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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 28.11.2001
Aktenzeichen: X R 132/98
Rechtsgebiete: BGB, EStG


Vorschriften:

BGB § 903
EStG § 7c
EStG § 10e
EStG § 21
EStG § 21a
EStG § 34f
EStG § 10e Abs. 1
EStG § 7 Abs. 5 Satz 2
EStG § 10e Abs. 1 Satz 2
EStG § 10e Abs. 1 Satz 4
EStG § 10e Abs. 1 Satz 2 1. Halbsatz
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) erwarb mit notariellem Kaufvertrag ("über eine im Bau befindliche Ferienwohnung") vom November 1993 in einer aus vier Häusern bestehenden Wohnanlage in einem allgemeinen Wohngebiet eine im Juni 1994 fertiggestellte Eigentumswohnung. Sie erklärte in § 22 des Kaufvertrags, dass die Eigentumswohnung nicht zu eigenen Wohnzwecken genutzt und auch nicht an Dauermieter zu Wohnzwecken vermietet werde, sondern als Ferienwohnung zur kurzfristigen Beherbergung von Fremden bereitgehalten und vermietet werden solle. Zur Verwirklichung dieser Absicht schloss die Klägerin im Januar 1994 mit einer Gesellschaft zur Vermietung und Verwaltung von Ferienanlagen (Vermittlungsgesellschaft) einen Vertrag über die Vermittlung von kurzfristigen Mietverträgen. Darin beauftragt sie die Vermittlungsgesellschaft, über die Ferienwohnung in ihrem Namen kurzfristige Mietverträge mit Feriengästen abzuschließen und durchzuführen, während der Abschluss von Mietverträgen zur dauernden Nutzung als Wohnung ausgeschlossen ist. Im Falle des Verkaufs oder der sonstigen Veräußerung der Ferienwohnung steht der Klägerin kein Kündigungsrecht zu, vielmehr ist sie verpflichtet, dem Käufer oder Nutzungsberechtigten die Verpflichtungen aus diesem Vertrag aufzuerlegen.

Mit Schreiben vom 25. Februar 1994 bestätigte die Vermittlungsgesellschaft der Klägerin, dass ihr abweichend vom Vertrag das Recht eingeräumt sei, ihre Ferienwohnung zu bestimmten Zeiten selbst zu nutzen, und dass sie gehalten sei, die Vermittlungsgesellschaft rechtzeitig vor Ablauf eines Kalenderjahres darüber zu informieren, ob die eingeräumte Eigennutzungsregelung auch für das Folgejahr Gültigkeit haben solle.

Im Streitjahr 1994 nutzte die Klägerin die Wohnung zwei Wochen im Dezember.

Im Einkommensteuerbescheid für 1994 gewährte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt--FA--) die von der Klägerin beantragte Grundförderung nach § 10e Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) und die Steuerermäßigung nach § 34f EStG für zwei Kinder nicht. Der eingelegte Einspruch hatte keinen Erfolg.

Das Finanzgericht (FG) wies die dagegen erhobene Klage ab. Sein Urteil ist veröffentlicht in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1999, 161.

Mit der Revision rügen die Kläger die Verletzung des § 10e Abs. 1 Satz 2 EStG.

Die Kläger beantragen, das Urteil des FG aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid 1994 dahin zu ändern, dass die Steuervergünstigung nach § 10e EStG sowie das Baukindergeld nach § 34f EStG gewährt werden.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

II. Die Revision ist unbegründet.

Das FG hat zu Recht den Abzugsbetrag nach § 10e Abs. 1 Satz 2 1. Halbsatz i.V.m. Satz 4 EStG nicht berücksichtigt und den Klägern das Baukindergeld nach § 34f EStG versagt, weil sie die Wohnung nicht zu eigenen Wohnzwecken genutzt haben und die Wohnung außerdem eine Ferienwohnung darstellt.

Ein Steuerpflichtiger kann den Abzugsbetrag nach § 10e Abs. 1 Satz 2 EStG geltend machen, wenn er die Wohnung in dem Jahr des Abzugs zu eigenen Wohnzwecken genutzt hat und sie keine Ferien- oder Wochenendwohnung ist.

1. Der Begriff der Nutzung zu eigenen Wohnzwecken ist im EStG nicht ausdrücklich definiert. Es besteht jedoch Übereinstimmung darin, dass ein Gebäude dann Wohnzwecken dient, wenn es dazu bestimmt und geeignet ist, Menschen auf Dauer Unterkunft und Aufenthalt zu ermöglichen (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 14. März 2000 IX R 8/97, BFHE 191, 502, BStBl II 2001, 66, und vom 4. September 2000 IX R 75/99, BFH/NV 2001, 429). Das entspricht der in § 17 des ab dem 1. Januar 2002 geltenden Wohnraumförderungsgesetzes (Art. 1 des Gesetzes zur Reform des Wohnungsbaurechts, BGBl I 2001, 2376) enthaltenen Definition von Wohnraum als umbauter Raum, der tatsächlich und rechtlich zur dauernden Wohnnutzung geeignet und vom Verfügungsberechtigten dazu bestimmt ist. Eine Wohnung setzt also im Regelfall eine Beziehung zwischen dem Nutzer und dem genutzten Raumbereich von gewisser Dauerhaftigkeit und Intensität voraus. Entgegen der Ansicht der Klägerin ist somit das Element der Dauer dem Begriff des Wohnens immanent (so ausdrücklich Stadler/Gutekunst/Forster/Wolf, Kommentar zum Wohngeldgesetz, § 4a Anm. 3) und deshalb bei der Auslegung des Merkmals der Nutzung zu eigenen Wohnzwecken zu berücksichtigen.

