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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 11.07.2007
Aktenzeichen: XI R 17/05
Rechtsgebiete: AO, RAO, FGO


Vorschriften:

AO § 129
AO § 129 Satz 1
AO § 169 Abs. 1
AO § 169 Abs. 2 Nr. 2
AO § 233a
AO § 233a Abs. 2a
AO § 233a Abs. 7
AO § 239 Abs. 1 Satz 3
RAO § 92 Abs. 2
FGO § 102 Satz 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) wurden für das Streitjahr 1998 beim Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt --FA--) als Eheleute zusammen zur Einkommensteuer veranlagt.

Im August 2000 führte das FA die Einkommensteuerveranlagung für das Jahr 1998 durch. Dabei berücksichtigte es einen Verlustrücktrag in Höhe von xxx.xxx DM aus dem Folgejahr. Mit Bescheid vom 31. August 2000 setzte es die Einkommensteuer 1998 auf xxx.xxx DM fest. Die nachzuzahlende Einkommensteuer 1998 nach Abzug von Steuerabzugsbeträgen und vorab geleisteten Vorauszahlungen betrug xxx.xxx DM.

Bei der Einkommensteuerveranlagung 1998 veranlasste die zuständige Bearbeiterin eine gesonderte Zinsberechnung durch das Rechenprogramm. In die dafür vorgesehene Kennziffer 120 (Kz. 120) des Rechenprogramms war der Unterschiedsbetrag zwischen der tatsächlich nachzuzahlenden Einkommensteuer (hier: unstreitig xxx.xxx DM) und der nachzuzahlenden Einkommensteuer, die sich ohne den Verlustrücktrag ergeben hätte (hier: unstreitig xxx.xxx DM), einzutragen. Die Bearbeiterin gab den zahlenmäßig richtigen Unterschiedsbetrag --nämlich xxx.xxx-- statt mit einem negativen Vorzeichen ohne ein Vorzeichen ein. Der Computer berechnete daraufhin die Zinsen unter Zugrundelegung von falschen Teil-Unterschiedsbeträgen i.S. von § 233a Abs. 2a, Abs. 7 der Abgabenordnung (AO) und errechnete Erstattungszinsen zu Gunsten der Kläger in Höhe von x.xxx DM (x.xxx €).

Die Festsetzung der Erstattungszinsen wurde mit dem Einkommensteuerbescheid 1998 verbunden.

Nach Aufdeckung des Fehlers erließ das FA unter dem 18. März 2002 einen geänderten Zinsbescheid, mit dem es die Zinsen auf x.xxx € (x.xxx DM) festsetzte und die Kläger zur Zahlung dieses Betrags zuzüglich des zuvor fälschlich erstatteten Betrags aufforderte.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage nach erfolglosem Einspruch ab, weil es in dem Fehler des FA eine offenbare Unrichtigkeit i.S. von § 129 AO sah. Zur Begründung führte es im Wesentlichen aus: Die Bearbeiterin habe mit der Eingabe des zahlenmäßig richtigen Betrags in Kz. 120 keine Erstattungszinsen zu Gunsten der Kläger, sondern Nachforderungszinsen festsetzen wollen. Sie habe keinen Rechtsanwendungsfehler begangen. Vielmehr liege entweder ein zur Berichtigung nach § 129 Satz 1 AO berechtigender Irrtum über die Bedeutung des Vorzeichens für das Rechenprogramm vor oder ein Übertragungsfehler, der als Flüchtigkeitsfehler ebenfalls zu einer Berichtigung nach § 129 Satz 1 AO berechtige. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2005, 1504 veröffentlicht.

Mit der vom FG wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassenen Revision machen die Kläger die Verletzung des § 129 AO geltend.

