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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 26.07.2006
Aktenzeichen: X R 43/05
Rechtsgebiete: StraBEG, EStG, FGO


Vorschriften:

StraBEG § 1 Abs. 2
EStG § 3 Nr. 12
EStG § 3 Nr. 12 Satz 1
FGO § 68 Satz 1
FGO § 90a
FGO § 97
FGO § 120 Abs. 3
FGO § 120 Abs. 3 Nr. 2
FGO § 120 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. a
FGO § 121
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute, die für das Streitjahr 2000 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden. In dem für dieses Jahr ergangenen Einkommensteuerbescheid berücksichtigte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) verschiedene Aufwendungen nicht als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit bzw. bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung. In ihrem nach erfolglosem Vorverfahren vor dem Finanzgericht (FG) geführten Rechtsstreit machten sie unter anderem geltend, ein Drittel ihrer Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit sei entsprechend der Regelung über die für Bundestagsabgeordnete geltende Kostenpauschale steuerfrei zu lassen. Alternativ seien entsprechend in § 1 Abs. 2 des Strafbefreiungserklärungsgesetzes (StraBEG) 40 v.H. ihrer einkommensteuerpflichtigen Einnahmen unberücksichtigt zu lassen. Ferner seien die Beiträge für die Altersversorgung in voller Höhe als Werbungskosten anzuerkennen.

Anders als ihr sonstiges Begehren begründeten sie ihr Vorbringen, wonach die für Bundestagsabgeordnete geltende Kostenpauschale auch bei ihnen zu berücksichtigen sei, ausführlich in mehreren Schriftsätzen. Die Möglichkeit, berufsbedingte Aufwendungen in Höhe von einem Drittel der Einnahmen ohne Nachweis geltend machen zu können, müsse allen Steuerpflichtigen zustehen. Für die Privilegierung der Abgeordneten bestehe kein sachlicher Grund. Dem verfassungswidrigen Begünstigungsausschluss sei durch eine Ausweitung der Begünstigung auf alle Steuerbürger zu begegnen. Zu dieser Streitfrage sei beim Bundesfinanzhof (BFH) ein Verfahren (VI B 91/03) anhängig. Mit dieser Problematik befasse sich auch eine Dissertation (Stalbold, Die steuerfreie Kostenpauschale der Abgeordneten - Verfassungsmäßigkeit und Rechtsschutz, 2003). Auch das von ihnen dem Gericht vorgelegte Gutachten von Birk ("Verfassungsmäßigkeit der Besteuerung der Abgeordnetenbezüge und die Möglichkeiten einer Überprüfung durch das Bundesverfassungsgericht --BVerfG--") gelange zu dem Ergebnis, dass die Kostenpauschale des § 3 Nr. 12 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) zu einer Ungleichbehandlung zwischen den Abgeordneten und der Vergleichsgruppe der Bundesrichter sowie bestimmter höherer Beamter und leitender Angestellter führe. Als Geschäftsstellenleiter gehöre er, der Kläger, zu dem zuletzt genannten Personenkreis. Zudem werde durch die Privilegierung der Abgeordneten jeder Steuerzahler diskriminiert. Die Berücksichtigung der Kostenpauschale bei dem nicht in § 3 Nr. 12 EStG genannten Personenkreis stelle keine unzulässige Gleichbehandlung im Unrecht dar. Zu bedenken sei zudem, dass die Kostenpauschalen in Wirklichkeit zum großen Teil verschleiertes steuerfreies Einkommen der Abgeordneten seien.

