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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 15.12.2004
Aktenzeichen: X B 48/04
Rechtsgebiete: FGO, BGB, UStG


Vorschriften:

FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1
BGB § 311b
UStG § 14 Abs. 2 Satz 2
UStG § 14 Abs. 3
UStG § 17 Abs. 1 Satz 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

Die Beschwerde kann keinen Erfolg haben, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) hat (vgl. unten 1.) und eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) auch zur Fortbildung des Rechts (vgl. § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 FGO) nicht erforderlich ist (vgl. unten 2.).

1. "Grundsätzliche Bedeutung" i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO kommt einer Rechtssache nach ständiger Rechtsprechung des BFH zu, wenn die für die Beurteilung des Streitfalles maßgebliche Rechtsfrage das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt, d.h. wenn die Beantwortung der Rechtsfrage aus Gründen der Rechtssicherheit, der Rechtseinheitlichkeit und/oder Rechtsentwicklung im allgemeinen Interesse liegt (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 21. April 1999 I B 99/98, BFHE 188, 372, BStBl II 2000, 254; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 115 Rz. 23, mit zahlreichen Nachweisen aus der Rechtsprechung des BFH). Die Rechtsfrage muss klärungsbedürftig und im Streitfall klärungsfähig sein (Gräber/Ruban, a.a.O.). An der Klärungsbedürftigkeit fehlt es, wenn sich die Antwort auf die streitige Rechtsfrage ohne weiteres aus dem klaren Wortlaut und Sinngehalt des Gesetzes ergibt oder die Rechtsfrage offensichtlich so zu beantworten ist, wie es das Finanzgericht (FG) getan hat, die Rechtslage also eindeutig ist (Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz. 28, m.w.N. aus der Rechtsprechung).

Die von den Klägern und Beschwerdeführern (Kläger) zur Begründung ihres Rechtsmittels aufgeworfenen Rechtsfragen

- ist ein besonderer Umstand im Sinne der Rechtsprechung des Großen Senats des BFH im Beschluss vom 10. Dezember 2001 GrS 1/98 (BFHE 197, 240, BStBl II 2002, 291), der trotz Veräußerung von weniger als vier Objekten auf eine gewerbliche Tätigkeit schließen lässt, allein darin zu sehen, dass der Steuerpflichtige dem Mieter seines gewerblich genutzten Grundstücks in notarieller Form ein unbedingtes Kaufangebot unterbreitet

- ist ein besonderer Umstand im Sinne der Rechtsprechung des Großen Senats des BFH im Beschluss in BFHE 197, 240, BStBl II 2002, 291, der trotz Veräußerung von weniger als vier Objekten auf eine gewerbliche Tätigkeit schließen lässt, allein darin zu sehen, dass der Steuerpflichtige dem Mieter im privatschriftlichen Mietvertrag ein Ankaufsrecht einräumt

- ist im Rechtsstreit über die Festsetzung der Einkommensteuer gleichfalls über etwaige Billigkeitsmaßnahmen zu entscheiden

haben keine grundsätzliche Bedeutung. Die Rechtsfragen sind durch die Rechtsprechung des BFH geklärt bzw. nicht klärungsbedürftig, weil sie offensichtlich so zu beantworten sind, wie es das FG getan hat.

a) Der Große Senat des BFH hat in seinem Beschluss in BFHE 197, 240, BStBl II 2002, 291 klargestellt, dass der Zahl der Objekte für die Beurteilung, ob eine gewerbliche Betätigung gegeben sei oder nicht, nur eine indizielle Bedeutung zukomme. Auch bei einer Veräußerung von weniger als vier Objekten könnten besondere Umstände auf eine gewerbliche Betätigung schließen lassen. Die Drei-Objekt-Grenze dürfe nicht als Freigrenze oder Mindestgrenze verstanden werden.

Damit ist durch die bisherige Rechtsprechung geklärt, dass die Veräußerung von mehr als drei Objekten innerhalb eines bestimmten Zeitraums lediglich ein Indiz dafür ist, dass bereits im Zeitpunkt des Erwerbs oder der Errichtung zumindest eine bedingte Verkaufsabsicht bestanden hat (vgl. z.B. Senatsurteil vom 18. September 2002 X R 183/96, BFHE 200, 293, BStBl II 2003, 238, unter II.3.a der Gründe, m.w.N.), und dass es dieser Indizwirkung nicht bedarf, wenn aufgrund anderer Umstände zweifelsfrei feststeht, dass eine unbedingte Veräußerungsabsicht gegeben war (vgl. BFH-Urteil vom 9. Dezember 2002 VIII R 40/01, BFHE 201, 180, BStBl II 2003, 294, unter 3.b der Gründe).

