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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 27.10.2008
Aktenzeichen: XI B 202/07
Rechtsgebiete: FGO, UStG, AO


Vorschriften:

FGO § 115 Abs. 2
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 2
FGO § 116 Abs. 3 Satz 3
UStG § 14 Abs. 2
AO § 75
AO § 75 Abs. 1 Satz 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

1. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) hat eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) nicht in einer den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO genügenden Weise dargelegt.

Soweit sich eine Nichtzulassungsbeschwerde auf grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) stützt, muss der Beschwerdeführer zunächst eine bestimmte für die Entscheidung des Streitfalls erhebliche abstrakte Rechtsfrage herausstellen und darlegen, aus welchen Gründen im Einzelnen die Klärung der Rechtsfrage durch die angestrebte Revisionsentscheidung aus Gründen der Rechtssicherheit, der Rechtseinheitlichkeit oder der Rechtsentwicklung im Allgemeininteresse liegt (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 27. Juni 1985 I B 27/85, BFHE 144, 137, BStBl II 1985, 625; vom 23. Oktober 2007 XI B 26/07, BFH/NV 2008, 213; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 116 Rz 32, m.w.N.).

a) Im Streitfall hat die Klägerin nicht schlüssig dargelegt, dass im Zusammenhang mit der Entscheidung des Finanzgerichts (FG), der Umsatzsteuerbescheid für 1996 sei der Steuerschuldnerin wirksam bekannt gegeben worden, eine abstrakte Rechtsfrage zu klären ist, die in ihrer Bedeutung über den Streitfall hinausgeht. Ihrem Vorbringen ist nicht zu entnehmen, dass eine insoweit entscheidungserhebliche Rechtsfrage in Rechtsprechung und Literatur umstritten ist und daher der Klärung bedarf. Der pauschale Hinweis, der BFH habe über eine bestimmte Rechtsfrage noch nicht entschieden, reicht nicht aus, um die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache darzulegen (vgl. BFH-Beschluss vom 8. August 2002 II B 62/01, BFH/NV 2003, 62; Gräber/Ruban, a.a.O., § 116 Rz 34, m.w.N.).

b) Auch sofern die Klägerin die Rechtsfrage für klärungsbedürftig hält, ob es sich bei einer aufgrund eines unrichtigen Steuerausweises nach § 14 Abs. 2 des Umsatzsteuergesetzes 1993 (UStG) geschuldeten Umsatzsteuer um eine auf den Betrieb des Unternehmens bezogene Steuer i.S. von § 75 der Abgabenordnung (AO) handelt, fehlen Ausführungen dazu, ob und inwieweit diese Rechtsfrage in Rechtsprechung und Literatur umstritten ist und daher der Klärung bedarf.

2. Die Ausführungen der Klägerin zur gegenständlichen Haftungsbeschränkung nach § 75 AO rechtfertigen die Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO nicht. Nach § 75 Abs. 1 Satz 2 AO beschränkt sich die Haftung auf den Bestand des übernommenen Vermögens. Das bedeutet, dass der Erwerber zwar persönlich haftet, aber berechtigt ist, die Zahlung mit der Folge zu verweigern, dass er die Zwangsvollstreckung in das übernommene Vermögen dulden muss (vgl. z.B. Loose in Tipke/ Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 75 AO Rz 61).

Etwas Anderes ergibt sich auch nicht aus dem Hinweis der Klägerin auf Tz. 4.3 des Anwendungserlasses zur Abgabenordnung zu § 75 AO. Soweit die Klägerin vorträgt, das Unternehmen (Grundstück) habe wegen der darauf ruhenden Belastungen überhaupt keine Sicherung für die Steuerschulden der Veräußerin dargestellt, rügt sie sinngemäß die rechtsfehlerhafte Überprüfung der Ermessensentscheidung des Beklagten und Beschwerdegegners (Finanzamt --FA--) durch das FG. Sie macht damit eine ihrer Meinung nach fehlerhafte rechtliche Würdigung durch das FG geltend. Dies ist kein Zulassungsgrund i.S. des § 115 Abs. 2 FGO.

Im Übrigen ist durch das --bereits vom FG zitierte-- BFH-Urteil vom 22. September 1992 VII R 73-74/91 (BFH/NV 1993, 215) geklärt, dass es im Hinblick auf die Haftungsbeschränkung nach § 75 Abs. 1 Satz 2 AO für die Rechtmäßigkeit eines Haftungsbescheides ausreicht, wenn er einen Hinweis auf die Beschränkung der Haftung enthält.

