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Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 03.09.2008
Aktenzeichen: XI R 54/07
Rechtsgebiete: UStG, GrEStG, Richtlinie 77/388/EWG, FGO


Vorschriften:

UStG § 4 Nr. 9 Buchst. a
GrEStG § 1 Abs. 1 Nr. 6
GrEStG § 1 Abs. 1 Nr. 7
GrEStG § 1 Abs. 2
GrEStG § 9 Abs. 2 Nr. 3
Richtlinie 77/388/EWG Art. 5 Abs. 1
Richtlinie 77/388/EWG Art. 13 Teil B Buchst. g
Richtlinie 77/388/EWG Art. 33 Abs. 1
FGO § 74
Der entgeltliche Verzicht auf das an einem Grundstück eingeräumte Ankaufsrecht ist nicht nach § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG steuerfrei.
Gründe:

I.

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist Organträgerin der X AG, die seit 1. September 1999 unter Y GmbH firmiert.

Die X AG veräußerte mit notariellem Kaufvertrag vom 22. Dezember 1981 das bebaute Grundstück in H zum Kaufpreis von 17 Mio. DM. Erwerberin war die D KG, an der die X AG zu 95 % beteiligt war.

Mit notariellem Vertrag vom 7. April 1982 räumte die D KG der X AG ein Ankaufsrecht an dem Grundstück ein. Das Ankaufsrecht sollte der Ankaufsberechtigten das Recht geben, von der Eigentümerin den Abschluss eines Kaufvertrags und die Übereignung des Grundstücks einschließlich der darauf errichteten Gebäude miet- und pachtfrei zu verlangen. Die X AG konnte das Ankaufsrecht zum 31. Dezember 2001 zum Kaufpreis von 9 500 000 DM und zum 31. Dezember 2011 zum Kaufpreis von 5 750 000 DM ausüben. Nach § 5 des notariellen Vertrags sollten die Bestimmungen der Urkunde für und gegen die jeweiligen Rechtsnachfolger wirken. Zur Sicherung der sich aus dem Ankaufsrecht ergebenden Ansprüche wurde eine Vormerkung in das Grundbuch eingetragen.

Kurze Zeit später wurde das Grundstück an die R KG veräußert.

Mit Vertrag vom 26. März 1999 veräußerte diese das Grundstück an die B KG, die nunmehr als V KG firmiert. Der Kaufpreis betrug 12 466 687,14 DM. Im Vertrag (Teil C Aufhebung Ankaufsrechtsvertrag) vereinbarten die R KG, die B KG und die X AG weiter, dass die X AG auf ihr Ankaufsrecht verzichtet und sie hierfür von der Grundstückskäuferin, der B KG, ein Entgelt von 4 213 312,86 DM erhält. Unter Tz. II.3. des notariellen Vertrags ist festgelegt, dass die Verzichtsvergütung als Nettoleistung zu betrachten ist, wenn entgegen der gemeinsamen Annahme von Käuferin und Ankaufsberechtigtem auf die vorgenannte Verzichtsvergütung Umsatzsteuer anfallen sollte.

In den für das Streitjahr 1999 erklärten Umsätzen war der entgeltliche Verzicht der X AG auf das Ankaufsrecht nicht enthalten. Nach einer Außenprüfung ging der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) davon aus, dass der entgeltliche Verzicht auf das Ankaufsrecht ein steuerbarer und steuerpflichtiger Umsatz sei. Die entsprechende Umsatzsteuer wurde gegenüber der Klägerin im geänderten Bescheid für 1999 vom 15. Dezember 2003 festgesetzt.

Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) vertrat die Auffassung, dass der entgeltliche Verzicht auf das Ankaufsrecht eine sonstige Leistung i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) darstelle, die steuerpflichtig sei. Die Voraussetzungen für eine Steuerfreiheit nach § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG seien nicht erfüllt, weil der Umsatz nicht unter das Grunderwerbsteuergesetz (GrEStG) falle. Ein grunderwerbsteuerpflichtiger Vorgang i.S. von § 1 Abs. 1 Nr. 6 GrEStG liege nicht vor. Denn der Erwerb des Grundstücks durch die B KG habe sich nicht über die Ausübung des Ankaufsrechts vollzogen. Vielmehr sei das Ankaufsrecht durch den Verzicht untergegangen. Ein lediglich wirtschaftlicher Zusammenhang des Verzichts mit dem Kaufvertrag zwischen der R KG und der B KG reiche nicht aus, um hinsichtlich des Verzichts die Tatbestandsvoraussetzungen des § 1 Abs. 1 Nr. 6 GrEStG bejahen zu können. Der Verzicht auf das Ankaufsrecht unterliege auch nicht § 1 Abs. 2 GrEStG. Das Urteil des FG ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2007, 1297 veröffentlicht.

Mit der vom FG zugelassenen Revision rügt die Klägerin Verletzung materiellen Rechts.

Das FG habe fehlerhaft die Voraussetzungen des § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG verneint. Die Aufhebung des Ankaufsrechts gegen Entschädigungszahlung sei ein steuerfreier Umsatz, weil der Vorgang unter § 1 Abs. 1 Nr. 6 GrEStG falle. Nach dieser Vorschrift unterliege der Grunderwerbsteuer ein Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Abtretung der Rechte aus einem Kaufangebot begründe. Der Tatbestand setze voraus, dass ein rechtswirksames Kaufangebot gemacht werde, die sich daraus ergebenden Rechte vom Berechtigten an den Dritten abgetreten würden und der Kauf zwischen diesem und dem Grundstückseigentümer tatsächlich zustande komme. Im Streitfall seien im Vertrag vom 26. März 1999 in einem Akt die Abtretung des Ankaufsrechts an die B KG und der Abschluss des Kaufvertrags zwischen der B KG und der R KG erfolgt. Die B KG habe so im Ergebnis das nicht durch ein Ankaufsrecht belastete Grundstück erworben. Dem stehe nicht entgegen, dass formal betrachtet eine Aufhebung des Ankaufsrechts vereinbart worden sei. Abzustellen sei vielmehr auf den materiellen Gehalt des Vertrags vom 26. März 1999, der eine Übertragung des Ankaufsrechts auf die B KG beinhalte. Es entspreche dem in § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG niedergelegten Willen des Gesetzgebers, die Doppelbelastung einer Grundstücksveräußerung mit Grunderwerbsteuer und Umsatzsteuer zu vermeiden.

Die Klägerin beantragt sinngemäß, die Vorentscheidung aufzuheben und die Umsatzsteuer 1999 unter Änderung des Umsatzsteuerbescheides 1999 vom 15. Dezember 2003 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 3. Juni 2004 um 369 219,20 € herabzusetzen.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

II. Die Revision ist unbegründet und war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

Das FG hat zu Recht entschieden, dass der Verzicht auf das Ankaufsrecht an dem Grundstück gegen Zahlung einer Vergütung ein steuerpflichtiger Umsatz ist. Die Voraussetzungen für eine Steuerfreiheit i.S. von § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG sind nicht erfüllt.

1. Von den unter § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG fallenden Umsätzen sind gemäß § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG steuerfrei die Umsätze, die unter das GrEStG fallen. Zu den unter § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG fallenden Umsätzen gehören Lieferungen und sonstige Leistungen, die ein Unternehmer im Inland im Rahmen seines Unternehmens ausführt.

a) Besteuerungsgegenstand ist umsatzsteuerrechtlich grundsätzlich die ausgeführte Leistung. Sie wird bestimmt durch die Art ihrer Ausführung, den Gegenstand, auf den die Ausführung gerichtet ist, durch die Beteiligten (Leistender, Leistungsempfänger) und durch ihre Entgeltlichkeit (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 29. August 1991 V R 87/86, BFHE 166, 185, BStBl II 1992, 206).