Eine solche unbedingte Veräußerungsabsicht, die zur Annahme einer gewerblichen Betätigung auch bei Veräußerung von weniger als vier Objekten führt, liegt nach Auffassung des Großen Senats des BFH in BFHE 197, 240, BStBl II 2002, 291 beispielsweise vor, wenn das im zeitlichen Zusammenhang mit der Bebauung und Veräußerung (ggf. auch durch Schenkung) erworbene Grundstück schon vor seiner Bebauung verkauft worden ist, es von vornherein auf Rechnung oder nach Wünschen des Erwerbers bebaut wird oder das Bauunternehmen des das Grundstück bebauenden Steuerpflichtigen erhebliche Leistungen für den Bau erbringt, die nicht wie unter Fremden abgerechnet werden.

Diesen für eine unbedingte Veräußerungsabsicht und gegen eine private Vermögensverwaltung sprechenden Indizien steht gleich, wenn der Steuerpflichtige beispielsweise das Bauvorhaben nur kurzfristig finanziert, bereits während der Bauzeit eine Maklerfirma mit dem Verkauf des Objekts beauftragt oder selbst Veräußerungsannoncen schaltet, vor Fertigstellung des Objekts einen Vorvertrag mit dem künftigen Erwerber schließt oder Gewährleistungspflichten über das bei Privatverkäufen übliche Maß hinaus übernimmt; dies gilt umso mehr, wenn der Steuerpflichtige die unbedingte Veräußerungsabsicht zweifelsfrei bekundet oder in sonstiger Weise dokumentiert (vgl. Senatsurteil in BFHE 200, 293, BStBl II 2003, 238).

Im Streitfall hat das FG in tatsächlicher Hinsicht festgestellt, dass die Klägerin vor Fertigstellung den Mietern der beiden Objekte notariell beurkundete bzw. privatschriftliche Vorkaufsrechte eingeräumt hat. Das FG hat diese Vorkaufsrechte als Beweisanzeichen für die bereits vor Beendigung der Bauarbeiten vorhandene unbedingte Veräußerungsabsicht der Klägerin gewertet und damit die Frage, ob ein vom Steuerpflichtigen eingeräumtes unbedingtes Ankaufsrecht des Mieters auch als Umstand angesehen werden kann, aus dem bei einer Veräußerung von weniger als vier Objekten auf eine gewerbliche Betätigung geschlossen werden kann, so beantwortet, wie sie offensichtlich zu entscheiden war. Auch wenn sich Mieter gewerblicher Immobilien --wie in der Beschwerdebegründung vorgetragen-- häufig Ankaufsrechte einräumen lassen, um sich beispielsweise gegen das Risiko einer Kündigung abzusichern oder einen kostenintensiven Rückbau von durchgeführten baulichen Veränderungen zu vermeiden, lässt ein Ankaufsrecht selbst dann einen Rückschluss auf die Veräußerungsabsicht des Vermieters zu, wenn es ausdrücklich auf Wunsch des Mieters gewährt wurde. Anders als bei der Beauftragung eines Maklers oder der Schaltung von Veräußerungsanzeigen während der Bauzeit, die nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats auf eine unbedingte Veräußerungsabsicht des Grundstückseigentümers schließen lassen (Urteil in BFHE 200, 293, BStBl II 2003, 238), ist der Grundstückseigentümer, der seinem Mieter notariell ein Ankaufsrecht einräumt, nicht mehr frei in seinem Veräußerungsentschluss. Er bekundet damit zweifelsfrei seine unbedingte Veräußerungsabsicht (offen Schmidt/ Weber-Grellet, Einkommensteuergesetz, 23. Aufl. 2004, § 15 Rz. 48). Gleiches gilt aber auch für ein privatschriftlich vereinbartes Ankaufsrecht. Trotz des Formmangels lässt sich auch daraus eine eindeutige Aussage über die Verkaufsabsichten des Steuerpflichtigen ableiten, da --worauf der Beschwerdeführer zutreffend hinweist-- auf die notarielle Beurkundung nicht selten mangels Kenntnis von § 311b des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) und/oder zwecks Kostenersparnis verzichtet wird und zudem der Grundstückseigentümer mit Schadensersatzansprüchen aus culpa in contrahendo rechnen muss (vgl. Palandt/ Heinrichs, Bürgerliches Gesetzbuch, 63. Aufl. 2004, § 311b Rz. 45, § 311 Rz. 58). Entgegen der in der Beschwerdebegründung vorgetragenen Rechtsauffassung ist die langfristige Vermietung der beiden gewerblichen Objekte jedenfalls angesichts der vom FG festgestellten Besonderheiten des vorliegend zu beurteilenden Sachverhalts kein Beweisanzeichen gegen eine von Anfang an bestehende Veräußerungsabsicht (vgl. Senatsurteil vom 24. Januar 1996 X R 255/93, BFHE 180, 51, BStBl II 1996, 303; BFH-Urteil vom 14. Januar 2004 IX R 88/00, BFH/NV 2004, 1089; BFH-Beschluss vom 27. Mai 1998 IV B 119/97, BFH/NV 1998, 1475).

