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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 08.02.2008
Aktenzeichen: X B 95/07
Rechtsgebiete: FGO, ZPO


Vorschriften:

FGO § 56
FGO § 155
ZPO § 294 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Das Finanzgericht wies die Klage, mit welcher sich der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) gegen die geänderte Einkommensteuerfestsetzung für den Veranlagungszeitraum 1991 sowie die Nichtfeststellung eines Verlustabzugs zum 31. Dezember 1995 gewandt hat, durch Urteil vom 27. April 2007 als unbegründet ab. Die Revision wurde nicht zugelassen. Das Urteil wurde den früheren Prozessbevollmächtigten des Klägers am 18. Mai 2007 zugestellt. Der jetzige Prozessbevollmächtigte des Klägers legte mit Schreiben vom 12. Juni 2007, eingegangen beim Bundesfinanzhof (BFH) am 18. Juni 2007, Nichtzulassungsbeschwerde ein. Nachdem der Prozessbevollmächtigte durch Schreiben des Vorsitzenden des Senats vom 31. Juli 2007 sowohl auf den Ablauf der Frist zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde am 18. Juli 2007 als auch auf § 56 der Finanzgerichtsordnung (FGO) hingewiesen wurde, begründete er die Nichtzulassungsbeschwerde mit Schreiben vom 13. August 2007, eingegangen beim BFH am 16. August 2007.

Mit Schreiben vom 14. August 2007, ebenfalls eingegangen am 16. August 2007, begehrt der Prozessbevollmächtigte des Klägers im Hinblick auf die versäumte Frist die Gewährung einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Zur Begründung trägt er vor, aufgrund der in der Rechtsmittelbelehrung des angegriffenen Urteils aufgeführten zweimonatigen Begründungsfrist sei versehentlich der 18. August 2007 als Frist notiert worden. Wegen des Urlaubs seiner Chefsekretärin in der Zeit vom 23. Juli 2007 bis 3. August 2007 seien für den 6. August 2007 und 13. August 2007 Vorfristen eingetragen worden. Die Chefsekretärin sei drei Jahre in H ausgebildet worden und in der dortigen Kanzlei zusammen mit einer anderen Auszubildenden für die Eintragung und Einhaltung von Fristen zuständig gewesen, ohne dass es zu Beschwerden gekommen sei. Die Chefsekretärin sei von ihm aufgrund ihrer guten Zeugnisse angestellt worden und habe bei ihm gerade auch im Bereich der Fristenkontrolle sehr sorgfältig und äußerst zuverlässig gearbeitet.

II. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig.

1. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach der Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen (§ 116 Abs. 3 Satz 1 FGO). Im Streitfall ist die Begründungsfrist für eine Nichtzulassungsbeschwerde gegen das am 18. Mai 2007 zugestellte Urteil am 18. Juli 2007 abgelaufen. Die erst am 16. August 2007 beim BFH eingegangene Begründung des Klägers war mithin verspätet, da eine Verlängerung der Begründungsfrist nicht beantragt worden war (§ 116 Abs. 3 Satz 4 FGO).

2. Die von dem Kläger begehrte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 56 FGO wegen der Versäumung der Beschwerdebegründungsfrist kann nicht bewilligt werden.

a) Wiedereinsetzung ist zu gewähren, wenn jemand ohne Verschulden an der Einhaltung der gesetzlichen Frist gehindert war (§ 56 Abs. 1 FGO). Dies setzt in formeller Hinsicht voraus, dass innerhalb einer Frist von einem Monat (§ 56 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 FGO) nach Wegfall des Hindernisses die versäumte Rechtshandlung nachgeholt und diejenigen Tatsachen vorgetragen und im Verfahren über den Antrag glaubhaft gemacht werden, aus denen sich die schuldlose Verhinderung ergeben soll. Die Tatsachen, die eine Wiedereinsetzung rechtfertigen können, sind innerhalb dieser Frist vollständig, substantiiert und in sich schlüssig darzulegen (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Beschluss vom 25. Juni 2003 XI B 186/02, BFH/NV 2003, 1589, m.w.N.). Hiernach schließt jedes Verschulden --also auch einfache Fahrlässigkeit-- die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aus. Der Beteiligte muss sich ein Verschulden seines Prozessbevollmächtigten zurechnen lassen (§ 155 FGO i.V.m. § 85 Abs. 2 der Zivilprozessordnung --ZPO--).

