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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 24.08.1998
Aktenzeichen: XI B 126/97
Rechtsgebiete: FGO, ZPO, VwGO, SGG


Vorschriften:

FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3
FGO § 90 Abs. 2
ZPO § 128 Abs. 2
ZPO § 128 Abs. 2 n.F.
VwGO § 101 Abs. 2
SGG § 124 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe

I. In der Sache streiten die Beteiligten über den Privatanteil bei den betrieblichen Telefonkosten, welche der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) auf 130 DM für den Veranlagungszeitraum 1993 und auf 113 DM für den Veranlagungszeitraum 1994 angesetzt hatte. Die Klage hatte keinen Erfolg; das Urteil des Finanzgerichts (FG) ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 1997, 1300 veröffentlicht.

Mit der Beschwerde rügen die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) Verletzung rechtlichen Gehörs. Das anzufechtende Urteil sei verfahrensfehlerhaft zustande gekommen. Nach dem Verzicht auf mündliche Verhandlung habe das FG Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 21. Mai 1997 anberaumt. Mit Schriftsatz vom 30. April 1997 habe ihr --der Kläger-- Prozeßvertreter um eine anderweitige Terminanberaumung gebeten. Die Benachrichtigung des FG über die Aufhebung des Termins sei erst am 16. Mai 1997 im Büro des Prozeßbevollmächtigten eingegangen. Das Gericht habe dann am 21. Mai 1997 ohne mündliche Verhandlung entschieden, ohne daß die Kläger besonders gehört worden seien.

Die Kläger beantragen, die Revision zuzulassen.

Das FA beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Das Urteil des FG habe ohne mündliche Verhandlung ergehen dürfen, da das FA mit Schreiben vom 24. September 1996 und die Kläger mit Schreiben vom 19. August 1996 auf mündliche Verhandlung verzichtet hätten. Entgegen der Ansicht der Kläger könne der Verzicht auf mündliche Verhandlung nicht widerrufen werden.

II. Die Beschwerde ist unbegründet. Die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) liegen nicht vor. Die Entscheidung des FG ist ohne Verfahrensfehler ergangen.

Gemäß § 90 Abs. 2 FGO kann das Gericht mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden. Anders als im Zivilprozeß (§ 128 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung --ZPO--) befähigen Verzichtserklärungen der Verfahrensbeteiligten im finanzgerichtlichen Verfahren das Gericht grundsätzlich, "ohne weiteres" im schriftlichen Verfahren zu entscheiden (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 2. April 1997 X R 21/94, BFH/NV 1997, 547; BFH-Beschluß vom 11. September 1996 VIII B 58/95, VIII B 59/95, BFH/NV 1997, 298).

Allerdings bezieht sich das Einverständnis der Beteiligten nach der herrschenden Meinung zu § 128 Abs. 2 a.F. ZPO, § 101 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung und § 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes nur auf die Endentscheidung oder die nächste Entscheidung, durch welche die Endentscheidung sachlich wesentlich vorbereitet wird (Urteil des Bundesgerichtshofs vom 2. April 1955 IV ZR 261/54, BGHZ 17, 118, 123; kritisch Tipke/ Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 16. Aufl., Stand Juni 1993, § 90 FGO, Tz. 3 a; Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., 1997, § 90 Rz. 16). Ist die nächste Entscheidung nicht das abschließende Urteil, kann die Verzichtserklärung verbraucht sein.

Der Senat kann offen lassen, ob er sich dieser Auffassung für das finanzgerichtliche Verfahren anschließt, da im Streitfall die Voraussetzungen, die zum Verbrauch der Verzichtserklärung des Klägers führen könnten, nicht gegeben sind.

Ist die nächste Entscheidung nicht das abschließende Urteil, so wird die Verzichtserklärung auch nach der dargestellten Auffassung nur verbraucht, wenn die vorbereitende Entscheidung für die Endentscheidung wesentlich ist. Als wesentliche vorbereitende Entscheidungen sind durch die Rechtsprechung z.B. ein Beweisbeschluß, ein Auflagenbeschluß oder ein Zwischen- und Teilurteil angesehen worden (vgl. die Nachweise bei Tipke/Kruse, a.a.O.). Die Anberaumung eines Termins zur mündlichen Verhandlung und dessen Aufhebung können nicht als solche vorbereitenden Entscheidungen angesehen werden. Diese Entscheidungen haben keinen sachlichen Einfluß auf die Endentscheidung; die Grundlagen der Entscheidungsfindung werden nicht berührt. In diesem Fall ist es nicht gerechtfertigt, von der grundsätzlich bindenden Wirkung des Verzichts ausnahmsweise abzusehen.

Ohne Bedeutung ist, daß das Gericht trotz des Verzichts zunächst Termin zur mündlichen Verhandlung anberaumt hatte. Die Anberaumung und Aufhebung eines Termins zur mündlichen Verhandlung stehen auch bei Verzicht der Beteiligten auf mündliche Verhandlung im (pflichtgemäßen) Ermessen des Gerichts (vgl. BFH-Beschluß vom 8. Juni 1994 IV R 9/94, BFH/NV 1995, 129). Die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung nach der Aufhebung eines trotz Verzichts anberaumten Termins führt ohne eine weitere wesentliche Änderung der Prozeßlage nicht zur Verletzung des rechtlichen Gehörs. Das FG war daher berechtigt, ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden.

Ende der Entscheidung

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