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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 16.09.2004
Aktenzeichen: X R 10/02
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 7c
EStG § 10e Abs. 1
EStG § 10h
EStG § 10h Satz 1
EStG § 10h Satz 2 Nr. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind verheiratet und wurden im Streitjahr (1995) zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger ist Eigentümer eines nicht aufgegebenen land- und forstwirtschaftlichen Verpachtungsbetriebs. Zu der Hofstelle gehörten ein zunächst von den Klägern selbst bewohntes Wohnhaus sowie Wirtschaftsgebäude.

Zum 31. Dezember 1993 überführte der Kläger das Wohnhaus, ein Stallgebäude sowie die angrenzende Hof- und Gartenfläche in sein Privatvermögen. Zu diesem Zeitpunkt hatten die Kläger bereits damit begonnen, aufgrund einer im Jahr 1992 erteilten Baugenehmigung im Erdgeschoss des Stallgebäudes eine eigenen Wohnzwecken dienende Wohnung auszubauen. Noch während der weiteren Bauarbeiten entschlossen sich die Kläger, im Dachgeschoss des Stallgebäudes eine zweite abgeschlossene Wohnung herzustellen, um diese unentgeltlich ihrem damals studierenden Sohn zur Nutzung zu überlassen. Die Baugenehmigung wurde im Dezember 1993 beantragt und im Februar 1994 erteilt. Beide Wohnungen wurden am 10. September 1994 fertig gestellt und bestimmungsgemäß bezogen. Das Wohnhaus der Hofstelle wurde fremdvermietet.

In der Einkommensteuerveranlagung für das Jahr 1994 erkannte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) antragsgemäß neben der Grundförderung für die eigengenutzte Erdgeschosswohnung der Kläger gemäß § 10e Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) auch eine Steuerbegünstigung nach § 10h EStG in Höhe von 6 123 DM für die dem Sohn unentgeltlich überlassene Dachgeschosswohnung an. Im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung für das Streitjahr 1995 versagte es die Fortführung der Steuerbegünstigung nach § 10h EStG.

Das Finanzgericht (FG) gab der nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobenen Klage mit in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2002, 81 veröffentlichtem Urteil statt. Auch ein bisher landwirtschaftlich genutztes Gebäude sei ein bereits bestehendes Gebäude. Die Herstellung der Dachgeschosswohnung sei daher als Baumaßnahme i.S. von § 10h EStG zu qualifizieren. Mit der Umgestaltung des Stallgebäudes zu Wohnzwecken wurden eine bereits überbaute Fläche genutzt, der Wohnungsmarkt entlastet und das Zusammenleben mehrerer Generationen unter einem Dach gefördert. Der Erlass des Bundesministers der Finanzen vom 17. Februar 1992 IV B 3 -S 2197a/b- 1/92 (BStBl I 1992, 115 Rz. 3), wonach auch die Umwandlung von land- und forstwirtschaftlichen Räumen in Wohnungen nach § 7c EStG begünstigt sei, bestätige diese Rechtsauffassung.

Mit der Revision rügt das FA die Verletzung von § 10h EStG. Es beantragt sinngemäß, das FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen, die Revision zurückzuweisen.

II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Aufwendungen für eine Wohnung, die im Zuge einer einheitlichen Baumaßnahme zusammen mit dem Gebäude selbst hergestellt wird, sind nicht nach § 10h EStG begünstigt.

