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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 02.10.2007
Aktenzeichen: X B 96/07
Rechtsgebiete: FGO


Vorschriften:

FGO § 78
FGO § 78 Abs. 1
FGO § 78 Abs. 2 Satz 1
FGO § 102
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Der Prozessbevollmächtigte der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) beantragte in der Klageschrift zugleich Akteneinsicht beim in der Nähe seiner Kanzlei gelegenen Amtsgericht (AG) X. Das Finanzgericht (FG) gewährte mit Beschluss vom 16. Mai 2007 Akteneinsicht in die den Streitfall betreffenden Steuerakten durch Einsichtnahme in den Räumen des FG. Den weitergehenden Antrag auf Akteneinsicht in den Räumen des AG lehnte es ab.

Über den Antrag auf Aktenübersendung sei nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden und dabei die gesetzliche Grundentscheidung zu beachten, wonach die Akten regelmäßig beim FG einzusehen seien. Im Streitfall sei es ermessensgerecht, den Antrag der Kläger auf Akteneinsicht in den Räumen des AG abzulehnen. Der Prozessbevollmächtigte der Kläger habe in ca. einem Dutzend Klageverfahren Akteneinsicht beantragt. In diesen Fällen seien die Akten regelmäßig an das AG übersandt worden. In mehreren Fällen habe der Prozessbevollmächtigte nach einigen Wochen darum gebeten, die Akten beim AG zu belassen, weil er noch keine Zeit zur Einsichtnahme gehabt habe. Der Prozessbevollmächtigte der Kläger habe jedoch auch in der Folgezeit keine Akteneinsicht genommen. Zudem würde im Falle der Akteneinsicht die Arbeit des AG angesichts der Vielzahl der vom FG für den Prozessbevollmächtigten der Kläger übersandten Akten behindert. Auch sei die Kostenpauschale, die im Falle der Aktenversendung erhoben werde, nicht kostendeckend und der Zeitaufwand für den Prozessbevollmächtigten im Falle einer Akteneinsicht im FG halte sich in Grenzen.

Hiergegen wenden sich die Kläger mit ihrer Beschwerde. Die Entscheidung des FG sei ermessensfehlerhaft. Das Argument, das AG könne im Falle einer weiteren Versendung von FG-Akten seinen eigentlichen Dienstpflichten nicht nachkommen, greife nicht. Personelle sowie materielle Mängel der nicht ordnungsgemäß und bedarfsgerecht ausgestatteten Justizverwaltung dürften nicht zu Lasten der Kläger gehen. Akteneinsicht in den Räumen des FG sei dem Prozessbevollmächtigten der Kläger aufgrund seiner extrem hohen Arbeitsbelastung nicht für jedes von ihm betreute Mandat möglich und die Kläger seien mit einer Einsichtnahme durch die der Sozietät des Prozessbevollmächtigten angehörenden Rechtsanwälte R und K nicht einverstanden. Verzögerungen des finanzgerichtlichen Verfahrens seien nicht zu befürchten, da diese erfahrungsgemäß ca. zweieinhalb Jahre dauerten. Die in einigen Fällen unterbliebene Akteneinsicht begründet der Prozessbevollmächtigte der Kläger mit der mangelnden Sicherstellung seiner Honorarforderung. Als Freiberufler könne er es sich nicht leisten, kostenlos tätig zu werden.

II. Die Beschwerde ist unbegründet.

1. Nach § 78 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) können die Beteiligten die Gerichtsakten und die dem Gericht vorgelegten Akten einsehen und sich durch die Geschäftsstelle auf ihre Kosten Ausfertigungen, Auszüge und Abschriften erteilen lassen.

Die Akteneinsicht erfolgt demnach regelmäßig bei der Geschäftsstelle des FG, kann aber auch an einem anderen Ort erfolgen.

