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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 04.12.2003
Aktenzeichen: XI B 181/01
Rechtsgebiete: FGO, ZPO, AO 1977


Vorschriften:

FGO § 54 Abs. 2
FGO § 56
FGO § 62 Abs. 3 Satz 3
FGO § 116 Abs. 1
FGO § 155
ZPO § 85 Abs. 2
ZPO § 222 Abs. 2
AO 1977 § 110 Abs. 1 Satz 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage als unzulässig ab, weil die Vollmacht nicht innerhalb der nach § 62 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) mit ausschließender Wirkung gesetzten Frist im Original nachgewiesen worden sei; Wiedereinsetzung sei nicht zu gewähren. Die Revision ließ das FG nicht zu.

Mit seiner Beschwerde verfolgt der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) die Zulassung der Revision wegen Abweichung des FG von der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) sowie wegen Verfahrensmangels.

II. Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist unzulässig. Sie ist durch Beschluss zu verwerfen (§ 132 FGO).

1. Der Kläger hat die Beschwerde nicht fristgerecht eingelegt. Nach § 116 Abs. 1 FGO kann die Nichtzulassung der Revision durch Beschwerde angefochten werden. Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils einzulegen (§ 116 Abs. 2 Satz 1 FGO) und innerhalb von zwei Monaten nach der Zustellung zu begründen (§ 116 Abs. 3 Satz 1 FGO).

Das angefochtene Urteil des FG ist der Prozessbevollmächtigten des Klägers am 1. Oktober 2001 zugestellt worden. Da der 1. November 2001 ein Feiertag war, gilt für die Berechnung der Frist § 54 Abs. 2 FGO i.V.m. § 222 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO), so dass die Frist zur Einlegung einer Nichtzulassungsbeschwerde mit Ablauf des 2. November 2001 endete. Die Beschwerdeschrift des Klägers ging aber verspätet, nämlich erst am 5. November 2001, beim BFH ein.

2. Dem Kläger kann die beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht gewährt werden. Die Prozessbevollmächtigte, deren Verschulden sich der Kläger wie eigenes Verschulden zurechnen lassen muss, hat nicht die gebotene und zumutbare Sorgfalt walten lassen.

a) Bei Versäumung einer gesetzlichen Frist wie etwa der Revisions- oder Beschwerdefrist ist auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn der Kläger ohne Verschulden verhindert war, die Frist einzuhalten (§ 56 FGO). Verschuldet ist die Versäumung, wenn die gebotene und nach den Umständen zumutbare Sorgfalt außer Acht gelassen wurde. Jedes Verschulden --also auch eine einfache Fahrlässigkeit-- schließt die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aus (BFH-Urteil vom 4. März 1986 VII R 78/84, BFH/NV 1986, 622; BFH-Beschlüsse vom 17. Februar 1993 VIII R 61/91, BFH/NV 1993, 614; vom 22. Juni 1994 II R 104/93, BFH/NV 1995, 134; vgl. Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 56 Rz. 11). Das Verschulden eines Vertreters ist dem Vertretenen zuzurechnen (§ 155 FGO i.V.m. § 85 Abs. 2 ZPO; vgl. auch § 110 Abs. 1 Satz 2 der Abgabenordnung --AO 1977--; zur Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs --BGH-- von Pentz, Neue Juristische Wochenschrift --NJW-- 2003, 858, 862).

b) Die Prozessbevollmächtigte vertrat die Kläger in den FG-Verfahren mit den Az. 7 K 276/00 und 7 K 277/00. Die beiden Klagen betreffen dieselben Streitjahre und Rechtsfragen und unterscheiden sich allein dadurch, dass sie zum einen die Einkommensteuer der verheirateten Kläger (Az. 7 K 276/00), zum anderen die Gewerbesteuer des Klägers (Az. 7 K 277/00) allein betreffen. Die Prozessbevollmächtigte hat persönlich am 1. November 2001 zwei mal den Schriftsatz mit der Beschwerde gegen das FG-Urteil mit dem Az. 7 K 276/00 --und zwar in jeweils dreifacher Ausfertigung-- sowie das betreffende FG-Urteil an den BFH gefaxt.