Die Kläger beantragen sinngemäß, das Urteil des FG vom 9. März 2005 und den geänderten Bescheid über Zinsen zur Einkommensteuer 1998 vom 18. März 2002 sowie die dazu ergangene Einspruchsentscheidung vom 16. Juli 2004 aufzuheben.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

II. Die Revision ist unbegründet. Sie war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FA durfte die ursprüngliche Zinsfestsetzung für das Streitjahr nach § 129 Satz 1 AO berichtigen.

1. a) Nach § 129 Satz 1 AO kann die Finanzbehörde Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten, die beim Erlass eines Verwaltungsakts unterlaufen sind, ohne Zustimmung des Steuerpflichtigen und auch zu seinen Lasten jederzeit berichtigen. Das gilt auch dann, wenn ein Zinsbescheid bestandskräftig geworden ist, jedoch die Festsetzungsfrist gemäß § 239 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. § 169 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 AO noch nicht abgelaufen ist.

Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) entspricht die Vorschrift des § 129 AO hinsichtlich des Begriffs der offenbaren Unrichtigkeit der des § 92 Abs. 2 der Reichsabgabenordnung (vgl. BFH-Urteil vom 9. Oktober 1979 VIII R 226/77, BFHE 129, 5, BStBl II 1980, 62). Ähnliche offenbare Unrichtigkeiten sind mechanische Fehler, die ebenso mechanisch, d.h. ohne weitere Prüfung erkannt und berichtigt werden können, wie z.B. Übertragungsfehler (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Urteil vom 14. Juni 1991 III R 64/89, BFHE 165, 438, BStBl II 1992, 52, m.w.N.).

Fehler bei Eintragungen in Eingabewertbögen für die automatische Datenverarbeitung können als rein mechanische Versehen ähnliche offenbare Unrichtigkeiten im vorgenannten Sinne sein, etwa bei Irrtümern über den Ablauf des maschinellen Verfahrens, Nichtbeachtung der für das maschinelle Veranlagungsverfahren geltenden Dienstanweisungen, Übersehen notwendiger Eintragungen oder Verwendung falscher Schlüsselzahlen (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Urteile vom 5. Oktober 1967 IV R 84/67, BFHE 90, 106, BStBl III 1967, 793; vom 31. Juli 1975 V R 121/73, BFHE 116, 462, BStBl II 1975, 868; in BFHE 129, 5, BStBl II 1980, 62; vom 27. März 1987 VI R 63/84, BFH/NV 1987, 480; vom 10. Mai 1989 I R 104/85, BFH/NV 1990, 478; vom 27. März 1996 I R 83/94, BFHE 180, 227, BStBl II 1996, 509; vom 5. Februar 1998 IV R 17/97, BFHE 185, 345, BStBl II 1998, 535). Entgegen der Ansicht des FG Baden-Württemberg (Beschluss vom 8. Februar 2000 14 V 29/99, juris Nr: STRE200070859) sind die für das maschinelle Veranlagungsverfahren geltenden Dienstanweisungen keine Rechtsanwendungsvorschriften, deren Nichtbeachtung zwangsläufig zu einem Rechtsanwendungsfehler führt. Vielmehr kann auch in der Nichtbeachtung einer solchen Dienstanweisung ein mechanisches Versehen i.S. von § 129 AO liegen (BFH-Urteile in BFH/NV 1987, 480; in BFH/NV 1990, 478; in BFHE 180, 227, BStBl II 1996, 509; Klein/Brockmeyer, AO, 9. Aufl., § 129 Rz 6; Pahlke/ Koenig/Pahlke, Abgabenordnung § 129 Rz 42; Tipke in Tipke/ Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 129 AO Rz 26).

b) Im Streitfall ist das FG zu Recht davon ausgegangen, dass die Grundsätze, die in Bezug auf Eintragungen in Eingabewertbögen für die automatische Datenverarbeitung entwickelt wurden, entsprechend gelten müssen, wenn Daten direkt in die automatische Datenverarbeitung eingegeben werden. Denn es kann für die Entscheidung über die Beurteilung eines Fehlers als offenbare Unrichtigkeit keinen Unterschied machen, ob die --fehlerhafte-- Eintragung auf einem Vordruck in Papierform oder direkt als Eingabe in einen Computer vorgenommen worden ist.

