ausland aufweisen, eine erhöhte Mitwirkungspflicht trifft (z.B. BFH-Urteil vom 17. Juli 1968 I R 121/64, BFHE 93, 1, BStBl II 1968, 695).

b) Eine Zulassung der Revision wegen Divergenz zu der Entscheidung vom 28. Januar 1992 VIII R 7/88 (BFHE 167, 273, BStBl II 1993, 84) kommt ebenfalls nicht in Betracht.

Zwar gibt die Beschwerdeschrift einen einschlägigen abstrakten Rechtssatz aus dem o.g. Urteil zutreffend wieder. Sie kann jedoch nicht herausarbeiten, dass das Finanzgericht (FG) durch Berücksichtigung des Fehlens der eigenen wirtschaftlichen Aktivität der Firma Z mit Sitz in X im Fürstentum Liechtenstein einen gegensätzlichen Rechtssatz aufgestellt und angewendet hat.

Denn das FG begründet mit dieser Überlegung lediglich den Charakter der Z als Domizilgesellschaft. Es befindet sich damit in voller Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des BFH, wie das vom Kläger in anderem Zusammenhang genannte Urteil in BFHE 187, 211, BStBl II 1999, 121 deutlich macht. Danach ist das Fehlen eigener wirtschaftlicher Aktivität in Liechtenstein ein Charakteristikum einer Domizilgesellschaft. Im Übrigen hat das FG den Missbrauch rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten ausführlich mit dem Fehlen wirtschaftlicher oder sonst beachtlicher, nicht steuerlicher Gründe für die Zwischenschaltung der Z begründet; insofern befindet es sich im Einklang mit dem vom Kläger genannten Urteil in BFHE 167, 273, BStBl II 1993, 84. Das Vorbringen des Klägers, das FG habe zu Unrecht wirtschaftliche Aktivitäten der Z verneint, es sei daher zu Unrecht vom Vorliegen einer Domizilgesellschaft ausgegangen und deswegen sei ein weiter gehendes, auf § 160 der Abgabenordnung (AO 1977) gestütztes Benennungsverlangen unverhältnismäßig, richtet sich im Kern gegen die Sachverhalts- und Beweiswürdigung des FG. Indes sind Einwände gegen die Richtigkeit des angefochtenen Urteils von vornherein ungeeignet, die Revisionszulassung zu rechtfertigen.

c) Schließlich liegt auch keine Divergenz zu der Entscheidung vom 22. Juni 1995 IV R 26/94 (BFHE 177, 354, BStBl II 1995, 575) vor.

Der Kläger konnte keinen Rechtssatz in dem Urteil des FG herausarbeiten, der von einem Rechtssatz in der genannten Entscheidung des BFH abweicht. Er hat im Gegenteil zutreffend wiedergegeben, dass auch das FG --in Übereinstimmung mit dem BFH-Urteil-- bei der Frage der Verjährung nicht auf einen Fortsetzungszusammenhang abgestellt hat, weil es ein vorsätzliches Tun des Klägers in jedem einzelnen Veranlagungszeitraum bejaht hat. Dass der Kläger dies verneint, bringt die Überlegungen des FG jedoch nicht in Widerspruch zu dem vom Kläger genannten BFH-Urteil. Auch wenn der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) bei Erlass der Änderungsbescheide noch von einem Fortsetzungszusammenhang ausgegangen ist, ändert dies nichts daran, dass das FG den seiner Ansicht nach die Steuerhinterziehung tragenden Vorsatz des Klägers nicht auf Fortsetzungszusammenhang gegründet, sondern in jedem einzelnen Veranlagungszeitraum für gegeben angesehen hat.

