Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 14.05.2003
Aktenzeichen: XI R 23/02
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 24 Nr. 1 Buchst. a
EStG § 34
Zahlt ein Arbeitgeber einem Arbeitnehmer im Zeitpunkt der Entlassung eine Abfindung und in einem späteren Veranlagungszeitraum eine Jubiläumszuwendung, die dieser bei Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erhalten hätte, kann die Jubiläumszuwendung eine für die Tarifbegünstigung der Hauptentschädigung unschädliche Entschädigungszusatzleistung sein.
Gründe:

I.

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger), der mit der Klägerin und Revisionsbeklagten zusammenveranlagt wird, war seit 1969 bei der D-KG beschäftigt. Auf Veranlassung des Arbeitgebers endete sein Anstellungsverhältnis zum 31. Dezember 1993. Nach dem zwischen der D-KG und dem Kläger geschlossenen Vertrag vom 16. März 1993 sollte der Kläger u.a. eine am 31. Dezember 1993 fällige Abfindung in Höhe von 120 000 DM und zum 1. November 1994 die bei 25-jähriger Betriebszugehörigkeit übliche Jubiläumszuwendung in Höhe eines Bruttogehalts von 6 389 DM erhalten. Die Abfindung wurde vereinbarungsgemäß im Jahr 1993 und die Jubiläumszuwendung in Höhe von 5 290 DM im Jahr 1994 ausbezahlt.

Die Kläger reichten die Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 1993 und die Einkommensteuererklärung für 1994 gleichzeitig beim Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt --FA--) ein. In der Einkommensteuererklärung für 1993 erklärten sie, dass der Kläger zum 31. Dezember 1993 bei der D-KG ausgeschieden sei und eine steuerpflichtige Entschädigung in Höhe von 90 000 DM erhalten habe. Sie legten die Lohnsteuerbescheinigung für 1993 vor. In der Steuererklärung für 1994 teilten sie mit, dass der Kläger in der Zeit vom 1. Januar bis 31. Dezember arbeitslos gewesen sei. Sie erklärten --entsprechend der Angaben in der ebenfalls vorgelegten Lohnsteuerbescheinigung der D-KG für 1994-- die als "Jubiläumsgeld" bezeichnete Zuwendung als Arbeitslohn für mehrere Jahre.

Das FA besteuerte im Streitjahr 1993 den steuerpflichtigen Teil der Entschädigung tarifbegünstigt gemäß § 34 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Der Steuerbescheid für 1993 erging endgültig und wurde bestandskräftig.

Nach einer Lohnsteueraußenprüfung bei der D-KG änderte das FA den Einkommensteuerbescheid 1993 gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO 1977). Aufgrund des im Veranlagungszeitraum 1994 gezahlten Jubiläumsgeldes fehle es an der für § 34 Abs. 1 EStG notwendigen Zusammenballung von Einkünften. Die Voraussetzungen für eine Änderung nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 seien erfüllt, weil bei Erlass des Einkommensteuerbescheides 1993 nicht bekannt gewesen sei, dass die im Jahr 1994 gezahlte Jubiläumszuwendung auf dem in der Aufhebungsvereinbarung geschaffenen Rechtsgrund beruhe. Das FA habe seinerzeit davon ausgehen können, dass Anspruchsgrundlage für das 1994 gezahlte Jubiläumsgeld nicht der Aufhebungsvertrag sei.

Die Klage gegen den Einkommensteueränderungsbescheid für 1993 hatte Erfolg. Das FA sei nach Treu und Glauben gehindert gewesen, den Einkommensteuerbescheid 1993 gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 zu ändern (Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2002, 1348).

Mit seiner Revision rügt das FA Verletzung des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 und des § 34 Abs. 1 EStG. Die Kläger hätten ihre Mitwirkungspflicht dadurch verletzt, dass sie ihren Einkommensteuererklärungen für 1993 und 1994 nicht den Vertrag vom 16. März 1993 beigefügt hätten. Die Zahlung der Jubiläumszuwendung sei mit den aus sozialer Fürsorge erbrachten Entschädigungszusatzleistungen im Sinne der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) nicht zu vergleichen. Insbesondere sei das Jubiläumsgeld nicht zur Erleichterung des Arbeitsplatzverlustes oder zur Anpassung an eine dauerhafte Arbeitslosigkeit gezahlt worden.

Das FA beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

II.

Die Revision des FA ist unbegründet. Das Finanzgericht (FG) hat im Ergebnis zu Recht der Klage stattgegeben. Die im Streitjahr gezahlte Abfindung ist trotz der Auszahlung der Jubiläumszuwendung im folgenden Veranlagungszeitraum gemäß § 24 Nr. 1 Buchst. a i.V.m. § 34 Abs. 1, 2 Nr. 2 EStG tarifbegünstigt zu besteuern.