Sowohl bei Eintragungen in Eingabewertbögen als auch bei der Direkteingabe in die automatische Datenverarbeitung ist denkbar, dass fehlerhafte Eintragungen bzw. Eingaben auf einem Rechtsirrtum beruhen. Denn durch die Zuordnung von Daten zu bestimmten Kennziffern wird auch der Wille zu einer bestimmten rechtlichen Behandlung dieser Daten durch das festgelegte Datenverarbeitungsprogramm dokumentiert (vgl. BFH-Urteil in BFHE 185, 345, BStBl II 1998, 535). Besteht die nicht nur theoretische Möglichkeit eines Fehlers bei der Auslegung oder Nichtanwendung einer Rechtsnorm, liegt kein bloßes mechanisches Versehen und damit auch keine offenbare Unrichtigkeit vor, ebenso nicht bei einer unrichtigen Tatsachenwürdigung, bei der unzutreffenden Annahme eines in Wirklichkeit nicht vorliegenden Sachverhalts, bei Fehlern, die auf mangelnder Sachaufklärung bzw. Nichtbeachtung feststehender Tatsachen beruhen, oder Denkfehlern bei der Sachverhaltswürdigung (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Urteile in BFHE 180, 227, BStBl II 1996, 509, m.w.N.; in BFHE 185, 345, BStBl II 1998, 535, m.w.N.; vom 30. Oktober 1997 III R 27/93, BFH/NV 1998, 942).

c) "Offenbar" ist ein Fehler immer nur dann, wenn er als solcher auf der Hand liegt und aus sich heraus offen zu Tage tritt, nicht aber, wenn er erst durch Abfrage subjektiver Einschätzungen seinerzeit Beteiligter ermittelt und auf diese Weise "offenbart" wird (BFH-Urteil vom 29. Januar 2003 I R 20/02, BFH/NV 2003, 1139, m.w.N.). Die Gerichte brauchen daher nicht den jeweils tätig gewordenen Bearbeiter als Zeugen zu vernehmen, sondern können sich allein auf den Akteninhalt stützen.

Auch wenn nur das offenbar ist, was für alle Beteiligten durchschaubar, erkennbar, eindeutig oder augenfällig ist (vgl. dazu z.B. BFH-Urteile vom 28. November 1985 IV R 178/83, BFHE 145, 226, BStBl II 1986, 293, m.w.N.; vom 2. April 1987 IV R 255/84, BFHE 149, 490, BStBl II 1987, 762; vom 17. Februar 1993 X R 47/91, BFH/NV 1993, 638, m.w.N.), so muss der Fehler für den Bescheidadressaten dennoch nicht unmittelbar dem fehlerhaften Bescheid selbst zu entnehmen sein (z.B. BFH-Urteile vom 31. März 1987 VIII R 46/83, BFHE 149, 478, BStBl II 1987, 588, m.w.N.; vom 8. April 1987 II R 236/84, BFHE 149, 413, BStBl II 1988, 164; vom 21. Oktober 1987 IX R 156/84, BFH/NV 1988, 277, m.w.N.). Indem der Wortlaut des § 129 Satz 1 AO auf "offenbare Unrichtigkeiten, die beim Erlass eines Verwaltungsakts unterlaufen sind", abstellt, kommt es entscheidend auf die Umstände bei der Entscheidungsfindung und demzufolge vornehmlich auf den Akteninhalt an (vgl. BFH-Urteil vom 25. Februar 1992 VII R 8/91, BFHE 168, 6, BStBl II 1992, 713). Maßgebend ist deshalb, ob der Fehler bei Offenlegung des aktenkundigen Sachverhalts für jeden unvoreingenommenen Dritten klar und deutlich als offenbare Unrichtigkeit erkennbar ist (z.B. BFH-Urteile in BFH/NV 1988, 277, m.w.N., und vom 15. März 1994 XI R 78/92, BFH/NV 1995, 937, m.w.N.). Dabei genügt die Offenbarkeit der Unrichtigkeit als solche; nicht dagegen ist erforderlich, dass für den Bescheidadressaten auch der an Stelle des unrichtigen zu setzende richtige Inhalt des Bescheids offenbar ist (BFH-Urteil in BFH/NV 1995, 937).

