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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 27.01.2004
Aktenzeichen: X B 64/02
Rechtsgebiete: FGO, AO 1977


Vorschriften:

FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 2
FGO § 116 Abs. 3 Satz 3
FGO § 116 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2
AO 1977 § 125 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

Die Beschwerde, mit der die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) geltend machen, die Revision sei wegen grundsätzlicher Bedeutung und zur Fortbildung des Rechts gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zuzulassen, hat keinen Erfolg.

1. Für die nach § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO gebotene Darlegung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung muss der Beschwerdeführer substantiiert und in sich schlüssig eine konkrete Rechtsfrage aufwerfen, die das Interesse der Allgemeinheit an der Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Die grundsätzliche Bedeutung ist dagegen nicht dargelegt, wenn die Beschwerde nicht erkennen lässt, welche vom Einzelfall losgelöste Rechtsfrage in einem Revisionsverfahren geklärt werden könnte (Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 13. Januar 1999 XI B 80/98, BFH/NV 1999, 948).

2. Der Zulassungsgrund der Erforderlichkeit einer Entscheidung des BFH zur Fortbildung des Rechts verlangt, dass über bisher ungeklärte Rechtsfragen zu entscheiden ist. Davon ist auszugehen, wenn der Streitfall Veranlassung gibt, Grundsätze zur Auslegung des Gesetzes aufzustellen oder Gesetzeslücken rechtsschöpferisch auszufüllen (Lange in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 10. Aufl., § 115 FGO Rz. 147). Die Rechtsfortbildung muss über den entschiedenen Einzelfall hinaus im allgemeinen Interesse liegen und die Frage nach dem Ob und Wie der Rechtsfortbildung muss klärungsbedürftig sein (BFH-Beschluss vom 12. Dezember 2001 III B 103/01, BFH/NV 2002, 652). Daran fehlt es u.a., wenn die Rechtsfrage eindeutig in einem bestimmten Sinn zu beantworten ist (Gräber/ Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 115 Rz. 28, m.w.N.). Bezüglich der Anforderungen an die schlüssige Darlegung dieses Zulassungsgrundes gelten die von der höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) entwickelten Grundsätze sinngemäß (Gräber/Ruban, a.a.O., § 116 Rz. 38).

3. Die Beschwerdebegründung genügt den Anforderungen an die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache nicht.

a) Die bloße Behauptung, die Streitsache habe grundsätzliche Bedeutung, weil die Klärung der Fragen für eine Vielzahl gleichgelagerter Sachverhalte bedeutsam sei, ist nicht ausreichend. Vielmehr muss die Beschwerde erkennen lassen, welche vom Einzelfall losgelöste Rechtsfrage in einem Revisionsverfahren geklärt werden könnte (BFH-Beschluss in BFH/NV 1999, 948). Die Kläger werfen zwar mit der Frage, "ob die Aussetzung der Vollziehung eines Steuerbescheides, der aufgrund der Rücknahme eines Rechtsmittels gegen eben diesen Bescheid und damit für alle Beteiligten offenkundig bestandskräftig geworden ist, mit einem so schwerwiegenden Fehler behaftet ist, dass die Verfügung als nichtig anzusehen ist", eine Rechtsfrage auf. Aber diese Ausführungen beschränken sich darauf, die aus der Sicht der Kläger für den entschiedenen Fall klärungsbedürftigen Fragen zu stellen, ohne dass sie eine über ihr Interesse am Ausgang dieses Verfahrens hinausreichende, allgemein interessierende, klärungsbedürftige und in diesem Rechtsstreit klärungsfähige Rechtsfrage erkennen lassen. Sie haben außer Acht gelassen, dass sich die Frage, welcher Fehler besonders schwerwiegend und offenkundig i.S. des § 125 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) ist und zur Nichtigkeit des davon betroffenen Bescheids führt, nur von Fall zu Fall --unter Heranziehung der tatsächlichen Besonderheiten des konkreten Sachverhalts-- entscheiden lässt (vgl. BFH-Beschluss vom 12. Oktober 1988 II B 85/88, BFHE 154, 439, BStBl II 1989, 12). Beruht eine Entscheidung jedoch auf der Würdigung von Tatsachen bzw. einer Gesamtbeurteilung der besonderen tatsächlichen Umstände des jeweiligen Einzelfalls, wirft sie, selbst wenn sie fehlerhaft wäre, keine Frage von grundsätzlicher Bedeutung auf (vgl. Senatsbeschluss vom 18. Februar 1997 X B 256/96, BFH/NV 1997, 593; Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz. 24; Beermann, Steuerliches Verfahrensrecht, Kommentar, § 115 FGO Rz. 109). In einem solchen Fall ist nicht erkennbar, welche über den Streitfall hinausgehenden allgemeinen Erkenntnisse von einer Revisionsentscheidung in dieser Sache zu erwarten sein könnten. Dass für einen Sachverhalt wie den vorliegend zu beurteilenden noch keine höchstrichterliche Entscheidung vorliegt, rechtfertigt die Annahme der grundsätzlichen Bedeutung nicht.

Gegenteiliges lässt sich entgegen der Auffassung der Kläger auch nicht den Ausführungen von Seer (in Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 16. Aufl., § 115 FGO Tz. 62) entnehmen. Denn soweit dort die Erforderlichkeit einer Entscheidung des BFH zur Rechtsfortbildung dann bejaht wird, wenn die Entscheidung über den Rechtsstreit hinaus von einer Rechtsfrage abhängig ist, die bisher noch nicht Gegenstand höchstrichterlicher Rechtsprechung war, bezieht sich diese Aussage ersichtlich auf die Abhängigkeit von einer allgemein bedeutsamen ungeklärten Rechtsfrage. Die im Streitfall erhebliche Rechtsfrage, wann die Fehlerhaftigkeit eines Steuerverwaltungsakts zur Nichtigkeit führt, ist jedoch wie oben dargelegt im Allgemeinen geklärt und hängt allein von den Umständen des jeweiligen Einzelfalls ab, sodass sie keiner weiteren Klärung mehr bedarf.

b) Unter den gegebenen Umständen kann offen bleiben, ob das FG das Vorliegen eines schwerwiegenden und offenkundigen Mangels der in Rede stehenden Verfügung des Beklagten und Beschwerdegegners (Finanzamt) über die Aussetzung der Vollziehung zu Recht verneint hat. Für die Richtigkeit dieser Sichtweise könnte freilich u.a. auch die Tatsache sprechen, dass die Kläger entgegen ihrer nunmehr vertretenen Ansicht, die Aussetzungsverfügung verletze die an eine ordnungsgemäße Verwaltung zu stellenden Anforderungen in einem so hohe Maße, dass deren Befolgung von niemandem erwartet werden könne, die in dem von der Vollziehung ausgesetzten Steuerbescheid enthaltene Zahlungsaufforderung über Jahre hinweg nicht beachtet haben und damit offenbar selbst von der Wirksamkeit der Aussetzungsverfügung ausgegangen sind.

4. Von der Darstellung des Sachverhalts und einer weiteren Begründung sieht der Senat gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 FGO ab.

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