2. Der Kläger hat die von ihm behaupteten Verfahrensmängel nicht in der nach § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO a.F. erforderlichen Weise bezeichnet.

a) Der Anspruch auf rechtliches Gehör verlangt vom Gericht, dass es die Ausführungen der Beteiligten zur Kenntnis nimmt und in Erwägung zieht. Aus den vom Kläger hinsichtlich seines Vorbringens im Schriftsatz vom 13. August 1999 dargelegten Zweifeln ergibt sich jedoch nur dann eine schlüssige Rüge einer Verletzung des rechtlichen Gehörs, wenn der Kläger substantiiert darlegt, welches Vorbringen das FG bei seiner Entscheidung nicht zur Kenntnis genommen und nicht in Erwägung gezogen hat. Dazu müssen in der Beschwerdeschrift die Einzelheiten der Äußerungen geschildert werden, die davon betroffen sein sollen (Lange in Hübschmann/Hepp/Spitaler --HHSp--, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 10. Aufl., § 119 FGO Rz. 97). Es muss ferner dargelegt werden, welche Bedeutung ihre Nichtbeachtung durch das FG für dessen Entscheidung hat (Beermann, Steuerliches Verfahrensrecht, § 119 FGO Rz. 54). Der bloße Hinweis auf den zehn Textseiten und sieben Anlagen umfassenden Schriftsatz vom 13. August 1999, von dem der Kläger den Eindruck gewonnen hat, dass das FG ihn nicht in seine Erwägungen einbezogen hat, genügt nicht für eine ordnungsgemäße Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs. Dies jedenfalls nicht angesichts des hier gegebenen Umstands, dass in dem angefochtenen Urteil zu Teilen dieses Schreibens und der beigefügten Anlagen ausdrücklich Stellung genommen wird. Die Beschwerdeschrift muss so abgefasst sein, dass es nicht dem Beschwerdegericht überlassen bleibt, die Akten auf etwaige Verfahrensverstöße zu untersuchen (Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., § 120 Anm. 38; Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 16. Aufl., § 120 FGO Tz. 111). Diesen Anforderungen entspricht die Beschwerdeschrift nicht, so dass eine Verletzung des rechtlichen Gehörs nicht ordnungsgemäß gerügt worden ist.

b) Im Übergehen von Beweisanträgen kann ein Verfahrensmangel liegen. Auch insoweit wird vom Beschwerdeführer verlangt, dass der Inhalt der Beschwerdeschrift das Beschwerdegericht entlastet und nicht dazu zwingt, die Akten auf etwaige Verfahrensverstöße zu untersuchen. Es muss allein anhand der Rechtsmittelbegründung geprüft werden können, ob der gerügte Verfahrensmangel vorliegt, wenn die Behauptungen zutreffen. Deshalb muss der Beschwerdeführer in der Beschwerdeschrift das Beweisthema und das angebotene Beweismittel nennen und vortragen, zu welchem Ergebnis die Beweiserhebung voraussichtlich geführt hätte und inwiefern das angefochtene Urteil auf der unterlassenen Beweiserhebung beruhen kann (Beermann, a.a.O., § 115 FGO Rz. 151; Gräber/ Ruban, a.a.O., § 120 Anm. 40; Senatsbeschlüsse vom 5. September 1990 X B 150/89, BFH/NV 1991, 329, und vom 19. August 1994 X B 124/94, BFH/NV 1995, 238). Diesen Anforderungen wird die Beschwerdeschrift nicht gerecht, weil sie sich in einem bloßen Hinweis auf den zehn Textseiten und sieben Anlagen umfassenden Schriftsatz vom 13. August 1999 sowie den darin gestellten Beweisanträgen und in dem Hinweis erschöpft, dass der Kläger die Beweisanträge in der mündlichen Verhandlung aufrecht erhalten hat.

c) Kein Verfahrensmangel, der dem FG vorgehalten werden könnte, lässt sich aus den umfangreichen Ausführungen in der Beschwerdeschrift darüber ableiten, das FG habe die Regeln der Beweislastverteilung verkannt, selbst wenn es so wäre. Denn die fehlerhafte Beurteilung der Grundsätze über die Verteilung der Beweislast stellt einen materiell-rechtlichen Fehler dar, weil die Normen über die Beweislast an den jeweils anzuwendenden Normen des materiellen Rechts anknüpfen und sie ergänzen (Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Anm. 28, m.w.N. der Rechtsprechung; Lange in HHSp, § 115 FGO Rz. 247). Auch der Grundsatz "in dubio pro reo" ist eine Beweislastregel. Es ist anerkannt, dass wenn die Rechtmäßigkeit von Steuerbescheiden von der Feststellung einer Steuerhinterziehung abhängt, das Vorliegen dieses Tatbestandsmerkmals nicht nach der Strafprozessordnung, sondern nach den Vorschriften der AO 1977 und der FGO zu prüfen ist. Deshalb ist für die Feststellung der Steuerhinterziehung kein höherer Grad von Gewissheit erforderlich als für die Feststellung anderer Tatsachen, für die das FA die Feststellungslast trägt (Beschluss des Großen Senats des BFH vom 5. März 1979 GrS 5/77, BFHE 127, 140, BStBl II 1979, 570).

d) Auch die Rüge, das FG habe seine Sachaufklärungspflicht verletzt, entspricht nicht den in § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO a.F. geregelten Voraussetzungen.