d) Ob ein mechanisches Versehen oder ein die Berichtigung nach § 129 AO ausschließender Tatsachen- oder Rechtsirrtum vorliegt, ist nach den Verhältnissen des Einzelfalls und dabei insbesondere nach der Aktenlage zu beantworten (BFH-Urteile in BFH/NV 1998, 942, m.w.N.; in BFHE 185, 345, BStBl II 1998, 535, m.w.N.; vom 31. Juli 2002 X R 49/00, BFH/NV 2003, 2; vom 16. Juli 2003 X R 37/99, BFHE 203, 14, BStBl II 2003, 867).

2. a) Im Streitfall ist das FG zutreffend davon ausgegangen, dass die Bearbeiterin im FA mit der Eingabe des zahlenmäßig richtigen Unterschiedsbetrags in Kz. 120 eine Berechnung von Nachforderungszinsen anstoßen wollte. Es liegt völlig fern, dass sie mit der Eingabe in Kz. 120 eine abweichende Zinsberechnung deshalb veranlassen wollte, weil sie der irrigen Auffassung gewesen wäre, die Steuernachforderung, die sich bei der erstmaligen Einkommensteuerfestsetzung für den Veranlagungszeitraum 1998 unter Berücksichtigung des Verlustrücktrags aus dem Folgejahr ergab, würde zu einer Zinserstattung führen. Bei der gegebenen Fallkonstellation (Steuernachforderung bei Erstveranlagung) versteht es sich von selbst, dass es nur zu Nachforderungszinsen kommen kann, nicht aber zu Erstattungszinsen. Ein Denkfehler bei der Sachverhaltswürdigung erscheint bei dieser Fallkonstellation ausgeschlossen.

b) Das FG hat aufgrund des vorgelegten Auszugs aus der Dienstanweisung für die Dateneingabe ("Arbeitsanleitung für das Festsetzungsverfahren (AL-Fest)") sowie der Vernehmung der Prüferin der Oberfinanzdirektion als sachverständige Zeugin festgestellt, dass das von der Bearbeiterin verwendete Rechenprogramm bei zusätzlicher Eingabe eines negativen Vorzeichens Nachforderungszinsen in korrekter Höhe berechnet hätte. Die daran anknüpfende Würdigung des FG, die Nichteingabe des negativen Vorzeichens sei als mechanischer Fehler zu werten, der einem Rechenfehler ähnlich sei, ist nicht zu beanstanden. Denn es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass die Nichteingabe des negativen Vorzeichens auf einem Rechtsanwendungsfehler beruhen könnte. Dies gilt unabhängig davon, ob die Bearbeiterin den richtig errechneten Betrag lediglich ohne Vorzeichen übertragen hat oder ob sie der irrigen Annahme war, ein ohne Vorzeichen eingegebener Betrag werde vom Rechenprogramm zur nachzuzahlenden Einkommensteuer von xxx.xxx DM hinzuaddiert. Im ersteren Fall würde es sich um einen Flüchtigkeitsfehler handeln, der als typisches mechanisches Versehen zur Berichtigung nach § 129 AO berechtigt, und im letzteren Fall um einen ebenfalls zur Berichtigung nach § 129 AO berechtigenden Irrtum über den Programmablauf, etwa aufgrund Nichtbeachtung der Dienstanweisung für die Dateneingabe.