Im Streitfall ist der gegen Entgelt erklärte Verzicht der X AG auf das ihr eingeräumte Ankaufsrecht als sonstige Leistung i.S. von § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG steuerbar.

b) Die Leistung der X AG ist weder Bestandteil der Grundstücksveräußerung durch die R KG noch kann sie mit dieser im Sinne einer einheitlichen Leistung zusammengefasst werden.

aa) Aus Art. 2 Nr. 1 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern (Richtlinie 77/388/EWG) ergibt sich, dass jede Dienstleistung in der Regel als eigene, selbstständige Leistung zu betrachten ist (Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften --EuGH-- vom 25. Februar 1999 Rs. C-349/96 --Card Protection Plan Ltd.--, Slg. 1999, I-973, Randnr. 29). Zur Wahrung der Wettbewerbsneutralität der Besteuerung sollen getrennte steuerbare Umsätze, die nicht zu einem einheitlichen Umsatz zusammengefasst werden können, einzeln der Mehrwertsteuer unterworfen werden können (vgl. EuGH-Urteil vom 8. Juli 1986 Rs. C-73/85 --Kerrutt--, Slg. 1986, I-2219, Randnr. 14, zu Lieferungen und Dienstleistungen im Rahmen eines Bauherrenmodells).

bb) Dementsprechend hat der BFH entschieden, dass die von Bauhandwerkern im eigenen Namen gegenüber einem Bauherrn ausgeführten Werklieferungen grundsätzlich nicht mit Umsätzen eines anderen Unternehmers (des Grundstückslieferers oder des Initiators eines Bauvorhabens) "gebündelt" werden dürfen und damit nicht nach § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG steuerfrei sind (vgl. BFH-Urteil in BFHE 166, 185, BStBl II 1992, 206). Für die Umsatzsteuer ist auch nicht bindend, dass Bau- und Architektenleistungen grunderwerbsteuerrechtlich mit anderen Leistungen zusammengefasst werden und der dadurch vorhandene Erwerbsvorgang beim Erwerber der Grunderwerbsteuer unterworfen wird (vgl. BFH-Urteil vom 10. September 1992 V R 99/88, BFHE 169, 255, BStBl II 1993, 316, m.w.N.).

cc) Im Streitfall ist der Verzicht auf das Ankaufsrecht durch die X AG eine gegenüber der von der R KG getätigten Grundstücksveräußerung selbstständige Leistung. Die Zusammenfassung der Vereinbarungen in einer notariellen Urkunde und der durch das Interesse der B KG als Grundstückskäuferin begründete wirtschaftliche Zusammenhang der Verträge führen nicht zur Annahme einer einheitlichen Leistung.

Die Leistung der X AG teilt daher nicht das umsatzsteuerrechtliche Schicksal der Grundstücksveräußerung. Aus diesem Grund ist unerheblich, ob die Veräußerung des bebauten Grundstücks nach § 1 Abs. 1a UStG als Geschäftsveräußerung nicht steuerbar (vgl. BFH-Urteil vom 11. Oktober 2007 V R 27/05, BFHE 219, 266, BStBl II 2008, 438, unter II.2.b) oder als Grundstückslieferung nach § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG steuerfrei wäre.

2. Der Verzicht auf das Ankaufsrecht ist nicht gemäß § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG steuerfrei. Die X AG hat mit dem Verzicht keinen Erwerbsvorgang i.S. des § 1 GrEStG verwirklicht.

a) Nach § 1 Abs. 1 Nr. 6 Satz 1 GrEStG unterliegen der Grunderwerbsteuer ein Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Abtretung der Rechte aus einem Kaufangebot begründet, und nach Nr. 7 der genannten Vorschrift die Abtretung selbst, wenn kein solches Rechtsgeschäft vorausgegangen ist. Ziel dieser Vorschriften ist die Erfassung des Grundstückshandels, der der Grunderwerbsteuer für die Weiterveräußerung eines Grundstücks dadurch ausweicht, dass er nicht mit Grundstücken als solchen, sondern mit Angeboten zu deren Verkauf handelt (vgl. BFH-Urteil vom 5. Juli 2006 II R 7/05, BFHE 213, 403, BStBl II 2006, 765, m.w.N.). Der in diesen Vorschriften verwendete Begriff "Kaufangebot" umfasst nach der Rechtsprechung sowohl den einseitigen Vertragsantrag (Vertragsangebot) als auch das in die Rechtsform des Vertrags gekleidete Angebot (z.B. Ankaufs- bzw. Optionsvertrag), wenn diese den Veräußerer binden (vgl. BFH-Urteil in BFHE 213, 403, BStBl II 2006, 765, m.w.N.). Dem Kaufangebot steht ein Angebot zum Abschluss eines anderen Vertrags gleich, kraft dessen die Übereignung verlangt werden kann (§ 1 Abs. 1 Nr. 6 Satz 2 GrEStG).