Das FG hat die Klage abgewiesen. Die Einnahmen der Kläger seien nicht in Höhe von 40 v.H. gemäß § 1 Abs. 2 StraBEG steuerfrei zu lassen. Es fehle bereits am Tatbestandsmerkmal, dass einkommensteuerpflichtige Einnahmen zu Unrecht nicht vollständig erfasst worden seien. Entgegen der Auffassung der Kläger bestehe auch aus verfassungsrechtlichen Gründen kein Anspruch auf Steuernachlass gemäß § 1 Abs. 2 StraBEG. Die Einkünfte der Kläger seien auch nicht nach § 3 Nr. 12 EStG zu einem Drittel steuerfrei zu lassen. Die Kläger hätten keine Bezüge als Aufwandsentschädigung erlangt. Ein Anspruch auf Steuerfreistellung folge auch nicht aus Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG). Bei den Klägern liege auf der Tatbestandsseite kein vergleichbarer Sachverhalt vor, z.B. ein Fall, wonach der Kläger eine Kostenpauschale erhalte, die aber nicht steuerfrei sei. Die Kläger würden auch nicht gleichheitswidrig benachteiligt. Ihnen würde allenfalls gleichheitswidrig die einem bestimmten Personenkreis zukommende Begünstigung vorenthalten. Maßstab dafür, ob eine gleichheitswidrige Belastung vorliege oder ein gleichheitswidriger Begünstigungsausschluss gegeben sei, sei der gesetzliche Normalfall, der nach Sinn und Zweck des Gesetzes in der Regel erfasst werden solle und tatsächlich erfasst werde. Normalfall sei hier der Bürger, der nicht Abgeordneter sei. Da die Kläger außerhalb des Regelungssystems der Kostenpauschale für Abgeordnete stünden, seien sie selbst durch die Regelung nicht beschwert. Denn ein Begünstigungsausschluss begründe nur dann eine mit Erfolg rügbare Beschwer, wenn eine Person nach der der Begünstigungsregelung innewohnenden Systematik willkürlich aus dem Kreis der Begünstigten ausgeschlossen werde. Die Beiträge des Klägers zur gesetzlichen Rentenversicherung seien keine vorweggenommenen Werbungskosten bei den sonstigen Einkünften. Nach der im Streitjahr 2000 gegebenen Rechtslage habe nur der Ertragsanteil der Rente, nicht aber der Rückfluss aus dem Rentenrecht der Besteuerung unterlegen. Hieran habe der Übergang zur sog. nachgelagerten Besteuerung ab dem Jahr 2005 nichts geändert. Die Beitragszahlungen würden dadurch nicht nachträglich zu Werbungskosten.

Mit ihrer Revision machen die Kläger geltend, das angefochtene Urteil sei aufzuheben. Zur Begründung der Revision tragen sie lediglich vor, der Rechtsstreit betreffe die Anerkennung von pauschalen Werbungskosten im Zusammenhang mit den Berufseinnahmen der Kläger und die unbeschränkte Berücksichtigung von Krankenversicherungsbeiträgen und Altersvorsorgeaufwendungen. Der Sachverhalt ergebe sich aus der angefochtenen Entscheidung ab Seite 7 ff. Abschnitt B und C. Darauf werde zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen.

Die von den Klägern begehrten Kostenpauschalen in Höhe von 33,33 v.H. (adäquat Bundestagsabgeordnete) wie auch in Höhe von 40 v.H. (analog StraBEG) seien ebenso wie die offenbar verfassungswidrige Beschränkung des Sonderausgabenabzugs von Krankenversicherungsbeiträgen und Beiträgen zur Altersversorgung Gegenstand obergerichtlicher Entscheidungen. Bis zum Ergehen dieser Entscheidungen werde beantragt, das vorliegende Revisionsverfahren ruhen zu lassen.

Die Kläger beantragen sinngemäß, das Urteil der Vorinstanz und die Einspruchsentscheidung des FA vom 12. September 2002 aufzuheben sowie den angefochtenen Einkommensteuerbescheid 2000 (zuletzt) vom 9. März 2006 in der Weise abzuändern, dass die Einkommensteuer 2000 auf 50 930 DM (26 040 €) herabgesetzt wird.

Das FA beantragt sinngemäß, die Revision zu verwerfen.

Die Revisionsbegründung der Kläger genüge nicht den Anforderungen des § 120 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Sie lasse jegliche Auseinandersetzung mit den Gründen des angefochtenen Urteils vermissen. Zur wirksamen Begründung einer Revision sei es aber erforderlich, deutlich zu machen, welche Rechtsnorm durch das FG verletzt worden sein soll. Die Revisionsbegründung müsse sich daher mit den vermeintlich falsch entschiedenen Streitpunkten inhaltlich befassen.

Durch den Bescheid vom 9. März 2006 hat das FA den Einkommensteuerbescheid 2000 geändert, in dem es den Bescheid auch hinsichtlich der Frage der Nichtabziehbarkeit von Beiträgen zu gesetzlichen Rentenversicherungen als vorweggenommene Werbungskosten für vorläufig erklärt hat. Die Kläger haben hierauf mitgeteilt, der Streitstoff habe hierdurch keine Änderung erfahren.