a) An der Dauerhaftigkeit der Beziehung zwischen dem Nutzer und der Wohnung fehlt es, wenn Räume von wechselnden Gästen jeweils nur im Urlaub genutzt werden, insbesondere dann, wenn diese Nutzung der von Anfang an gegebenen Zweckbestimmung der Wohnung entspricht. Solche Räume werden nicht zu eigenen Wohnzwecken genutzt, sondern lediglich zum vorübergehenden Aufenthalt am Urlaubsort. Dies gilt im Streitfall sowohl für die Nutzung durch die Urlaubsgäste, die die Wohnung über die Vermittlungsgesellschaft zum kurzfristigen Ferienaufenthalt gemietet haben, wie auch für die Nutzung durch die Klägerin selbst, wenn sie sich als Eigentümerin in ihrer Wohnung innerhalb der ihr zugestandenen Zeiten aufhält, weil auch sie die Wohnung nur kurzfristig nutzt. Ein Eigentümer, der die ihm gehörende Wohnung nur im von Anfang an beabsichtigten und angestrebten Wechsel mit jeweils unterschiedlichen Mietern nutzt, stellt zu dieser Wohnung eine dauerhafte Beziehung genauso wenig her wie die ständig wechselnden, sich nur kurze Zeit zu Urlaubszwecken darin aufhaltenden Mieter (im Ergebnis ebenso B. Meyer in Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, Kommentar, 21. Aufl., § 10e EStG Anm. 98 und 99, und Frost in Frotscher, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 34f Rz. 30). Er lebt in dieser Wohnung ebenso wie die Urlaubsgäste "aus dem Koffer", genauso als wäre er in einer Wohnung Urlaubsgast, die einem anderen Eigentümer gehört.

Die Nutzung einer solchen Wohnung stellt sich aus der Sicht des Eigentümers auch nicht als Zweitwohnung im Sinne des Senatsurteils vom 28. März 1990 X R 160/88 (BFHE 160, 481, BStBl II 1990, 815) dar, bei der nicht verlangt ist, dass sie ständig genutzt wird. Denn charakteristisch für eine Zweitwohnung ist, dass sie für die ausschließliche Nutzung des Eigentümers gedacht ist und nicht der ständigen Vermietung an wechselnde Nutzer dient und daher bestimmungsgemäß und regelmäßig mit anderen geteilt wird.

b) Die Beziehung des Eigentümers zur Wohnung weist dann die geforderte Intensität auf, wenn er die tatsächliche Sachherrschaft an den seinen persönlichen und wirtschaftlichen Bedürfnissen entsprechenden Räumen hat. Dazu muss der Eigentümer das unbeschränkte Zutrittsrecht zu den Räumen sowie das Recht haben, den Zutritt anderer Personen selbständig zu bestimmen (Senatsurteil vom 23. Juli 1997 X R 143/94, BFH/NV 1998, 160; Frost in Frotscher, a.a.O., § 10e Rz. 14). Auch daran fehlt es im Streitfall. Denn aufgrund ihrer Verpflichtung, die Ferienwohnung der Vermittlungsgesellschaft zur Vermietung an ständig wechselnde Nutzer zu überlassen, steht die Wohnung der Klägerin nicht ständig zur Verfügung. Sie hat sich insoweit ihrer in § 903 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) geregelten Befugnis begeben, über die Sache nach eigenem Belieben zu verfügen (Stephan in Littmann/Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht, § 10e EStG Rz. 51 a). Solange die Wohnung vermietet ist, hat die Klägerin als Vermieterin kein unbeschränktes Zutrittsrecht und kein Recht, über den Zutritt anderer Personen selbständig zu bestimmen (B. Meyer, a.a.O., § 10e EStG Anm. 98; Obermeyer, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 1991, 1613, 1615).