Am 5. November 2001 gingen die beiden Beschwerdeschriften betreffend die FG-Urteile 7 K 276/00 und 7 K 277/00 beim BFH ein. Nachdem die Vorsitzende des Senats mit Schreiben vom 14. November 2001 die Prozessbevollmächtigte darauf hingewiesen hatte, dass die Beschwerde betreffend das FG-Urteil 7 K 277/00 erst nach Fristablauf eingegangen sei, hat die Prozessbevollmächtigte mit Schreiben vom 29. November 2001 Wiedereinsetzung hinsichtlich der Nichtzulassungsbeschwerde XI B 181/01 beantragt. Sie macht geltend, hinsichtlich der beiden FG-Urteile am 1. November 2001 abends die Beschwerde per Fax eingelegt zu haben. Die für die Fristversäumung maßgeblichen Tatsachen sind im Übrigen offenkundig und gerichtsbekannt (vgl. Gräber/Koch, a.a.O., § 56 Rz. 48). Es ist offensichtlich, dass die Prozessbevollmächtigte Nichtzulassungsbeschwerde gegen die beiden FG-Urteile 7 K 276/00 und 7 K 277/00 erheben wollte, die dieselben Rechtsfragen und Streitjahre betrafen, wie sich auch daran zeigt, dass der Schriftsatz ein zweites mal in dreifacher Ausfertigung gesendet wurde, obwohl bereits der erste Sendebericht auf "OK" lautete und alle Seiten als gesendet angab.

c) Die Prozessbevollmächtigte hat demnach aus Versehen den nämlichen Schriftsatz in Sachen Einkommensteuer zwei mal gesendet, während sie die Beschwerde in Sachen Gewerbesteuermessbetrag nicht gefaxt hat. Sie hat nicht dargetan, dass dies nicht bei entsprechender Sorgfalt zu vermeiden gewesen wäre. Die Beachtung besonderer Sorgfalt war angesichts des bereits nahenden Fristendes umso mehr angezeigt (vgl. BGH-Entscheidung vom 30. Oktober 2002 XII ZB 18/01, Zeitschrift für das gesamte Familienrecht 2003, 667), als im Falle einer Faxübertragung in der Regel nicht mehr nachträglich in der Kanzlei überprüft werden kann, ob die richtigen Schriftstücke gesendet wurden und deshalb ein etwaiges Versehen nicht mehr korrigierbar ist.

Ein solcher auf leichter Fahrlässigkeit beruhender Fehlgriff der Prozessbevollmächtigten stellt keinen Entschuldigungsgrund dar. Jedes Verschulden --also auch eine einfache Fahrlässigkeit-- schließt die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aus (vgl. BFH in BFH/NV 1986, 622; in BFH/NV 1993, 614, und in BFH/NV 1995, 134). Mit der Aktenvorlage und Entscheidung, dass Beschwerde einzulegen sei, war das Stadium der Fachbearbeitung erreicht. Von diesem Zeitpunkt an trifft Prozessbevollmächtigte die volle Verantwortung für die fristgerechte Bearbeitung der Sache (BFH-Beschluss vom 23. Juni 1999 IV B 81/98, BFH/NV 1999, 1614). Für einen Bevollmächtigten unvermeidbar und unvorhersehbar (vgl. BFH-Beschluss vom 17. Dezember 1997 VIII B 27/97, BFH/NV 1998, 1218) kann das Büroversehen einer ansonsten zuverlässig arbeitenden Büroangestellten sein (vgl. BFH-Urteile vom 10. Februar 1971 I R 97/70, BStBl II 1971, 332; vom 10. Juni 1999 V R 33/97, BFHE 189, 573, BStBl II 2000, 235), nicht aber sein eigenes Versehen, mag ihm dies auch nur bei der technischen bzw. mechanischen Bearbeitung eines Schriftsatzes widerfahren.

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