II. Die Revision ist zulässig. Insbesondere genügt die Revisionsbegründung den Anforderungen des § 120 Abs. 3 Nr. 2 FGO.

1. Der Zulässigkeit steht nicht entgegen, dass die Kläger ihren im Revisionsverfahren gestellten Antrag nicht nach Ergehen des geänderten Einkommensteuerbescheids 2000 vom 9. März 2006 angepasst haben. Wird im Laufe des Revisionsverfahrens der angefochtene Verwaltungsakt geändert, welcher gemäß § 68 Satz 1 FGO Gegenstand des Revisionsverfahrens wird, dann bedarf es jedenfalls dann keiner Anpassung des Revisionsantrags an die veränderte Prozesslage, wenn die tatsächlichen Grundlagen des Streitstoffs unberührt geblieben sind (BFH-Urteil vom 29. Juni 2004 IX R 7/01, BFH/NV 2004, 1408). Diese Sachlage ist hier gegeben.

2. Die Revisionsbegründung genügt auch den Anforderungen des § 120 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. a FGO. Danach muss die Revisionsbegründung die bestimmte Bezeichnung der Umstände enthalten, aus denen sich die Rechtsverletzung ergibt. Hieraus folgt, dass der Rechtsmittelführer sich grundsätzlich mit den Gründen des angefochtenen Urteils auseinandersetzen und aufzeigen muss, welche Gründe dieses Urteil rechtsfehlerhaft erscheinen lassen (BFH-Urteil vom 24. Juni 2003 IX R 28/01, BFH/NV 2004, 1383, m.w.N.). Zwar ist dies im Streitfall nicht geschehen. Auch reicht es zur Bezeichnung der Rechtsverletzung nicht aus, dass in der Revisionsbegründung die bei einem Bundesgericht anhängigen Verfahren angegeben werden, in denen über die auch im Streitfall einschlägigen Rechtsfragen zu entscheiden ist (Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 120 Rz 61, m.w.N.). Allerdings lässt die Rechtsprechung die Bezugnahme auf das frühere Vorbringen des Rechtsmittelführers dann genügen, wenn dort die Rechtsauffassung eingehend begründet worden ist und er sich dabei auch mit den Argumenten auseinandergesetzt hat, auf die das FG später sein Urteil gestützt hat. Es muss mithin eine Situation gegeben sein, in der "mehr zu der (Streit-)Frage einfach nicht zu sagen ist" (BFH-Beschluss vom 28. Januar 1986 VIII R 157/84, BFH/NV 1986, 344, und Senatsbeschluss vom 20. September 1993 X R 57/91, BFH/NV 1994, 720).

Diese Voraussetzungen sind im Streitfall gegeben. Die Kläger haben in ihrer Revisionsbegründung nicht nur ausgeführt, ihr Begehren sei auf die Anerkennung pauschaler Werbungskosten gerichtet. Sie haben zudem angegeben, "der Sachverhalt (ergebe) sich aus der Entscheidung des FG ... ab Seite 7 ff. Abschnitt B und C. Darauf (werde) ... Bezug genommen". Dieser Vortrag ist bei verständiger Würdigung in dem Sinne auszulegen, dass die Kläger zum Ausdruck bringen wollen, ihr Vortrag im Klageverfahren werde aufrechterhalten. Denn das FG hat sich an der von den Klägern angegebenen Stelle mit den rechtlichen Argumenten der Kläger auseinandergesetzt. Dass das FG diese klägerischen Argumente in seinem Urteil nur knapp zusammengefasst wiedergegeben hat, kann den Klägern in diesem Zusammenhang nicht angelastet werden. Auch haben die Kläger im Klageverfahren umfänglich dargetan, weshalb aus ihrer Sicht die Kostenpauschale des § 3 Nr. 12 EStG aus Gründen der Gleichbehandlung auch ihnen zustehen müsse. Hierbei haben sie auch dargelegt, weshalb jedenfalls der Kläger nach ihrer Auffassung zu einer der Gruppe der Bundestagsabgeordneten vergleichbaren Berufsgruppe gehöre und weshalb überdies ihrer Meinung nach jeder Steuerpflichtige Anspruch auf Einbeziehung in die begünstigende Vorschrift des § 3 Nr. 12 EStG habe.

Unerheblich ist, dass sich die Kläger lediglich mit diesem Streitpunkt ausführlich befasst haben. Betrifft das angefochtene Urteil --wie im Streitfall-- einen einheitlichen Streitgegenstand, dann ist die Revision bereits dann zulässig, wenn von mehreren Streitpunkten auch nur zu einem eine hinreichend begründete Revisionsrüge vorgetragen wird (Gräber/Ruban, a.a.O., § 120 Rz 58).

3. Der Senat hielt es für angezeigt, über die Zulässigkeit der Revision durch Zwischengerichtsbescheid gemäß § 121 FGO i.V.m. §§ 90a, 97 FGO zu entscheiden (BFH-Urteil vom 5. März 1975 II R 159/73, BFHE 115, 302, BStBl II 1975, 516).

Ende der Entscheidung

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