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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 10.09.1999
Aktenzeichen: XI R 31/98
Rechtsgebiete: EStG, FGO, StBerG


Vorschriften:

EStG § 4 Abs. 3
FGO § 116 Abs. 1 Nr. 3
FGO § 62 Abs. 2 Satz 2
FGO § 124 Abs. 1
StBerG § 36 Abs. 4
StBerG § 37b Abs. 2 bis 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe

I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind miteinander verheiratet und wurden in den Streitjahren zusammen zur Einkommensteuer veranlagt.

Der Kläger betreibt eine Gaststätte; der Gewinn wurde nach § 4 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ermittelt. Aufzeichnungen führte der Kläger über den Wareneingang, die Übernachtungserlöse und die in Rechnung gestellten Aufwendungen. Die Einnahmen aus dem Verkauf von Speisen und Getränken schätzte der Kläger wie in den Vorjahren mit einem Aufschlag von 80 v.H. auf den um den Eigenverbrauch und um die Personalverpflegung gekürzten Wareneinsatz. Den Wareneinsatz setzte der Kläger, der keine Bestandsaufnahmen durchführte, in den Streitjahren 1987 und 1988 mit dem jeweiligen Gesamtbetrag des Wareneinkaufs gleich. Für das Streitjahr 1989 kürzte der Kläger den Wareneingang um einen zum 31. Dezember 1989 durch Inventur festgestellten Warenbestand von 41 746 DM.

Eine bei den Klägern für die Streitjahre durchgeführte Außenprüfung ermittelte aufgrund vorhandener Ausgangsrechnungen höhere Aufschlagsätze für Speisen und Getränke. Nach Abzug eines Sicherheitsabschlags von 10 v.H. ermittelte der Prüfer für 1987 einen Rohgewinnaufschlagsatz von 93 v.H., für 1988 von 99 v.H. und für 1989 von 105 v.H. Als Wareneinsatz setzte der Prüfer den jeweiligen Wareneingang an. Die bisher nicht berücksichtigten Einnahmen bzw. Umsätze betrugen danach im Jahr 1987 42 906 DM, im Jahr 1988 61 003 DM und im Jahr 1989 148 227 DM. Die Einsprüche gegen die entsprechenden Veranlagungen wies der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) zurück.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Finanzgericht (FG) wurde der Vertreter der Kläger, Herr X als Vertreter zurückgewiesen, nachdem das FA darauf hingewiesen hatte, daß X die Zulassung als Steuerberater entzogen worden sei; X wurde auch nicht als "Sprecher" zugelassen. Das FG wies die Klage ab. Zwar sei wegen des verspäteten Eingangs der Klageschrift Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Die Klage sei aber unbegründet. Das Schätzungsverfahren des FA sei nicht zu beanstanden.

Mit der Revision rügen die Kläger Verletzung des § 116 Abs. 1 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) sowie mangelnde Sachaufklärung.

1. Die Kläger seien nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten gewesen. Zu Beginn der Hauptverhandlung vor dem FG sei ihr Vertreter X gemäß § 62 Abs. 2 Satz 2 FGO durch richterlichen Beschluß zurückgewiesen worden. Der Klägerantrag, X als Sprecher zuzulassen, sei ebenfalls durch richterlichen Beschluß abgelehnt worden. Körperlich anwesend gewesen seien nur der hundertprozentig erblindete Kläger und sein Sohn. Die Kläger seien nicht persönlich geladen gewesen. Dem Kläger sei in der mündlichen Verhandlung der Kontakt zu X untersagt worden. Sämtliche Unterlagen hätten sich bei X befunden. Der Kläger sei auch wegen mangelnder Sach- und Rechtskenntnis nicht in der Lage gewesen, sich im Sinne des Gesetzes zu vertreten; er sei völlig überfordert gewesen. Vom Entzug der Zulassung seines Vertreters habe der Kläger keine Kenntnis gehabt; die Zurückweisung des X sei vollkommen überraschend erfolgt. Dem Kläger sei auch keine Möglichkeit geboten worden, für einen anderen Vertreter zu sorgen. Die Klägerin sei von der Zurückweisung ihres Vertreters nicht in Kenntnis gesetzt worden; von der Zurückweisung habe sie erst nach Verkündung des Urteils erfahren.