Die Tatbestandsverwirklichung des § 1 Abs. 1 Nr. 6 oder 7 GrEStG setzt voraus, dass ein rechtswirksames Kaufangebot eingeräumt wird, die daraus sich ergebenden Rechte vom Berechtigten an den Dritten abgetreten werden und der Kauf zwischen diesem und dem Grundstückseigentümer tatsächlich zustande kommt (vgl. BFH-Urteil vom 22. Januar 1997 II R 97/94, BFHE 182, 222, BStBl II 1997, 411, m.w.N.).

b) Der Verzicht auf das Ankaufsrecht ist kein grunderwerbsteuerbarer Vorgang im Sinne dieser Vorschriften. Er begründet weder einen Anspruch der Grundstückskäuferin, der B KG, auf die Abtretung der Rechte aus einem Kaufangebot oder einem Angebot zum Abschluss eines anderen Vertrags noch werden dadurch derartige Rechte an sie abgetreten.

Mit dem Erlöschen des Ankaufsrechts konnte die B KG das Grundstück zwar insoweit frei von Rechten Dritter erwerben. Dieser Umstand rechtfertigt es aber nicht, den Verzicht auf das Ankaufsrecht grunderwerbsteuerrechtlich einer Abtretung von Rechten aus einem Kaufangebot gleichzustellen. Denn die auf das Ankaufsrecht verzichtende X AG hat der B KG keine Rechte verschafft, die es dieser ermöglicht hätten, das Grundstück erwerben zu können. Der Grundstückserwerb beruhte auf den mit der R KG abgeschlossenen Vereinbarungen über den Kauf des Grundstücks und nicht auf einem von der X AG abgetretenen Ankaufsrecht. Dies zeigt sich schon darin, dass im Vertrag vom 7. April 1982 über die Einräumung des Ankaufsrechts ein Recht der X AG zur Benennung eines Dritten als Ankaufsberechtigten nicht vorgesehen war und das Ankaufsrecht frühestens zum 31. Dezember 2001 zu einem Kaufpreis von 9 500 000 DM hätte ausgeübt werden können. Demgegenüber hat die B KG das Grundstück bereits im Frühjahr 1999 zu einem wesentlich höheren Kaufpreis erworben. Es ist nicht erkennbar, aus welchen Gründen die B KG im Jahr 1999 neben dem Eigentum an dem Grundstück auch das Ankaufsrecht hätte erwerben sollen. Ihr Interesse war vielmehr darauf gerichtet, dass das Ankaufsrecht erlischt, damit sie das Grundstück frei von Rechten Dritter erwerben konnte. Die Vereinbarungen in Teil C des Vertrags vom 26. März 1999 betreffend die Aufhebung des Ankaufsrechtsvertrags können deshalb entgegen der Auffassung der Klägerin nicht dahin verstanden werden, dass das Ankaufsrecht auf die B KG übertragen werden sollte.

c) Der Verzicht auf das Ankaufsrecht erfüllt auch nicht einen anderen in § 1 GrEStG genannten Steuertatbestand. Insbesondere liegen die Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 GrEStG nicht vor.

