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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 24.02.2005
Aktenzeichen: X S 3/05 (PKH)
Rechtsgebiete: FGO, ZPO


Vorschriften:

FGO § 62a
FGO § 115 Abs. 2
FGO § 116 Abs. 2 Satz 1
FGO § 142
ZPO § 114
ZPO § 227 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Die Klage des Klägers und Beschwerdeführers (Kläger) gegen die Einkommen- und Umsatzsteuerbescheide 2001 sowie die Mahnung der Finanzkasse wurde vom Finanzgericht (FG) auf Grund mündlicher Verhandlung vom 19. Oktober 2004, zu der der Kläger nicht erschienen war, als unzulässig abgewiesen. Am Tag vor der mündlichen Verhandlung hatte der Kläger per Telefax die Verlegung des Termins beantragt, da er wegen einer Erkrankung nicht reisefähig sei. Dem Antrag beigefügt war eine Bescheinigung vom selben Tag "zur Vorlage bei Gericht", wonach der Kläger wegen akuter Erkrankung zur Zeit als reiseunfähig anzusehen sei.

Laut Sitzungsprotokoll des FG wurde dem Vertagungsantrag nicht entsprochen. In den Urteilsgründen führte das FG insoweit aus, dass dem Verlegungsantrag nicht habe stattgegeben werden können, weil erhebliche Gründe für eine Terminsänderung nicht glaubhaft gemacht worden seien. Das per Telefax übermittelte Attest sei vage, lasse nicht erkennen, woran der Kläger erkrankt sei, enthalte keinerlei Ausführungen zum Grund der Reiseunfähigkeit, geschweige denn zur Art und Schwere der evtl. zugrunde liegenden Krankheit. Der Antrag auf Terminsverlegung sei darüber hinaus erst in letzter Minute gestellt worden. Weitere Aufklärung sei daher nicht möglich gewesen und zudem sei nicht nachvollziehbar, weshalb der in R wohnende Kläger trotz der bescheinigten Reiseunfähigkeit in der Lage gewesen sei, einen in K ansässigen Arzt aufzusuchen, jedoch außerstande sein wolle, an das FG in N zu reisen.

Das FG-Urteil wurde dem Kläger am 18. November 2004 zugestellt. Hiergegen hat er innerhalb der Frist nach § 116 Abs. 2 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) persönlich "Berufung" eingelegt und sinngemäß darauf hingewiesen, das FG habe seine Klage zu Unrecht als unzulässig abgewiesen, da er sich für die Fristversäumnis ordnungsgemäß entschuldigt habe. Nachdem die Geschäftsstelle des erkennenden Senats den Kläger mit Schreiben vom 10. Dezember 2004 auf den Vertretungszwang in Verfahren vor dem Bundesfinanzhof (BFH) nach § 62a FGO hingewiesen hat, legte der Prozessbevollmächtigte des Klägers mit Schreiben vom 21. Dezember 2004, eingegangen beim BFH am gleichen Tag und somit nach Ablauf der Frist nach § 116 Abs. 2 Satz 1 FGO, Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision ein. Gleichzeitig beantragte er "höchstvorsorglich" Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Auf Grund einer telefonischen Rückfrage machte die Geschäftsstelle des erkennenden Senats den Prozessbevollmächtigten des Klägers am 21. Dezember 2004 auf die Fristversäumnis aufmerksam. Mit Schriftsatz vom 5. Januar 2005, beim BFH eingegangen am gleichen Tag, begründete der Prozessbevollmächtigte des Klägers den Wiedereinsetzungsantrag. Eine weitere Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde wurde bisher nicht vorgelegt.

Mit Schreiben vom 11. Januar 2005 stellte der Kläger persönlich Antrag auf Prozesskostenhilfe (PKH) zur Durchführung des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens. Die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse war dem Antrag beigefügt.

II. Der zulässige Antrag auf Gewährung von PKH wird abgelehnt, weil die vom Kläger beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat.