Der Beschluß, X zurückzuweisen, sei rechtswidrig gewesen; X übe keine geschäftsmäßige Hilfeleistung in Steuersachen aus, da er als Vertreter seiner Ehefrau, die nach deutschem Recht als Steuerberaterin zugelassen sei, tätig geworden sei. Das Gericht habe nicht auf der Vorlage einer Vollmacht bestehen dürfen, zumindest aber eine angemessene Frist zur Vorlage einer Vollmacht setzen müssen. Der Nachweis hätte innerhalb weniger Minuten durch einen Telefonanruf erbracht werden können; dazu hätte X im Rahmen der Fürsorgepflicht und einer fairen Prozeßführung Gelegenheit gegeben werden müssen. Den Hinweis auf den Entzug der Bestellung zum Steuerberater habe das FA erst in der mündlichen Verhandlung gegeben, obwohl ihm dieser Umstand schon lange bekannt gewesen sei. Schließlich sei X Steuerberater nach niederländischem und französischem Recht; auch deshalb habe er nicht zurückgewiesen werden können.

2. Im Jahr 1986 sei im Hinblick auf einen bevorstehenden Umbau das Warenlager reduziert worden. In den folgenden Jahren sei der Warenbestand erhöht worden. Die insoweit angebotenen Beweise ("Zeugnis der Familienangehörigen") habe das FG nicht erhoben. Die Beweisaufnahme hätte ergeben, daß sich die Warenvorräte verändert hätten.

Die Kläger beantragen, die Vorentscheidung aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen.

Das FA beantragt, die Revision zu verwerfen bzw. als unbegründet zurückzuweisen.

Die Voraussetzungen des § 116 Abs. 1 Nr. 3 FGO lägen nicht vor. Die fehlende Eigenschaft eines wirksam bestellten Vertreters, vor Gericht auftreten zu dürfen, sei vom Schutzzweck des § 116 Abs. 1 Nr. 3 FGO nicht erfaßt. Das Risiko, einen ungeeigneten Vertreter zu wählen, trügen die Kläger. Es stelle keinen Verstoß gegen § 116 Abs. 1 Nr. 3 FGO dar, wenn ein Prozeßbevollmächtigter aus einem in seiner Person liegenden Grund den Termin der mündlichen Verhandlung versäume.

Der gerichtliche Hinweis auf eine anderweitige Vertretung erscheine nicht zwingend notwendig. Ausweislich des Protokolls hätten der Kläger und sein Sohn zum Streitgegenstand ausführlich Stellung genommen. Der Kläger habe auch beantragt, X als Sprecher zuzulassen. Somit wäre er auch in der Lage gewesen, von sich aus darauf zu bestehen, einen anderen Vertreter zu beauftragen.

Auch gegenüber der Klägerin sei eine Fürsorgepflicht nicht verletzt worden. Der Umstand, daß der von ihr gewählte Vertreter nicht habe zugelassen werden können, falle nicht in den Fürsorgebereich des Gerichtes.

Als Vertreter seiner Ehefrau sei X ebenfalls zu Recht zurückgewiesen worden, da er den entsprechenden Nachweis nicht habe erbringen können. X wäre verpflichtet gewesen, die Voraussetzungen zum Nachweis seiner Vertretung bereitzuhalten. Ob X auch ein ausländischer Steuerberatertitel zustehe, sei unerheblich, da Voraussetzung für ein unbeschränktes Auftreten vor Gericht die wirksame Bestellung durch die (deutsche) Steuerberaterkammer sei.

II. Die Revision ist unzulässig (§ 124 Abs. 1 FGO); sie ist nicht statthaft. Das FG hat die Revision nicht zugelassen; die Nichtzulassungsbeschwerde der Kläger hatte keinen Erfolg (vgl. Beschluß vom heutigen Tag XI B 73/98). Die Voraussetzungen einer zulassungsfreien Revision sind nicht gegeben.