b) Durch die Rechtsprechung der Ertragsteuersenate des BFH geklärt ist auch die Frage, ob im Rechtsstreit über die Festsetzung der Einkommensteuer gleichfalls über etwaige Billigkeitsmaßnahmen zu entscheiden ist. Danach ist es den FG wegen der Zweigleisigkeit des Veranlagungsverfahrens und des Billigkeitsverfahrens seit In-Kraft-Treten der Abgabenordnung (AO 1977) verwehrt, bei der Anfechtung eines Steuerbescheides Billigkeitsgesichtspunkte oder Übergangserlasse der Verwaltung zu berücksichtigen (vgl. z.B. Senatsurteil vom 20. März 2002 X R 34/00, BFH/NV 2002, 914; Senatsbeschluss vom 1. Oktober 2003 X B 75/02, BFH/NV 2004, 44, jeweils m.w.N.). Aus dem von den Beschwerdeführern angeführten --vor den Senatsentscheidungen ergangenen-- BFH-Urteil vom 22. Februar 2001 V R 5/99 (BFHE 194, 506, BStBl II 2004, 143) ergibt sich nichts anderes. Diese im Anschluss an das Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften vom 19. September 2000 Rs. C-454/98 --Schmeink & Cofreth/Manfred Strobel-- (Umsatzsteuer-Rundschau 2000, 470) ergangene Entscheidung zur Berichtigung der nach § 14 Abs. 3 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) geschuldeten Steuer beruht auf den Besonderheiten des Umsatzsteuerrechts --die Änderung der angefochtenen Steuerfestsetzungen entsprach den Berichtigungsvoraussetzungen nach § 17 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. § 14 Abs. 2 Satz 2 UStG-- und ist auf die Ertragsteuern nicht übertragbar.

2. Auch § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 FGO rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision.

Voraussetzung einer Zulassung der Revision zur Fortbildung des Rechts ist, dass der Streitfall Veranlassung gibt, Leitsätze zur Auslegung des Gesetzes aufzustellen oder Gesetzeslücken rechtsschöpferisch auszufüllen (vgl. Lange in Hübschmann/Hepp/ Spitaler, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 115 FGO Rz. 147). Die Rechtsfortbildung muss über den Einzelfall hinaus im allgemeinen Interesse liegen und die Frage nach dem "Ob" und ggf. "Wie" der Rechtsfortbildung muss klärungsbedürftig sein. Es gelten insoweit die zur Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO höchstrichterlich entwickelten Anforderungen (Senatsbeschluss vom 26. Juni 2003 X B 15/03, BFH/NV 2003, 1419). Aus den unter 1. dargelegten Gründen kommt demnach eine Zulassung der Revision auch nicht wegen der Erforderlichkeit einer Entscheidung des BFH zur Rechtsfortbildung in Betracht (zur Qualifikation dieses Zulassungsgrundes als speziellen Tatbestand der "Grundsatzrevision" vgl. z.B. Gräber/ Ruban, a.a.O., § 116 Rz. 38).

Ende der Entscheidung

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