Der mechanische Fehler, der der Bearbeiterin unterlaufen ist, konnte auch ebenso mechanisch, d.h. ohne weitere Prüfung berichtigt werden. Da das Rechenprogramm nach den Feststellungen des FG bei zusätzlicher Eingabe eines negativen Vorzeichens Nachforderungszinsen in korrekter Höhe berechnet hätte, brauchte lediglich ein negatives Vorzeichen vor dem bereits zahlenmäßig richtig eingegebenen Betrag in das Rechenprogramm eingegeben zu werden.

c) Ebenfalls nicht zu beanstanden ist die Vorentscheidung, soweit die Unrichtigkeit vom FG als offenbar i.S. des § 129 AO angesehen wird.

Der Einkommensteuerbescheid 1998, mit dem der ursprüngliche Zinsbescheid verbunden war, weist eine Steuernachforderung aus. Damit lag für den Bescheidadressaten auf der Hand, dass sich keine Zinserstattung ergeben konnte und die dennoch festgesetzten Erstattungszinsen auf einem beim Erlass des Zinsbescheids unterlaufenen Fehler beruhen mussten. Der offengelegte Sachverhalt ergab außerdem, dass der beim Erlass des Zinsbescheids unterlaufene Fehler darin lag, dass der zahlenmäßig richtige Betrag für die abweichende Berechnung von Nachforderungszinsen nach § 233a Abs. 2a, Abs. 7 AO ohne das erforderliche negative Vorzeichen in das Rechenprogramm eingegeben worden war. Für jeden unvoreingenommenen Dritten war damit augenfällig, dass es sich um einen mechanischen Fehler bei der Umsetzung des Gewollten (Festsetzung von Nachforderungszinsen) handelte.

3. a) Die Offenbarkeit des Fehlers wird entgegen der Ansicht der Kläger nicht dadurch beseitigt, dass die Bearbeiterin den Fehler hätte bemerken müssen, wenn sie beispielsweise eine Plausibilitätskontrolle durchgeführt hätte. Eine oberflächliche Behandlung eines Steuerfalls durch die Finanzbehörde hindert eine Berichtigung nach dieser Vorschrift nicht (BFH-Urteile in BFHE 145, 226, BStBl II 1986, 293; vom 10. September 1987 V R 69/84, BFHE 150, 509, BStBl II 1987, 834; vom 4. November 1992 XI R 40/91, BFH/NV 1993, 509). Denn die Anwendbarkeit der Vorschrift des § 129 AO ist nicht von Verschuldenserwägungen abhängig und damit auch nicht von einem eventuellen Organisationsverschulden (vgl. BFH-Urteil in BFHE 145, 226, BStBl II 1986, 293, m.w.N.). Sie kann sich zu Gunsten wie zu Lasten des Steuerpflichtigen auswirken.

b) Die Annahme einer offenbaren Unrichtigkeit scheitert entgegen der Revision im Streitfall auch nicht daran, dass nach der Rechtsprechung im Falle der Überprüfung durch den Bearbeiter selbst oder einen Sachgebietsleiter die Möglichkeit besteht, dass die fehlerhafte Berechnung bewusst als rechtlich zutreffend gebilligt wird und damit ein die Berichtigung nach § 129 AO ausschließender Rechtsirrtum eintritt (vgl. dazu BFH-Urteile vom 18. April 1986 VI R 4/83, BFHE 146, 350, BStBl II 1986, 541, m.w.N.; vom 4. Juni 1986 IX R 52/82, BFHE 147, 393, BStBl II 1987, 3; in BFHE 150, 509, BStBl II 1987, 834). Denn für die Annahme, dass im Streitfall eine Überprüfung der Zinsberechnung oder -festsetzung stattgefunden hat, liegen keine Anhaltspunkte vor. Die bei der Einkommensteuerveranlagung 1998 vorgenommene Intensivprüfung und der im Rahmen der computermäßigen Erstellung des Einkommensteuerbescheids 1998 ergangene Prüfhinweis lassen nicht auf eine inhaltliche Kontrolle der Zinsberechnung oder -festsetzung durch die Bearbeiterin selbst oder den Sachgebietsleiter schließen. Die Intensivprüfung bezog sich ausweislich des in den Einkommensteuerakten befindlichen Vermerks vom 17. August 2000 nur auf die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Der Prüfhinweis E1-0998 und dementsprechend auch der handschriftliche Erledigungsvermerk dazu betrafen nur die Fragen, ob wegen der Höhe der Einkommensteuerschuld ein Schreiben zur Anforderung der Einkommensteuererklärungen für Folgejahre ergehen solle und ob die Vorauszahlungen anzupassen seien.

