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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 23.10.2007
Aktenzeichen: XI B 110/07
Rechtsgebiete: AO, EStG, FGO, ZPO, GVG


Vorschriften:

AO § 125
EStG § 18
EStG § 18 Abs. 1 Nr. 3
FGO § 10 Abs. 3
FGO § 51
FGO § 52
ZPO § 42 Abs. 2
GVG § 196 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) ist Rechtsanwalt. Er übte in den Streitjahren 1995 bis 2000 auch Konkurs-/Insolvenzverwaltertätigkeiten aus. Er erklärte in seinen Einkommensteuererklärungen unter der Berufsangabe "Konkursverwalter" Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) vertrat im Anschluss an eine Außenprüfung die Auffassung, bei den Einkünften aus den Konkurs-/Insolvenzverwaltertätigkeiten handele es sich um gewerbliche Einkünfte.

Der Kläger erhob beim Finanzgericht (FG) Klage mit dem Begehren festzustellen, dass die Bescheide über die einheitlichen Gewerbesteuermessbeträge der Streitjahre 1995 bis 2000 sowie die Bescheide über die Zerlegung der einheitlichen Gewerbesteuermessbeträge für die Streitjahre 1995 bis 2000 nichtig seien.

Das FG wies die Klage als unbegründet ab und entschied, die angefochtenen Bescheide seien nicht nichtig i.S. des § 125 der Abgabenordnung (AO). Das FA habe nicht bewusst und willkürlich zum Nachteil des Klägers gehandelt. Diese Annahme verbiete sich schon deshalb, weil das FA im Anschluss an das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 12. Dezember 2001 XI R 56/00 (BFHE 197, 442, BStBl II 2002, 202) von der Gewerblichkeit der Einkünfte ausgegangen sei. Die Auswertung der zu diesem Urteil veröffentlichten Literaturstimmen zeige, dass sie das Urteil ebenso interpretierten wie die Finanzverwaltung. Dann aber verbiete sich die Annahme einer zur Nichtigkeit führenden Willkürmaßnahme.

Der Kläger hat gegen dieses Urteil fristgemäß Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt.

Er hat mit Schriftsatz vom 12. September 2007 die Richter am BFH X und Y wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Er stützt die Ablehnung der beiden --unstreitig für das vorliegende Beschwerdeverfahren zuständigen-- Richter darauf, dass sie --was ebenfalls unstreitig ist-- an der Entscheidung des XI. Senats in BFHE 197, 442, BStBl II 2002, 202 betreffend die Gewerbesteuerpflicht eines Konkurs-/Insolvenzverwalters mitgewirkt haben. Er trägt vor, den Richtern solle kein Willkürvorwurf im Sinne eines subjektiven Unwerturteils gemacht werden. Es seien dem XI. Senat in dem Urteil in BFHE 197, 442, BStBl II 2002, 202 jedoch gravierende Rechtsverstöße unterlaufen, die geeignet seien, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit der beiden beteiligten Richter zu rechtfertigen. Dem XI. Senat sei in dem Urteil ein klassischer Justizirrtum unterlaufen, der dazu führe, dass Vorschriften des Steuerrechts zu Lasten des Steuerpflichtigen analog rückwirkend angewandt würden. Bei dem Verfasser des Urteils in BFHE 197, 442, BStBl II 2002, 202 habe ein Irrtum über den Inhalt des BFH-Urteils vom 29. März 1961 IV 404/60 U (BFHE 73, 100, BStBl III 1961, 306) vorgelegen. Es sei nicht erkannt worden, dass darin drei unterschiedliche Typen von Insolvenzverwaltern beschrieben worden seien und der BFH lediglich zugunsten des dort steuerpflichtigen Kaufmanns eine Analogie zu den von § 18 Abs. 1 Nr. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in der damaligen Fassung aufgeführten Tätigkeiten angenommen habe. Das auch auf Art. 3 des Grundgesetzes gestützte Urteil in BFHE 197, 442, BStBl II 2002, 202 sei unter Außerachtlassung der Grundsätze der juristischen Methodenlehre zu einem Ergebnis gelangt, das rechtsdogmatisch nicht möglich sei. Die Summe der Rechtsverstöße führe zu seiner Besorgnis, dass die beiden abgelehnten Richter der anzuwendenden Rechtsmaterie nicht mehr unvoreingenommen gegenüberstünden. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung der Ablehnung wird auf die Ausführungen in den Schriftsätzen des Klägers vom 12. September 2007 und 18. Oktober 2007 Bezug genommen.

Die abgelehnten Richter haben sich am 24. September 2007 und am 20. September 2007 dienstlich geäußert. Sie halten sich nicht für befangen.

II. Die Ablehnungsgesuche sind jedenfalls unbegründet.

Die Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit findet gemäß § 51 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. § 42 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) nur statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen. Entscheidend ist, ob ein Prozessbeteiligter bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass hat, an der Unvoreingenommenheit eines Richters zu zweifeln (vgl. z.B. Beschluss des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG-- vom 2. Dezember 1992 2 BvF 2/90, 2 BvF 4, 5/92, BVerfGE 88, 17, unter II.1. der Gründe). Dies ist hier nicht der Fall.