b) Im Streitfall scheitert die Wiedereinsetzung daran, dass der Prozessbevollmächtigte des Klägers Wiedereinsetzungsgründe nicht hinreichend dargelegt und glaubhaft gemacht hat.

aa) Wenn --wie im Streitfall-- Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen eines entschuldbaren Büroversehens begehrt wird, muss substantiiert und in sich schlüssig vorgetragen werden, wie die Fristen im Büro des Prozessbevollmächtigten überwacht werden. Der Prozessbevollmächtigte, der zur Rechtfertigung seines Wiedereinsetzungsantrags vorbringt, er habe die Notierung und Kontrolle der maßgeblichen Frist für die Einlegung bzw. Begründung eines Rechtsmittels einer zuverlässigen und erfahrenen Bürokraft überlassen, muss hiernach vortragen, durch welche Maßnahmen er gewährleistet hat, dass in seinem Büro die Fristen entsprechend seinen Anordnungen notiert und kontrolliert werden (vgl. BFH-Beschluss vom 14. Mai 2007 VIII B 47/07, BFH/NV 2007, 1684; Urteil des Bundesgerichtshofs vom 16. März 2000 VII ZR 320/99, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 2001, 297). Dazu gehört auch der Vortrag, wann und wie er seine Bürokräfte entsprechend belehrt und wie er die Einhaltung dieser Belehrungen überwacht hat (vgl. BFH-Beschlüsse vom 7. Februar 2002 VII B 150/01, BFH/NV 2002, 795; vom 24. Januar 2005 III R 43/03, BFH/NV 2005, 1312; in BFH/NV 2003, 1589). Dabei ist zu beachten, dass die Begründungsfristen sowohl für Revisionen als auch für Nichtzulassungsbeschwerden nicht zu den üblichen, häufig vorkommenden und einfach zu berechnenden Fristen gehören (vgl. BFH-Beschluss vom 18. Januar 2007 III R 65/05, BFH/NV 2007, 945; Kuczynski in Beermann/Gosch, FGO § 56 15.2; Gräber/Stapperfend, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 56 Rz 20, Stichworte Revisionsbegründungsfrist und Nichtzulassungsbeschwerde). Der Prozessbevollmächtigte ist daher bei der Prüfung und Überwachung des Personals zu besonderer Sorgfalt verpflichtet (BFH-Beschluss in BFH/NV 2005, 1312, m.w.N.).

Der Vortrag des Prozessbevollmächtigten des Klägers genügt den dargestellten Anforderungen zur Feststellung der ordnungsgemäßen Überwachung der Einhaltung der Beschwerdebegründungsfrist nicht. Es fehlt jegliche Darstellung zur regelmäßigen Handhabung der Fristenkontrolle in seinem Büro und zur Überprüfung seines Personals bei der Einhaltung der Fristen, insbesondere wenn es sich um nicht alltägliche Fristen handelt. Der Vortrag des Prozessbevollmächtigten des Klägers, seine Chefsekretärin habe gute Arbeitszeugnisse gehabt und sie habe bisher zuverlässig gearbeitet, bezieht sich lediglich auf die ordnungsgemäße Auswahl einer Angestellten, nicht aber auf seine Büroorganisation und die dortige Handhabung der Fristenkontrolle. Der Senat kann aufgrund dieser unzureichenden Darstellung nicht von einem entschuldbaren Büroversehen einer Mitarbeiterin ausgehen, da ein Organisationsverschulden als Ursache der Fristversäumnis nicht auszuschließen ist.

bb) Zudem hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers die von ihm vorgetragenen Tatsachen nicht glaubhaft gemacht. Es fehlen sowohl als präsentes Beweismittel i.S. von § 155 FGO i.V.m. § 294 Abs. 2 ZPO eine Ablichtung der entsprechenden Seite des Fristenkontrollbuchs sowie als weiteres mögliches Mittel der Glaubhaftmachung eine eidesstattliche Versicherung seiner Chefsekretärin zur Richtigkeit der Sachverhaltsschilderung des Prozessbevollmächtigten des Klägers (BFH-Beschluss vom 13. Dezember 2001 X R 42/01, BFH/NV 2002, 533).

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