2. Die Auslegung entspricht auch Sinn und Zweck des § 10e EStG. Nach der amtlichen Begründung sollte der Erwerb von selbstgenutztem Wohneigentum, insbesondere für Familien erleichtert werden (vgl. z.B. Senatsurteil vom 25. Januar 1995 X R 191/93, BFHE 177, 65, BStBl II 1995, 586; Urteil des I. Senats vom 21. Oktober 1999 I R 66/98, BFHE 190, 390, BStBl II 2000, 288; B. Meyer, a.a.O., § 10e EStG Anm. 99). Dieser Förderungszweck gebietet nicht die Förderung von Wohnungen, die zur Vermietung an Feriengäste hergestellt oder angeschafft werden (Stuhrmann, Deutsche Steuer-Zeitung --DStZ-- 1992, 264). Deren Förderung kann nicht damit begründet werden, dass Wohneigentum ein wesentlicher Bestandteil der privaten Altersvorsorge sein kann. Andernfalls würde sich die Frage stellen, warum die Förderung des Wohnungseigentums durch § 10e EStG an die Nutzung zu eigenen Wohnzwecken geknüpft und auf eine begrenzte Anzahl von Objekten beschränkt ist. Bestünde der Zweck der Wohneigentumsförderung maßgeblich in der Begünstigung der Altersvorsorge, bedürfte es dieser Einschränkungen nicht, kann doch sowohl das Eigentum an einer nicht selbst genutzten Wohnung der Altersvorsorge dienen wie das Eigentum an mehreren Wohnungen.

3. Diese Auslegung des Merkmals "Nutzung zu Wohnzwecken" stimmt mit der Rechtsprechung des BFH zu § 7c EStG, zu § 82b der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV), zu § 7 Abs. 5 Satz 2 EStG i.d.F. des Gesetzes zur Änderung des Steuerreformgesetzes 1990 sowie zur Förderung des Mietwohnungsbaus und von Arbeitsplätzen in Privathaushalten (StRG 1990 ÄndG) vom 30. Juni 1989, zu §§ 21, 21a EStG sowie zu § 4 des Eigenheimzulagengesetzes --EigZulG-- (vgl. Urteile des BFH in BFHE 191, 502, BStBl II 2001, 66; in BFH/NV 2001, 429; in BFH/NV 1998, 160) überein und beruht entgegen Wacker (Eigenheimzulagengesetz, 3. Aufl., § 4 Anm. 14) nicht auf einem eingeschränkten Verständnis der "eigenen Wohnnutzung". Eine unterschiedliche Auslegung des Merkmals Wohnzwecke ist weder durch die Gesetzessystematik noch durch den Sinn und Zweck der unterschiedlichen Normen geboten (a.A. wohl Becker/Urbahns, Die steuerliche Betriebsprüfung, 2000, 177, 183). Vielmehr dient eine übereinstimmende Auslegung des gleichlautenden Tatbestandsmerkmals "Wohnzwecke" der Rechtssicherheit und Entlastung der Rechtsanwender.

4. Der Abzugsbetrag nach § 10e EStG kann weiter deshalb nicht gewährt werden, weil die Wohnung eine Ferienwohnung darstellt und Ferienwohnungen von der Förderung ausdrücklich ausgeschlossen sind.

a) Nach der Rechtsprechung des Senats besteht das entscheidende Merkmal einer nach § 10e EStG nicht förderungsfähigen Ferienwohnung darin, dass sie rechtlich und/oder tatsächlich zum dauernden Bewohnen ungeeignet ist (Urteil in BFHE 160, 481, BStBl II 1990, 815; Beschluss vom 21. Dezember 2000 X B 71/00, BFH/NV 2001, 772, m.w.N.).

In den bisher entschiedenen Fällen beruhte die fehlende rechtliche Eignung der Wohnung auf bau- bzw. bauplanungsrechtlichen Festlegungen wie der Belegenheit in einem Sondernutzungsgebiet nach § 10 der Baunutzungsverordnung.

b) In gleichem Maße wie solche Festlegungen ein objektives Merkmal bilden, das es ermöglicht, Ferien- und Wochenendwohnungen von anderen Wohnungen zu unterscheiden, stellen auch privatrechtliche Bindungen des Eigentümers der Wohnung ein objektives und einfach handhabbares Merkmal dar, wenn die privatrechtlichen Bindungen den Zweck der Wohnung unmissverständlich festlegen. Das ist der Fall, wenn sich aus Vertragsurkunden ergibt, dass die Wohnung zum Zwecke der Vermietung an ständig wechselnde Feriengäste hergestellt, vom Steuerpflichtigen angeschafft und zu diesem Zweck auch durch Abschluss eines Mietvermittlungsvertrags mit Wirkung gegenüber einem Dritten gewidmet wurde. Auch hier ist für die Beurteilung, dass die Klägerin die Förderung für eine Ferienwohnung begehrt, nicht maßgebend, ob und in welchem Umfang sie von ihrem Eigennutzungsrecht tatsächlich Gebrauch gemacht hat, sondern allein die rechtliche Gebundenheit der Wohnung.

Dem kann die Klägerin nicht mit Erfolg entgegenhalten, dass eine Missachtung der Vereinbarung mit der Vermittlungsgesellschaft lediglich Schadensersatzansprüche zur Folge hätte. Die Möglichkeit vertragswidrigen Verhaltens und die Art der Sanktion eines solchen Verhaltens können nicht als Maßstab für die Auslegung von Tatbestandsmerkmalen eines Steuergesetzes herangezogen werden.

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