1. Nach nunmehr ständiger Rechtsprechung des BFH setzt die Tarifbegünstigung nach § 34 Abs. 1 EStG grundsätzlich den zusammengeballten Zufluss der Entschädigung in einem Veranlagungszeitraum voraus. Nur dann handelt es sich um außerordentliche Einkünfte i.S. des § 34 Abs. 2 Nr. 2 EStG (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 14. August 2001 XI R 22/00, BFHE 196, 500, BStBl II 2002, 180, m.w.N.; vom 24. Januar 2002 XI R 2/01, BFHE 197, 526, BFH/NV 2002, 715). Einkünfte, die keine Entschädigung sind, wie beispielsweise Leistungen, die in Erfüllung bestehender Ansprüche erbracht werden oder Einkünfte aus einer ehemaligen Tätigkeit i.S. des § 24 Nr. 2 EStG (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 20. März 1987 VI R 61/84, BFH/NV 1987, 498; vom 6. November 2002 XI R 2/02, BFH/NV 2003, 745; BFH-Beschluss vom 12. Januar 2000 XI B 99/98, BFH/NV 2000, 712), berühren die Tarifbegünstigung außerordentlicher Einkünfte auch dann nicht, wenn sie Gegenstand einer Entlassungsvereinbarung sind und dem Steuerpflichtigen nicht im Jahr der Entschädigungszahlung zufließen.

Bei einer Entschädigung, die in mehreren Veranlagungszeiträumen ausgezahlt wird, ist auf die Hauptentschädigungzahlung § 34 EStG allerdings auch dann anzuwenden, wenn in anderen Veranlagungszeiträumen aus Gründen der sozialen Fürsorge für eine gewisse Übergangszeit Entschädigungszusatzleistungen gewährt werden. Dazu gehören insbesondere solche Leistungen, die der frühere Arbeitgeber dem Steuerpflichtigen zur Erleichterung des Arbeitsplatz- oder Berufswechsels oder als Anpassung an eine dauerhafte Berufsaufgabe und Arbeitslosigkeit erbringt. Die Unbeachtlichkeit dieser ergänzenden Zusatzleistungen beruht auf einer zweckentsprechenden Auslegung des § 34 EStG unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit. Der Senat verweist insoweit zur Vermeidung von Wiederholungen auf seine Entscheidungen in BFHE 196, 500, BStBl II 2002, 180, und vom 6. März 2002 XI R 16/01 (BFHE 198, 484, BFH/NV 2002, 1379). Zusatzleistungen aus Gründen der sozialen Fürsorge setzen weder eine Bedürftigkeit des entlassenen Arbeitnehmers noch eine nachvertragliche Fürsorgepflicht des Arbeitgebers im arbeitsrechtlichen Sinne voraus (BFH-Urteil vom 3. Juli 2002 XI R 80/00, BFHE 199, 395, BFH/NV 2002, 1645).

2. Bei Anwendung der vorgenannten Grundsätze kann die Revision des FA keinen Erfolg haben.

Der Senat kann im Streitfall offen lassen, ob der Kläger im Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses bereits einen arbeitsrechtlichen Anspruch auf ein --ggf. zeitanteilig gekürztes-- Jubiläumsgeld erworben hatte und die Zahlung des Jubiläumsgeldes keine Entschädigungsleistung i.S. des § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG, sondern Erfüllungsleistung ist (so wohl Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen --BMF-- vom 18. Dezember 1998 IV A 5 -S 2290- 18/98, BStBl I 1998, 1512 Tz. 4 zu verstehen). Als solche würde es die Tarifbegünstigung der Entschädigung nicht berühren. Aber auch als Entschädigungsleistung würde die Zahlung des Jubiläumsgeldes im folgenden Veranlagungszeitraum die Tarifbegünstigung für die im Streitjahr gezahlte Hauptentschädigung nicht entfallen lassen. Zahlt ein Arbeitgeber einem Arbeitnehmer, der nach 24-jähriger Betriebszugehörigkeit aus betrieblichen Gründen entlassen wird, eine Jubiläumszuwendung im Zeitpunkt des (fiktiven) 25-jährigen "Jubiläums", so ist der Grund hierfür in der sozialen Fürsorge des (früheren) Arbeitgebers für seinen entlassenen Arbeitnehmer zu sehen, da der Anspruch auf die Jubiläumszuwendung --zumindest weitestgehend-- durch die bis zum Ausscheiden erwiesene Betriebstreue erworben worden ist.

3. Auf die Frage, ob das FA im Streitfall den ursprünglichen Einkommensteuerbescheid gemäß § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO 1977 ändern konnte, kommt es nicht mehr an.

Ende der Entscheidung

Zurück