aa) Danach unterliegen der Grunderwerbsteuer auch Rechtsvorgänge, die es ohne Begründung eines Anspruchs auf Übereignung einem anderen rechtlich oder wirtschaftlich ermöglichen, ein inländisches Grundstück auf eigene Rechnung zu verwerten. Dies setzt voraus, dass es einem Dritten, der nicht Eigentümer des Grundstücks ist, ohne Begründung eines Anspruchs auf Eigentumsübertragung ermöglicht wird, über ein bestimmtes Grundstück wie ein Eigentümer zu verfügen, d.h. wenn er es besitzen, verwalten, nutzen, belasten und schließlich veräußern kann, und sich diese Maßnahmen wirtschaftlich zu Gunsten oder zu Lasten des Dritten auswirken (vgl. BFH-Urteile vom 3. Mai 1973 II R 37/68, BFHE 109, 476, BStBl II 1973, 709; vom 26. Juli 2000 II R 33/98, BFH/NV 2001, 206; in BFHE 213, 403, BStBl II 2006, 765).

bb) Im Streitfall sind diese Voraussetzungen nicht erfüllt. Durch den Verzicht auf das Ankaufsrecht hat die B KG nicht die Befugnis erlangt, über das Grundstück seiner Substanz nach zu verfügen. Diese Befugnis erlangte sie aus dem mit der R KG geschlossenen Vertrag. Der Verzicht führte nur zum Erlöschen des der X AG eingeräumten Ankaufsrechts.

d) Eine andere Beurteilung ist nicht deshalb gerechtfertigt, weil das FA das Entgelt für den Verzicht gemäß § 9 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG als Teil der Gegenleistung für den Grundstückskauf gewertet und in die Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer einbezogen hat. § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG schließt eine Doppelbelastung mit Umsatzsteuer und Grunderwerbsteuer nicht generell aus (vgl. BFH-Urteil vom 27. Oktober 1999 II R 17/99, BFHE 189, 550, BStBl II 2000, 34). So sind Baubetreuungsleistungen nicht nach § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG deswegen steuerfrei, weil sie beim Leistungsempfänger in die Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer einbezogen worden sind (vgl. BFH-Urteil in BFHE 169, 255, BStBl II 1993, 316).

e) Der Verzicht auf das Ankaufsrecht ist auch nicht nach den Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts steuerfrei. Insbesondere fällt der Verzicht nicht unter den Begriff "Lieferungen von Gebäuden oder Gebäudeteilen und dem dazugehörigen Grund und Boden" i.S. von Art. 13 Teil B Buchst. g der Richtlinie 77/388/EWG.

aa) Nach Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG gilt als Lieferung eines Gegenstands die Übertragung der Befähigung, wie ein Eigentümer über einen körperlichen Gegenstand zu verfügen. Aus dem Wortlaut dieser Bestimmung ergibt sich, dass der Begriff "Lieferung eines Gegenstands" sich nicht auf die Eigentumsübertragung in den durch das nationale Recht vorgesehenen Formen bezieht, sondern dass sie jede Übertragung eines körperlichen Gegenstands durch eine Partei umfasst, die die andere Partei ermächtigt, über diesen Gegenstand faktisch so zu verfügen, als wäre sie sein Eigentümer (vgl. EuGH-Urteile vom 8. Februar 1990 Rs. C-320/88 --Shipping and Forwarding Enterprise Safe--, Slg. 1990, I-285, Randnr. 7; vom 6. Februar 2003 Rs. C-185/01 --Auto Lease Holland--, Slg. 2003, I-1317, Randnr. 32, BStBl II 2004, 573; vom 15. Dezember 2005 Rs. C-63/04 --Centralan Property--, Slg. 2005, I-11087, Randnr. 62). Nach ständiger Rechtsprechung des BFH setzt die Verschaffung einer derartigen Verfügungsmacht die Übertragung von Substanz, Wert und Ertrag voraus (vgl. BFH-Urteil vom 6. Dezember 2007 V R 24/05, BFHE 219, 476).

bb) Der Verzicht auf das erst zu einem späteren Termin auszuübende Ankaufsrecht stellt keine Lieferung in diesem Sinne dar. Denn mit dem Verzicht wird nicht die Verfügungsmacht an dem Grundstück auf einen anderen übertragen. Die Wirkung erschöpft sich darin, dass das Ankaufsrecht erlischt und das Grundstück insoweit nicht mit Rechten Dritter belastet ist.

f) Zweifel an der Steuerpflicht des Verzichts auf das Ankaufsrecht ergeben sich nicht im Hinblick auf das EuGH-Urteil vom 15. Dezember 1993 Rs. C-63/92 --Lubbock Fine & Co.-- (Slg. 1993, I-6665), das zu einer gegen Abfindung der Mieterin vereinbarten vorzeitigen Auflösung eines Mietvertrags ergangen ist.