1. Nach § 10h Satz 1 EStG kann der Steuerpflichtige von den Aufwendungen, die ihm durch Baumaßnahmen zur Herstellung einer Wohnung entstanden sind, im Jahr der Fertigstellung und in den drei folgenden Jahren jeweils bis zu 6 v.H. und in den vier darauf folgenden Jahren jeweils bis zu 5 v.H. wie Sonderausgaben abziehen. Voraussetzung ist unter anderem nach Satz 2 Nr. 2 der Vorschrift, dass die Baumaßnahmen an einem Gebäude im Inland durchgeführt worden sind, in dem der Steuerpflichtige im jeweiligen Jahr des Begünstigungszeitraums eine eigene Wohnung zu eigenen Wohnzwecken nutzt. Begünstigt ist nach dem Wortlaut also die Schaffung von Wohnraum durch Baumaßnahmen (Ausbau, Umbau oder Aufstockung) an einem bereits vorhandenen Gebäude. Nicht begünstigt ist dagegen die Schaffung einer Wohnung im zeitlichen und räumlichen Zusammenhang mit der Errichtung des Gebäudes selbst (Senatsurteil vom 14. Oktober 1998 X R 129/97, BFHE 187, 243, BStBl II 1999, 135; ebenso Stephan in Littmann/ Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht, § 10h EStG Rz. 2, 3; Stuhrmann in Bordewin/Brandt, Einkommensteuergesetz, § 10h Rz. 6; Drenseck in Schmidt, Einkommensteuergesetz, 21. Aufl., § 10h Rz. 3, m.w.N.; vgl. auch Meyer/Clausen in Herrmann/Heuer/ Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, Kommentar, § 10h EStG Rz. 6; Blümich/Erhard, Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, § 10h EStG Rz. 16).

2. Die im Wortlaut des § 10h Satz 2 Nr. 2 EStG zum Ausdruck kommende Beschränkung auf Baumaßnahmen an bereits bestehenden Gebäuden zwingt darüber hinaus zu dem Schluss, dass das Gebäude auch bautechnisch nicht neu sein darf. Werden deshalb die Baumaßnahmen zur Herstellung einer Wohnung gleichzeitig mit Baumaßnahmen, die einem Neubau des Gebäudes gleichkommen, durchgeführt, entfällt die Förderung nach § 10h EStG.

"Bautechnisch neu" bedeutet nach der Rechtsprechung, dass das Gebäude in seiner wesentlichen Substanz verändert wird. Ein Neubau kann daher angenommen werden, wenn die Altbausubstanz so tiefgreifend umgestaltet oder in einem solchen Ausmaß erweitert worden ist, dass die neu eingefügten Gebäudeteile dem Gebäude das bautechnische Gepräge geben und die verwendeten Altteile wertmäßig untergeordnet erscheinen (vgl. im Einzelnen Senatsentscheidung vom 15. Mai 2002 X R 36/99, BFH/NV 2002, 1158, m.w.N.).

3. Bei Anwendung dieser Grundsätze auf den Streitfall haben die Kläger die Wohnung, deren Förderung nach § 10h EStG sie begehren, im Zuge einer einheitlichen Baumaßnahme mit dem Gebäude selbst hergestellt. Das Stallgebäude wurde nach den Feststellungen des FG in einem Bauabschnitt in ein Wohnhaus mit zwei Wohnungen umgebaut. Ein derart grundlegender Umbau erfordert nach Auffassung des erkennenden Senats stets eine Änderung der wesentlichen Gebäudesubstanz. Bestärkt wird der Senat in seiner Auffassung durch die vom FG festgestellte Tatsache, dass den Klägern für die von ihnen zu eigenen Wohnzwecken genutzte Wohnung im Erdgeschoss des Gebäudes die Grundförderung nach § 10e Abs. 1 EStG zuerkannt wurde, die nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senats --abgesehen vom Fall der hier unstreitig nicht vorliegenden Anschaffung eines Gebäudes-- nur für den Neubau einer Wohnung gewährt wird.

4. Doch selbst wenn im Streitfall der Umbau des Stallgebäudes in ein Wohnhaus nicht als Neubau zu beurteilen wäre, hätte die Revision des FA Erfolg. In diesem Fall stünde den Klägern zwar die Grundförderung nach § 10h EStG zu; das FA hätte ihnen aber den betragsmäßig höheren Abzugsbetrag nach § 10e Abs. 1 EStG zu Unrecht gewährt. Dieser Fehler wäre im Wege der Saldierung zu korrigieren, ohne dass damit gegen das Verbot der Verböserung verstoßen würde.

Ende der Entscheidung

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