1. Der vom Kläger selbst gestellte Antrag ist zwar zulässig. Für ihn besteht kein Vertretungszwang nach § 62a FGO (vgl. BFH-Beschlüsse vom 21. Dezember 2001 VII S 13/01, BFH/NV 2002, 692, und vom 9. April 2002 X S 2/02 (PKH), BFH/NV 2002, 949).

2. Der Antrag ist aber unbegründet.

Gemäß § 142 FGO i.V.m. § 114 der Zivilprozessordnung (ZPO) setzt die Bewilligung von PKH voraus, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Eine beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet hinreichende Aussicht auf Erfolg, wenn bei summarischer Prüfung für den Eintritt des Erfolges eine gewisse Wahrscheinlichkeit besteht (z.B. BFH-Beschluss vom 21. Juli 1999 V S 6/99, BFH/NV 2000, 193). Diese Voraussetzung ist im Streitfall nicht erfüllt.

a) Dies folgt zwar noch nicht allein daraus, dass die Nichtzulassungsbeschwerde nicht innerhalb der Monatsfrist des § 116 Abs. 2 Satz 1 FGO durch eine vor dem BFH vertretungsbefugte Person oder Gesellschaft i.S. des § 62a FGO erhoben worden ist. Denn einem Beteiligten, der wegen Mittellosigkeit nicht in der Lage ist, ein Rechtsmittel, das dem Vertretungszwang unterliegt, wirksam zu erheben, kann Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 56 FGO) gewährt werden.

Dies erfordert allerdings, dass der Rechtsmittelführer innerhalb der Rechtsmittelfrist alles Zumutbare unternimmt, um das --hier in seiner Mittellosigkeit liegende-- Hindernis zu beheben. Er muss innerhalb dieser Frist alle Voraussetzungen für die Bewilligung der PKH zur Einlegung des Rechtsmittels schaffen (ausführlich BFH-Beschluss vom 11. Dezember 1985 I B 44/85, BFH/NV 1986, 557, unter 3.a; ferner BFH-Beschlüsse vom 8. April 1987 X S 3/87, BFH/NV 1988, 179; vom 15. April 1999 X S 1/99, BFH/NV 1999, 1355, und vom 17. September 2002 X S 4/02 (PKH), BFH/NV 2003, 73).

b) Der Senat kann dahingestellt sein lassen, ob der Antragsteller, um diese Anforderungen für die Gewährung von Wiedereinsetzung zu erfüllen, bereits innerhalb der Frist zur Einlegung des Rechtsmittels wenigstens in laienhafter Weise sein Rechtsmittelbegehren so substantiieren muss, dass seine Ausführungen die Beurteilung ermöglichen, ob ein Grund für die Zulassung der Revision gegeben sein könnte (ausführlich BFH-Beschluss in BFH/NV 1988, 179; ferner BFH-Beschlüsse vom 15. März 2000 V S 2/00, BFH/NV 2000, 1212; vom 12. August 2002 X S 5/02 (PKH), BFH/NV 2002, 1608; in BFH/NV 2003, 73, und vom 14. Februar 2003 X S 8/02 (PKH), BFH/NV 2003, 653), oder ob die Erfolgsaussichten des Rechtsmittels vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) zu der in Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes (GG) verbürgten Rechtsschutzgleichheit für Bemittelte und Unbemittelte (vgl. dazu BVerfG-Beschluss vom 26. Juni 2003 1 BvR 1152/02, juris, unter II.1.a, mit zahlreichen weiteren Nachweisen) von Amts wegen anhand der Vorentscheidung und des Protokolls über die mündliche Verhandlung zu prüfen sind (so BFH-Beschluss vom 23. Januar 1991 II S 15/90, BFHE 163, 123, BStBl II 1991, 366; vgl. zur Streitfrage mit zahlreichen Nachweisen auch BFH-Beschluss vom 11. April 1996 V S 5/96, V R 8/96, BFH/NV 1996, 847; auf einer solchen Prüfung von Amts wegen beruht im Ergebnis auch der BFH-Beschluss vom 2. Oktober 2002 XI S 4/02 (PKH), BFH/NV 2003, 194).

c) Denn auch eine von Amts wegen vorzunehmende Prüfung der in § 115 Abs. 2 FGO genannten Gründe für die Zulassung der Revision führt hier zu dem Ergebnis, dass keiner dieser Gründe vorliegt.

Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung, noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des BFH. Die Revisionszulassung ist insbesondere nicht wegen eines Verfahrensfehlers zuzulassen. Das FG brauchte im Streitfall den Termin zur mündlichen Verhandlung (§ 91 Abs. 1 FGO) nicht aufzuheben oder zu verlegen; denn der Kläger hatte --dafür erforderliche-- erhebliche Gründe nicht substantiiert vorgetragen.

Nach der Rechtsprechung des BFH ist das FG nicht verpflichtet, dem Antrag eines Beteiligten auf Terminsverlegung, der sozusagen "in letzter Minute" gestellt und mit einer plötzlichen Erkrankung begründet wird, stattzugeben, wenn dieser Antrag den Anforderungen an eine aussagefähige Begründung nicht genügt und die Gründe für die beantragte Terminsverlegung nicht zugleich mit der Antragstellung glaubhaft gemacht werden (vgl. Senatsbeschluss vom 26. August 1999 X B 58/99, BFH/NV 2000, 441, m.w.N.). Notwendig ist hiernach in solchen eiligen Fällen (anders, wenn zwischen dem Antrag und dem Termin zur mündlichen Verhandlung noch einige Tage liegen: BFH-Urteil vom 4. Mai 1994 XI R 104/92, BFH/NV 1995, 46) entweder die Vorlage eines ärztlichen Attestes, aus dem sich eindeutig die Verhandlungsunfähigkeit des Beteiligten ergibt, oder eine so genaue Schilderung der Erkrankung samt Glaubhaftmachung durch den Beteiligten, dass das Gericht selbst beurteilen kann, ob die Erkrankung so schwer ist, dass ein Erscheinen zum Termin nicht erwartet werden kann. Zwar sind nach § 227 Abs. 2 ZPO die Gründe erst auf Verlangen glaubhaft zu machen; das kann aber nur gelten, wenn zwischen der Antragstellung und dem Termin ausreichend Zeit besteht, um dies zu verlangen. Ist diese Zeit --wie im Streitfall-- nicht mehr vorhanden, so muss der Beteiligte seine Gründe mit der Antragstellung glaubhaft machen, weil andernfalls keine Möglichkeit bestünde, dessen Angaben zu überprüfen (z.B. BFH-Beschluss vom 31. August 1995 VII B 160/94, BFH/NV 1996, 228, m.w.N.). Würden diese Anforderungen an die Begründung des Antrags im Falle einer aus Krankheitsgründen kurzfristig begehrten Terminsverlegung nicht gestellt, bestände die Gefahr, dass die Entscheidung über die Terminsverlegung allein vom Beteiligten abhängen würde. Dies wäre mit dem Ziel einer möglichst zügigen Durchführung des Verfahrens nicht vereinbar.

Im Streitfall hat das FG in seinem Urteil ausführlich begründet, dass die Angaben in der am Tag vor der mündlichen Verhandlung übermittelten Bescheinigung keine Prüfung der Verhandlungsfähigkeit erlaubten, da sie keinerlei Ausführungen zum Grund der Reiseunfähigkeit des Klägers oder zur Art und Schwere der zugrunde liegenden Krankheit enthielt. Zutreffend hat das FG auch darauf abgestellt, dass nicht nachvollziehbar sei, weshalb der Kläger zwar einen nicht am klägerischen Wohnort praktizierenden Arzt aufsuchen, die Fahrt zum FG aber nicht antreten konnte.

3. Eine Kostenentscheidung war nicht zu treffen. Gerichtsgebühren entstehen nicht (§ 1 Nr. 3, § 3 Abs. 2 des Gerichtskostengesetzes i.V.m. dem Kostenverzeichnis).

Ende der Entscheidung

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