Die Ankaufsberechtigte, die X AG, hat --anders als die Mieterin in dem vom EuGH entschiedenen Fall-- nicht ein Entgelt dafür erhalten, dass sie im Rahmen der Beendigung eines Dauerschuldverhältnisses auf die weitere Gewährung einer steuerfreien Leistung des Grundstückseigentümers verzichtet hat. Die Einräumung des Ankaufsrechts durch den Grundstückseigentümer unterliegt nicht der Grunderwerbsteuer und erfüllt daher nicht die Voraussetzungen des § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG (vgl. Klenk in Rau/Dürrwächter, Umsatzsteuergesetz, § 4 Nr. 9 Rz 48.5). Erst mit dem durch die Ausübung des Ankaufsrechts herbeigeführten Kaufvertrag wird ein Vorgang gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG verwirklicht (vgl. BFH-Urteil vom 15. März 2006 II R 29/04, BFH/NV 2006, 1702), mit der Folge, dass eine nach § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG steuerfreie Lieferung des Grundstücks vorliegen kann. Der Verzicht auf das Ankaufsrecht betrifft damit --im Gegensatz zu dem Verzicht der Mieterin auf ihre Rechte aus dem Mietvertrag-- keine laufend erbrachten steuerfreien Leistungen des Grundstückseigentümers.

3. Eine Vorlage an den EuGH gemäß Art. 234 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft hält der Senat nicht für erforderlich. Es widerspricht nicht dem Gemeinschaftsrecht, dass der entgeltliche Verzicht auf das Ankaufsrecht sowohl bei der Festsetzung der Umsatzsteuer als auch bei der Festsetzung der Grunderwerbsteuer berücksichtigt wurde.

a) Art. 33 Abs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG bestimmt:

"Unbeschadet anderer Gemeinschaftsbestimmungen, insbesondere der geltenden Gemeinschaftsbestimmungen über das allgemeine System, den Besitz, die Beförderung und die Kontrolle von verbrauchsteuerpflichtigen Waren, hindern die Bestimmungen dieser Richtlinie einen Mitgliedstaat nicht daran, Abgaben auf Versicherungsverträge, Abgaben auf Spiele und Wetten, Verbrauchsteuern, Grunderwerbsteuern sowie ganz allgemein alle Steuern, Abgaben und Gebühren, die nicht den Charakter von Umsatzsteuern haben, beizubehalten oder einzuführen, sofern diese Steuern, Abgaben und Gebühren im Verkehr zwischen den Mitgliedstaaten nicht mit Formalitäten beim Grenzübergang verbunden sind."

b) Diese Bestimmung gestattet die Beibehaltung von Steuern auf Lieferungen von Gegenständen, Dienstleistungen und Einfuhren durch den Mitgliedstaat nur, wenn sie nicht den Charakter von Umsatzsteuern haben (vgl. EuGH-Urteil vom 3. Oktober 2006 Rs. C-475/03 --Banca Popolare di Cremona--, Slg. 2006, I-9373, Randnr. 24).