1. Gemäß § 116 Abs. 1 Nr. 3 FGO bedarf es einer Zulassung zur Einlegung der Revision nicht, wenn ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten war. Die Regelung soll gewährleisten, daß die Verfahrensbeteiligten Gelegenheit erhalten, entweder in eigener Person oder vertreten durch ihren Bevollmächtigten ihren Standpunkt darzulegen. § 116 Abs. 1 Nr. 3 FGO setzt voraus, daß der Beteiligte in gesetzwidriger Weise im Verfahren nicht vertreten war. Dies trifft nicht zu, wenn das Gericht die gesetzlichen Vorschriften beachtet hat, der Beteiligte aber aus einem in seiner Person liegenden Grund an der mündlichen Verhandlung nicht teilnehmen konnte. Versäumt ein Prozeßbeteiligter den Termin zur mündlichen Verhandlung aus einem in seiner Person liegenden Grund, liegt kein Fall des § 116 Abs. 1 Nr. 3 FGO vor (Beschlüsse des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 27. Januar 1988 IV R 14/86, BFHE 152, 196, BStBl II 1988, 447; vom 29. Juni 1994 IV R 40-42/94, BFH/NV 1995, 137; Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 16. Aufl., Stand Oktober 1996, § 119 FGO Tz. 21).

Im Streitfall hat das FG die gesetzlichen Vorschriften beachtet. Nach § 62 Abs. 2 Satz 2 FGO sind die dort genannten Personen in ihrer Eigenschaft als Prozeßbevollmächtigte (zwingend) zurückzuweisen, sofern sie die Befugnis zur Hilfeleistung in Steuersachen verloren haben (BFH-Beschluß vom 14. Dezember 1992 X B 55/92, BFH/NV 1994, 32). X war nicht berechtigt, als Bevollmächtigter oder Beistand vor dem Gericht aufzutreten, da seine Bestellung zum Steuerberater widerrufen worden war. Der Widerruf der Bestellung ist ein Grund, der der Sphäre der Kläger zuzurechnen ist. Wird ein Bevollmächtigter nach § 62 Abs. 2 FGO zurückgewiesen, liegt kein Fall des § 116 Abs. 1 Nr. 3 FGO vor.

Die Kläger können sich nicht mit Erfolg darauf berufen, daß --nach ihrem Vortrag-- X Steuerberater nach niederländischem und französischem Recht sei. Gemäß § 36 Abs. 4 des Steuerberatungsgesetzes (StBerG) berechtigt ein in einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften erworbenes Diplom nur zur Teilnahme an einer Eignungsprüfung gemäß § 37b Abs. 2 bis 4 StBerG (vgl. Gehre, Kommentar zum Steuerberatungsgesetz, 4. Aufl., 1999, § 36 Rz. 21 ff.), nicht aber von vornherein zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen.

Auch mit dem Einwand, daß X als Unterbevollmächtigter seiner Ehefrau aufgetreten sei, können die Kläger keinen Erfolg haben. In diesem Fall hätte X die Bevollmächtigung seiner Ehefrau und seine Unterbevollmächtigung nachweisen müssen. Letzteres ist nicht geschehen. Das FG war nicht verpflichtet, die mündliche Verhandlung zu unterbrechen, um den Klägern und X Gelegenheit zu geben, den Vollmachtsnachweis erbringen zu können. Der vollmachtlose Vertreter hat keinen Anspruch auf eine Fristsetzung nach § 62 Abs. 3 Satz 3 FGO (Tipke/Kruse, a.a.O., Stand Oktober 1995, § 62 FGO Tz. 12). Dies gilt um so mehr, als X seine Situation kannte und sich entsprechend hätte vorbereiten können.

2. Die Rüge mangelnder Sachaufklärung ist kein wesentlicher Mangel i.S. des § 116 Abs. 1 FGO; eine zulassungsfreie Revision kann aus diesem Mangel nicht hergeleitet werden.

Ende der Entscheidung

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