c) Das Vorliegen einer offenbaren Unrichtigkeit wird auch nicht dadurch ausgeschlossen, dass es sich bei § 233a Abs. 2a, Abs. 7 AO um eine komplizierte und nicht auf den ersten Blick verständliche Regelung handelt, die erst durch das Jahressteuergesetz 1997 vom 20. Dezember 1996 (BGBl I 1996, 2049) in § 233a AO eingefügt worden ist. Ergibt sich --wie hier--, dass die Finanzbehörde eine bestimmte Entscheidung getroffen hat, die lediglich durch ein mechanisches Versehen fehlerhaft umgesetzt worden ist, kann auch in solchen Fällen eine offenbare Unrichtigkeit gegeben sein.

d) Eine im konkreten Fall festgestellte offenbare Unrichtigkeit wird entgegen der Ansicht der Kläger nicht dadurch zu einem die Berichtigung nach § 129 AO ausschließenden Tatsachen- oder Rechtsirrtum, dass der gleiche Fehler noch in anderen Fällen vorgekommen ist (vgl. BFH-Urteil vom 28. September 1984 III R 10/81, BFHE 142, 202, BStBl II 1985, 32). Wird aufgrund der Würdigung der Umstände des Einzelfalls ein Fehler als offenbare Unrichtigkeit i.S. von § 129 AO beurteilt, kommt es nicht darauf an, ob, wie von den Klägern vorgetragen, der gleiche Fehler mehrfach in demselben FA und auch in anderen FÄ unterlaufen ist. Es bleibt eine Frage der Einzelfallwürdigung, ob auch in den anderen Fällen, in denen der gleiche Fehler unterlaufen ist, jeweils offenbare Unrichtigkeiten i.S. von § 129 AO vorliegen.

4. Die Unrichtigkeit im Streitfall war --wie geschehen-- durch Erlass eines geänderten Bescheids über Zinsen zur Einkommensteuer 1998 zu beseitigen. Dass der geänderte Bescheid vom 18. März 2002 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 16. Juli 2004 rechnerisch falsch wäre, ist nicht ersichtlich und auch nicht von den Klägern geltend gemacht worden. Die von den Klägern als fehlerhaft gerügte Angabe des zu zahlenden Betrags von x.xxx,xx € als x.xxx,xx DM im Änderungsbescheid vom 18. März 2002 ist in der Einspruchsentscheidung vom 16. Juli 2004 richtig gestellt worden.

5. Die Entscheidung des FA, von der Berichtigungsmöglichkeit des § 129 Satz 1 AO Gebrauch zu machen, weist keinen Ermessensfehler i.S. des § 102 Satz 1 FGO auf. Einer besonderen Begründung der Ermessensausübung durch das FA bedurfte es nach der Sachlage im Streitfall nicht. Jede andere Entscheidung des FA wäre in der Sache ermessensfehlerhaft gewesen, d.h., das Ermessen des FA war auf Null reduziert. Denn Finanzbehörden sind verpflichtet, Nachforderungszinsen geltend zu machen. Liegen die Voraussetzungen für eine solche Geltendmachung und zugleich die Voraussetzungen des § 129 Satz 1 AO vor, so hat eine Berichtigung zu erfolgen (vgl. BFH-Urteil vom 28. Oktober 1992 II R 111/89, BFH/NV 1993, 637).

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