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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 23.07.2008
Aktenzeichen: X B 51/08
Rechtsgebiete: FGO, EStG


Vorschriften:

FGO § 115 Abs. 2
FGO § 116 Abs. 3 Satz 3
EStG § 3 Nr. 62 a.F.
EStG § 10 Abs. 3 Nr. 2 Satz 2 a.F.
EStG § 10c Abs. 3 Nr. 1 a.F.
EStG § 10c Abs. 3 Nr. 2 a.F.
EStG § 15 Abs. 3 Nr. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

Die Beschwerde ist unzulässig. Die Beschwerdebegründung des Klägers und Beschwerdeführers (Kläger) entspricht nicht den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) an die Darlegung eines Zulassungsgrunds i.S. des § 115 Abs. 2 FGO.

1. Wird geltend gemacht eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) sei zur Fortbildung des Rechts erforderlich (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 FGO), dann ist ausführlich darzustellen, aus welchen Gründen die Beantwortung der aufgeworfenen Rechtsfrage zweifelhaft und strittig ist und sie im allgemeinen Interesse der Klärung bedarf. Hat der BFH über diese Rechtsfrage bereits entschieden, muss dargelegt werden, weshalb eine erneute Entscheidung des BFH zu dieser Frage im Interesse der Rechtsfortbildung für erforderlich gehalten wird. Insbesondere muss substantiiert vorgetragen werden, inwiefern und aus welchen Gründen die höchstrichterlich beantwortete Rechtsfrage weiterhin umstritten ist, vor allem welche neuen und gewichtigen, vom BFH noch nicht geprüften Argumente in der Rechtsprechung der Finanzgerichte und/oder der Literatur gegen die Rechtsauffassung des BFH vorgebracht worden sind (Gräber/ Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 116 Rz 32, 33 und 38, m.w.N. aus der Rechtsprechung des BFH).

2. Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht. Mit dieser wird geltend gemacht, der Vorwegabzug gemäß § 10 Abs. 3 Nr. 2 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes in der im Jahr 2004 geltenden Fassung (EStG a.F.) sei dann nicht zu kürzen, wenn eine Kapitalgesellschaft ihrem Alleingesellschafter-Geschäftsführer eine Pensionszusage erteilt habe. Nichts anderes könne gelten, wenn der Geschäftsführer zu nahezu 100 % (im Streitfall unmittelbare und mittelbare Beteiligung des Klägers zu 99,75 %) an der Kapitalgesellschaft beteiligt sei. Dies folge aus dem im EStG geltenden "Geringfügigkeitsgrundsatz". Dieser habe in verschiedenen Normen (wie z.B. den Freigrenzen bei Einkünften aus Leistungen und Spekulationsgeschäften, der 1 %-Grenze bei Beteiligungen i.S. des § 17 EStG und bei den Veranlagungsgrenzen) seinen Niederschlag gefunden. Die vom Mitgesellschafter vorübergehend gehaltene Beteiligung von 0,25 % sei zu vernachlässigen und daher außer Acht zu lassen.

Dieser Vortrag ist nicht ausreichend. Die Beschwerdebegründung setzt sich insbesondere nicht mit der Frage auseinander, unter welchen Voraussetzungen die höchstrichterliche Rechtsprechung von einer Bagatellgrenze ausgeht, die in der in Frage stehenden Norm nicht ausdrücklich vorgesehen ist. Auch lässt der Kläger die zu § 10 Abs. 3 Nr. 2 Satz 2 EStG a.F. ergangene BFH-Rechtsprechung unberücksichtigt.

In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass eine gesetzlich nicht vorgesehene Bagatellgrenze dann anzuerkennen sein kann, wenn unter Berücksichtigung des mit der Norm verfolgten Gesetzeszwecks sonst eine unverhältnismäßige Rechtsfolge ausgelöst würde und damit ein Verstoß gegen den Verfassungsgrundsatz der Verhältnismäßigkeit gegeben wäre (BFH-Urteil vom 11. August 1999 XI R 12/98, BFHE 189, 419, BStBl II 2000, 229). Aus diesem Grund hat der BFH in diesem Urteil bei einem extrem geringen Anteil einer originär gewerblichen Tätigkeit keine umqualifizierende Wirkung i.S. des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG beigemessen.