3. Soweit die Klägerin mit Schriftsatz vom 31. Januar 2008 erstmals rügt, die Entscheidung des FG weiche vom Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 29. April 1994 V ZR 280/92 (Betriebs-Berater 1994, 1378) sowie des BFH vom 16. März 1995 VII R 38/94 (BFHE 177, 209, BStBl II 1995, 859) ab, ist dieses Vorbringen nicht zu berücksichtigen, weil es erst nach Ablauf der Begründungsfrist eingegangen ist. Tatsächlich liegt insoweit eine Abweichung aber auch nicht vor.

a) Die Entscheidung des BGH ist zu einem vom Streitfall abweichenden Sachverhalt ergangen, so dass schon aus diesem Grund keine Divergenz gegeben ist (vgl. Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz 53, m.w.N.). Bei diesem Urteil ging es um die zivilrechtlichen Nebenpflichten des Grundstückseigentümers bei der Veräußerung des ihm gehörenden Grundstücks. Im Streitfall handelt es sich bei der das Grundstück veräußernden Bank hingegen schon nicht um den zivilrechtlichen Eigentümer.

b) Das FG-Urteil weicht auch nicht von dem Urteil des BFH in BFHE 177, 209, BStBl II 1995, 859 ab. Denn in dieser Entscheidung führt der BFH unter Hinweis auf weitere Rechtsprechung aus, dass die tatsächliche Verfügungsmöglichkeit einer Bank nicht ausreicht, um die Pflichten eines gesetzlichen Vertreters zu begründen. Vielmehr bedarf es auch der Fähigkeit, aufgrund bürgerlich-rechtlicher Verfügungsmacht im Außenverhältnis wirksam zu handeln. Mit den Grundsätzen dieser Rechtsprechung steht die Entscheidung der Vorinstanz im Einklang. Denn das FG weist in seinem Urteil ausdrücklich darauf hin, dass die der Bank erteilte Vollmacht diese zivilrechtlich nicht ermächtigt hat, über den vereinnahmten Veräußerungserlös zu verfügen.

4. Soweit die Klägerin sinngemäß rügt, ihr Hinweis auf den Grundstücksverkauf sei nicht protokolliert worden und das Protokoll über die mündliche Verhandlung sei unvollständig, genügt dies zur Darlegung eines Verfahrensfehlers (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) nicht. Die Klägerin hätte insoweit u.a. vortragen müssen, dass das Gericht die Aufnahme bestimmter Äußerungen und Anträge in das Protokoll abgelehnt habe (vgl. § 94 FGO i.V.m. § 160 Abs. 4 der Zivilprozessordnung) und ihr Prozessbevollmächtigter von der Möglichkeit Gebrauch gemacht habe, die Berichtigung des Protokolls zu beantragen (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 30. September 2003 XI B 167/01, BFH/NV 2004, 212, m.w.N.).

5. Eine Verletzung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes, § 96 Abs. 2 FGO) wegen einer "Überraschungsentscheidung" liegt nicht vor. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH liegt eine sog. Überraschungsentscheidung vor, wenn das Gericht in seinem Urteil ohne vorherigen Hinweis auf einen rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt abstellt, mit dem auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbevollmächtigter selbst unter Berücksichtigung der Vielzahl vertretbarer Rechtsauffassungen nicht zu rechnen brauchte (vgl. z.B. Beschlüsse vom 16. Februar 2006 X B 126/05, BFH/NV 2006, 1125; vom 1. April 2008 XI B 223/07, BFH/NV 2008, 1218). Ein Hinweis auf nahe liegende rechtliche oder tatsächliche Gesichtspunkte ist zumindest dann nicht erforderlich, wenn der Kläger fachkundig vertreten ist (vgl. BFH-Beschluss vom 16. August 2006 V B 207/05, BFH/NV 2006, 2283).

Im Streitfall hatte die Klägerin ausreichend Gelegenheit, sich schriftsätzlich oder in der mündlichen Verhandlung dazu zu äußern, ob auch nach § 14 Abs. 2 UStG geschuldete Umsatzsteuer eine betriebliche Steuer i.S. von § 75 AO ist. Zum einen hat das FA auf Seite 7 seiner Einspruchsentscheidung bereits hierauf abgestellt, zum anderen musste der fachkundig vertretenen Klägerin auch bewusst gewesen sein, dass nach der damals geltenden Rechtslage sich der Haftungsbescheid nur auf Umsatzsteuer wegen unrichtigen Steuerausweises nach § 14 Abs. 2 UStG beziehen konnte.

6. Es liegt auch kein Verfahrensmangel darin, dass --wie die Klägerin rügt-- das FG trotz der Aufforderung der Klägerin einen Nachweis für die Bekanntgabe des Umsatzsteuerbescheides 1996 als nicht erforderlich angesehen hat. Die Klägerin rügt damit sinngemäß die fehlerhafte Beurteilung der Grundsätze über die Verteilung der Beweislast. Die Grundsätze der Verteilung der Beweislast sind revisionsrechtlich jedoch dem materiellen Recht zuzuordnen und deshalb der Beurteilung des BFH im Rahmen einer Verfahrensrevision entzogen (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 22. Juni 1999 X B 25/99, BFH/NV 1999, 1612; vom 11. November 2004 V B 82/04, BFH/NV 2005, 568; Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz 82, m.w.N.).

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