1. Nach der gefestigten Rechtsprechung des BFH ist die für einen Prozessbeteiligten ungünstige Rechtsauffassung eines Richters in einem früheren Rechtsstreit kein Ablehnungsgrund, und zwar auch dann nicht, wenn die dort vertretene Rechtsauffassung falsch sein sollte. Die Richterablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit dient nicht dazu, sich gegen eine für unrichtig gehaltene Rechtsauffassung des Richters zu wehren, es sei denn, die Rechtsauffassung beruht auf einer unsachlichen Einstellung des Richters oder Willkür. Die Mitwirkung eines Richters an früheren Entscheidungen kann seine Ablehnung deshalb nur dann rechtfertigen, wenn zusätzliche konkrete Umstände vorliegen, die ergeben, dass der Richter nicht bereit ist, seine frühere Meinung kritisch zu überprüfen und das Vorbringen der Prozessbeteiligten unvoreingenommen zur Kenntnis zu nehmen (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 7. April 1988 X B 4/88, BFH/NV 1989, 587; vom 20. November 1990 VII B 32/90, BFH/NV 1991, 755; vom 8. Mai 1992 III S 3/92, BFH/NV 1993, 108; vom 20. Juni 2003 XI B 62/03, BFH/NV 2003, 1433; vom 31. Juli 2002 V B 18/02, BFH/NV 2003, 58; vom 16. Januar 2007 VII S 23/06 (PKH), BFH/NV 2007, 1463; vgl. auch Beschlüsse des Bundesgerichtshofs vom 14. Mai 2002 XI ZR 388/01, Neue Juristische Wochenschrift --NJW-- 2002, 2396; des Bundesarbeitsgerichts vom 29. Oktober 1992 5 AZR 377/92, BAGE 71, 293).

2. Im Streitfall besteht die Besonderheit, dass aus der Mitwirkung der beiden abgelehnten Richter an dem Senatsurteil in BFHE 197, 442, BStBl II 2002, 202 gar nicht abgeleitet werden kann, welche Rechtsauffassung sie zu der Frage der steuerlichen Qualifizierung der Einkünfte eines Rechtsanwalts aus einer Tätigkeit als Konkurs-/Insolvenzverwalter vertreten. Denn an diesem Urteil haben nicht nur die beiden abgelehnten Richter, sondern gemäß § 10 Abs. 3 FGO fünf Richter mitgewirkt. Gemäß § 52 FGO i.V.m. § 196 Abs. 1 des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) entscheidet das Gericht, soweit das Gesetz nicht ein anderes bestimmt, mit der absoluten Mehrheit der Stimmen. Die Beratung und Abstimmung unterliegen der Geheimhaltungspflicht (§ 43 des Deutschen Richtergesetzes). Danach lässt das Urteil in BFHE 197, 442, BStBl II 2002, 202 allein keinen zuverlässigen Schluss auf die Rechtsauffassung der beiden abgelehnten Richter zu der umstrittenen Rechtsfrage zu.

3. Letztlich kann dieser Umstand aber unberücksichtigt bleiben. Denn selbst wenn zugunsten des Klägers angenommen wird, dass die abgelehnten Richter die in dem Urteil in BFHE 197, 442, BStBl II 2002, 202 vertretene Rechtsauffassung des Senats damals geteilt haben, würde dies nicht die Besorgnis der Befangenheit begründen. Denn von jeher wird von einem Richter erwartet, dass er auch dann unvoreingenommen an die Beurteilung einer Sache herantritt, wenn er sich schon früher über eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage eine Meinung gebildet hat (vgl. z.B. BVerfG-Beschluss vom 5. April 1990 2 BvR 413/88, BVerfGE 82, 30, unter B.II.2.a der Gründe, m.w.N.). Im Streitfall ist das Vorbringen des Klägers nicht geeignet, Zweifel an der Berechtigung dieser Erwartung in Bezug auf die abgelehnten Richter aufkommen zu lassen.

Der Kläger stützt die Ablehnung ausschließlich auf die Mitwirkung der abgelehnten Richter an dem Urteil in BFHE 197, 442, BStBl II 2002, 202 und darauf, dass dieses Urteil seiner Meinung nach eine Reihe gravierender Fehler bei der Auslegung des § 18 EStG enthält. Seine Rügen, es seien in diesem Urteil Fehler bei der Auslegung vorangegangener BFH-Urteile begangen worden, es sei das BFH-Urteil vom 24. November 1983 IV R 130/80 nicht berücksichtigt worden und es lägen Verstöße gegen die juristische Methodenlehre vor, vermögen jedoch nicht die Besorgnis einer unsachlichen Einstellung der an dem Urteil beteiligten Richter zu rechtfertigen. Denn selbst wenn die Interpretation einer gesetzlichen Vorschrift durch ein Gericht in einem vorangegangenen Rechtsstreit nicht mit den herkömmlichen Regeln der Gesetzesauslegung im Einklang stehen sollte und fehlerhaft wäre, ließe dies allein nicht auf eine unsachliche Einstellung der beteiligten Richter schließen. Dafür müssten weitere Umstände hinzukommen. Derartige Umstände hat der Kläger jedoch nicht dargelegt und sie sind auch nicht ersichtlich.

Das Senatsurteil in BFHE 197, 442, BStBl II 2002, 202 beruht auch nicht auf Willkür. Willkür ist nur gegeben, wenn ein Richterspruch unter keinem denkbaren Aspekt rechtlich vertretbar ist (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 13. Januar 2005 VII B 147/04, BFHE 208, 404, BStBl II 2005, 457, m.w.N.). Das ist hier nicht der Fall.

4. Eine Kostenentscheidung ist nicht zu treffen, da es sich um ein unselbständiges Zwischenverfahren handelt (vgl. Gräber/ Stapperfend, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 143 Rz 6).

Ende der Entscheidung

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