Ausgehend von dem mit § 10 Abs. 3 Nr. 2 Satz 2 EStG a.F. verfolgten Zweck ist nach der BFH-Rechtsprechung im Rahmen der Auslegung dieser Vorschrift kein Bagatellvorbehalt gegeben. Der Vorwegabzug ist eingeführt worden, um insbesondere selbstständig Tätigen einen Ausgleich dafür zu bieten, dass sie die Kosten ihrer Zukunftssicherung allein aufbringen müssen. Das Gesetz erreicht diesen Zweck, indem der Vorwegabzug zunächst allen gewährt, in einem zweiten Schritt aber gekürzt wird, wenn für den Arbeitnehmer Zukunftssicherungsleistungen i.S. des § 3 Nr. 62 EStG a.F. erbracht werden oder er zum Personenkreis des § 10c Abs. 3 Nr. 1 oder 2 EStG a.F. gehört. Dabei kommt es nicht darauf an, in welchem Umfang an den Steuerpflichtigen solche Zukunftssicherungsleistungen erbracht werden bzw. nicht aus seinem Vermögen geleistete Pensionsanwartschaften begründet werden, denn das Gesetz umschreibt mit den vorgenannten Merkmalen den Personenkreis, der von der Kürzung des Vorwegabzugs betroffen ist (Senatsbeschluss vom 26. Juni 1997 X B 240/96, BFH/NV 1997, 848). Hierdurch soll nach dem Willen des Gesetzgebers eine pauschalierende und typisierende Regelung für die Kürzung des Vorwegabzugs erreicht werden, was verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist (BFH-Urteil vom 16. Oktober 2002 XI R 71/00, BFHE 200, 544, BStBl II 2003, 343).

In der Rechtsprechung ist daher auch anerkannt, dass eine Kürzung des Vorwegabzugs selbst dann vorzunehmen ist, wenn der Steuerpflichtige Leistungen i.S. des § 3 Nr. 62 EStG a.F. in nur geringem Umfang (BFH-Urteil vom 16. Oktober 2002 XI R 61/00, BFHE 200, 540, BStBl II 2003, 183) oder nicht im gesamten Veranlagungszeitraum erhalten hat (BFH-Urteil vom 16. Oktober 2002 XI R 75/00, BFHE 200, 548, BStBl II 2003, 288; die Verfassungsbeschwerde wurde durch den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 25. Februar 2008 2 BvR 472/03 nicht zur Entscheidung angenommen). Der Vorwegabzug ist daher auch dann zu kürzen, wenn die zugesagte Versorgungsanwartschaft für das Versorgungskonzept des Steuerpflichtigen relativ unbedeutend ist (Senatsurteil vom 27. Oktober 1998 X R 191/96, BFH/NV 1999, 608). Nach der Gesetzeskonzeption ist mithin für die Kürzung des Vorwegabzugs allein entscheidend, ob für den Steuerpflichtigen Zukunftssicherungsleistungen erbracht werden, die bei diesem zur Begründung von Sozialversicherungsansprüchen führen (BFH-Urteil vom 14. Dezember 2005 XI R 25/04, BFH/NV 2006, 1073) oder bei denen zugunsten des Steuerpflichtigen tatsächlich bestehende Versorgungsanwartschaften begründet werden (BFH-Urteil vom 14. Juni 2000 XI R 57/99, BFHE 192, 304, BStBl II 2001, 28), die nicht in vollem Umfang aus dessen eigenem Vermögen geleistet werden (BFH-Urteil vom 16. Oktober 2002 XI R 25/01, BFHE 200, 554, BStBl II 2004, 546). Da es nach dem Gesetzeszweck allein darauf ankommt, ob, nicht aber, in welcher Höhe auf diese Weise Dritte Leistungen zugunsten des Steuerpflichtigen erbringen, führt die Einbeziehung auch nur geringfügiger Leistungen Dritter (hier: Pensionszusage zu Lasten des zu 0,25 % beteiligten Mitgesellschafters) nicht zu einem unverhältnismäßigen Ergebnis.

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