2. Die Entscheidung darüber, ob die Akteneinsicht an einem anderen Ort erfolgen soll, ist eine Ermessensentscheidung. Dabei ist der Bundesfinanzhof (BFH) nicht auf eine Überprüfung der Ermessensausübung durch das FG beschränkt. § 102 FGO gilt nur für die gerichtliche Überprüfung von Ermessensentscheidungen von Behörden, nicht für die Überprüfung gerichtlicher Entscheidungen. Der BFH ist als Beschwerdegericht Tatsacheninstanz und deshalb gehalten, eigenes Ermessen auszuüben (BFH-Beschlüsse vom 24. März 1981 VII B 64/80, BFHE 133, 8, BStBl II 1981, 475, und vom 22. April 1997 X B 62/97, BFH/NV 1997, 787, m.w.N.).

3. Für die Art und Weise der Anwendung des Ermessens ist der vom Gesetzgeber in § 78 FGO gesteckte Ermessensrahmen maßgebend. Aus dieser Vorschrift ergibt sich, dass die Einsichtnahme der Akten bei Gericht die Regel sein soll. Schon der Begriff "Einsehen" und die Regelung über die Erteilung von Abschriften durch die Geschäftsstelle des Gerichts belegen das. Das bedeutet, dass nach der Entscheidung des Gesetzgebers den Beteiligten und ihren Prozessbevollmächtigten grundsätzlich zugemutet wird, sich zur Ausübung ihres Rechts auf Akteneinsicht zum mit der Streitsache befassten Gericht zu begeben. Zwar ist im Regelfall in Fällen, in denen der zur Akteneinsicht Berechtigte nicht am Sitz des Gerichts wohnt bzw. sein Büro hat, die Übersendung der Akten an das dem Wohnsitz bzw. Büro nächstgelegene Finanzamt bzw. Gericht sachgerecht. Dennoch handelt das FG beispielsweise dann nicht ermessensfehlerhaft, wenn es die Versendung der Akten ablehnt, weil sie bei Gericht benötigt werden oder bei bevorstehender mündlicher Verhandlung eine rechtzeitige Rücksendung der Akten nicht gewährleistet ist (Senatsbeschluss vom 30. November 1992 X B 18/92, BFH/NV 1993, 732).

4. Im Streitfall hat das FG bei der Ausübung seines Ermessens die für und gegen eine Aktenversendung sprechenden Interessen, also das dienstliche Interesse an einem geordneten Geschäftsgang einerseits (Vermeidung von Aktenverlusten, jederzeitige Verfügbarkeit der Akten und Wahrung des Steuergeheimnisses gegenüber Dritten) zutreffend mit dem Interesse an der Ersparnis von Zeit und Kosten bei der Gewährung der Akteneinsicht beim Prozessbevollmächtigten andererseits abgewogen.

Die von den Klägern vorgebrachten Gründe rechtfertigen keine Ausnahme von der gesetzlichen Grundentscheidung, wonach die Einsichtnahme der Akten beim FG die Regel sein soll. Das Gericht hat zutreffend darauf abgestellt, dass der zeitliche Aufwand für die Akteneinsichtnahme in den Räumen des FG für den Prozessbevollmächtigten der Kläger gering ist. Angesichts der von diesem beklagten beruflichen Überbelastung hätte --anders als im Beschwerdeverfahren vorgetragen-- die Akteneinsicht auch von einem der Sozietät des Prozessbevollmächtigten angehörenden Rechtsanwälte durchgeführt werden können. Die von den Klägern erteilte Prozessvollmacht schließt diese ein (Bl. 4 der FG-Akte). Im Übrigen hat nicht der Prozessbevollmächtigte der Kläger, sondern Rechtsanwalt K die Schriftsätze im Beschwerdeverfahren unterzeichnet. Zu Recht hat das FG in seiner Entscheidung auch die Behinderung der originären Aufgaben des AG durch die Vielzahl der vom FG für den Prozessbevollmächtigten der Kläger übersandten Akten berücksichtigt. Angesichts der gesetzgeberischen Entscheidung, wonach die Aktenversendung auf Sonderfälle beschränkt sein soll, ist es entgegen der Auffassung der Kläger nicht Aufgabe der Justizverwaltung, zusätzliche Räume und Personal für Akteneinsicht bei anderen Gerichten bereitzuhalten.

Eine Entscheidung entsprechend dem Begehren der Kläger hielte sich nach alldem nicht in dem vom Gesetz gezogenen Ermessensrahmen.

Ende der Entscheidung

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