Zwar hat das Gericht gemäß § 76 Abs. 1 FGO den Sachverhalt von Amts wegen zu erforschen und die dafür erforderlichen Beweise (§ 81 Abs. 1 Satz 2 FGO) zu erheben. Es ist auch nicht an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten gebunden (§ 76 Abs. 1 Satz 5 FGO). Aber der Beschwerdeführer muss in der Beschwerdeschrift konkret darlegen, was das Gericht mit welchen Mitteln hätte aufklären müssen, welche Tatsachen sich bei der vermissten (weiteren) Aufklärung voraussichtlich ergeben hätten und wie sich dies auf das Ergebnis der Entscheidung ausgewirkt hätte (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 23. April 1992 II B 174/91, BFH/NV 1993, 243, und vom 20. Oktober 2000 I B 1/00, BFH/NV 2001, 645, sowie Senatsbeschluss in BFH/NV 1995, 238). Allgemeine Vermutungen über einen angenommenen Sachverhalt genügen dafür ebenso wenig wie der Hinweis auf den vom Kläger im finanzgerichtlichen Verfahren eingereichten umfangreichen Schriftsatz vom 13. August 1999 mit den darin enthaltenen Beweisanträgen (vgl. Lange in HHSp, § 119 FGO Rz. 13).

e) Die überlange Dauer eines Verfahrens kann zu einem Verfahrensmangel führen. Allerdings kann aus dem bloßen Zeitablauf nicht zwingend die Annahme einer überlangen Verfahrensdauer mit der Folge eines Verstoßes gegen das Gebot wirksamen Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes) gefolgert werden. Vielmehr ist eine solche Wertung nur gerechtfertigt, wenn die Verfahrensdauer auf Umständen beruht, die der Finanzverwaltung oder dem FG angelastet werden können und die Dauer des Verfahrens als unverständlich und nicht gerechtfertigt erscheinen lassen (vgl. BFH-Urteil vom 23. Februar 1999 IX R 19/98, BFHE 188, 264, BStBl II 1999, 407). Deshalb muss der Beschwerdeführer für die Zulässigkeit einer auf einen solchen Verfahrensmangel gestützten Nichtzulassungsbeschwerde darlegen, worauf die Dauer des Verfahrens beruht (vgl. BFH-Beschluss vom 17. August 2001 IX B 20/01, BFH/NV 2002, 53) und insbesondere, dass sie der Finanzverwaltung oder dem FG angelastet werden kann. Ebenso muss er darlegen, dass bei einer kürzeren Verfahrensdauer das FG zu einer anderen Entscheidung hätte kommen können (BFH-Beschluss vom 14. Juni 2000 XI B 85/99, BFH/NV 2000, 1364). Ein solches Vorbringen hat der Kläger unterlassen. Er hat es bei der Behauptung einer überlangen Verfahrensdauer bewenden lassen und damit die Anforderungen an die Bezeichnung des Verfahrensmangels gemäß § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO a.F. nicht erfüllt.

3. Soweit der Kläger in einer gleichsam salvatorischen Klausel für den Fall, dass der Senat keinen Verfahrensfehler bejaht, die behaupteten Verfahrensfehler jedoch auf einer Abweichung von einer erwähnten BFH-Entscheidung beruhen würden, auch Divergenz, hilfsweise die mit jedem Verfahrensfehler aufgeworfene allgemeine Rechtsfrage wegen grundsätzlicher Bedeutung geltend macht, kann darin keine ausreichende Bezeichnung eines Revisionszulassungsgrundes gesehen werden, da diese Ausführungen jeder Konkretisierung entbehren.

4. Von der Darstellung des Sachverhalts und einer weiteren Begründung seiner Entscheidung sieht der Senat gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO i.d.F. des 2.FGOÄndG ab.

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