Die wesentlichen vier Merkmale der Mehrwertsteuer sind nach ständiger Rechtsprechung des EuGH (vgl. EuGH-Urteil vom 11. Oktober 2007 Rs. C-283/06 und C-312/06 --Kögáz rt u.a.--, Slg. 2007, I-8463, Randnr. 37, m.w.N.): allgemeine Geltung der Mehrwertsteuer für alle sich auf Gegenstände und Dienstleistungen beziehenden Geschäfte; Festsetzung ihrer Höhe proportional zum Preis, den der Steuerpflichtige als Gegenleistung für die Gegenstände und Dienstleistungen erhält; Erhebung dieser Steuer auf jeder Produktions- und Vertriebsstufe einschließlich der Einzelhandelsstufe, ungeachtet der Zahl der vorher bewirkten Umsätze; Abzug der auf den vorhergehenden Produktions- und Vertriebsstufen bereits entrichteten Beträge von der vom Steuerpflichtigen geschuldeten Mehrwertsteuer, so dass sich diese Steuer auf einer bestimmten Stufe nur auf den auf dieser Stufe vorhandenen Mehrwert bezieht und die Belastung letztlich vom Verbraucher getragen wird.

Art. 33 Abs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG steht der Beibehaltung einer Steuer nicht entgegen, die eines der wesentlichen Merkmale der Mehrwertsteuer nicht aufweist (vgl. EuGH-Urteil in Slg. 2006, I-9373, Randnrn. 36, 37, m.w.N.).

Es ist jeweils Sache des nationalen Gerichts zu prüfen, ob die streitige Abgabe geeignet ist, den Waren- und Dienstleistungsverkehr in einer mit der Mehrwertsteuer vergleichbaren Weise zu belasten, und dabei zu untersuchen, ob sie deren wesentlichen Merkmale aufweist (EuGH-Urteil vom 26. Juni 1997 Rs. C-370, 371, 372/95 --Careda SA u.a.--, Slg. 1997, I-3721).

c) Für die nach französischem Recht erhobenen Eintragungsgebühren auf ein Baugrundstück hat der EuGH im Urteil vom 16. Dezember 1992 Rs. C-208/91 --Raymond Beaulande-- (Slg. 1992, I-6709) entschieden, dass derartige Eintragungsgebühren keine allgemeinen Steuern sind, da sie nur entgeltlich übereignete unbewegliche Sachen betreffen, deren Übertragung mit einer Reihe von Formalitäten verbunden ist. Derartige Gebühren zielten somit nicht darauf ab, die Gesamtheit der wirtschaftlichen Vorgänge in dem beteiligten Mitgliedstaat zu erfassen. Ferner fehle es an einem Produktions- und Verteilungsprozess, da die Eintragungsgebühr nur erhoben werde, wenn die unbewegliche Sache in das Vermögen des Endverbrauchers übergehe. Überdies könne diese Steuer nicht von gleichartigen, aus Anlass späterer Veräußerungen entrichteten Steuern abgezogen werden. Schließlich bleibe bei der Erhebung derartiger Steuern, die auf der Grundlage des Gesamtwerts der Sache erhoben würden, der Mehrwert unberücksichtigt.

d) Diese Erwägungen gelten in gleicher Weise für die nach deutschem Recht erhobene Grunderwerbsteuer und schließen es aus, dieser den Charakter einer Umsatzsteuer beizulegen (vgl. BFH-Urteil vom 2. April 2008 II R 53/06, BFH/NV 2008, 1268). Denn sie bezieht sich nur auf bestimmte, im Einzelnen festgelegte Rechtsvorgänge im Zusammenhang mit dem Erwerb von Grundstücken. Sie wird auch nur auf einer Stufe erhoben. Ein Steuerpflichtiger kann die beim Erwerb angefallene Grunderwerbsteuer nicht auf die anlässlich der Veräußerung des Grundstücks fällige Steuer anrechnen.

4. Aufgrund der Vorlage des Niedersächsischen FG vom 2. April 2008 7 K 333/06 (EFG 2008, 975) an den EuGH ist eine Aussetzung des Revisionsverfahrens nach § 121 Satz 1 i.V.m. § 74 FGO nicht geboten.

a) Nach § 74 FGO kann das Gericht, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet, anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung des anderen Rechtsstreits auszusetzen ist. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift sind auch dann erfüllt, wenn der EuGH mit Fragen zur Auslegung des Gemeinschaftsrechts befasst ist, von deren Beantwortung die Entscheidung des Rechtsstreits abhängig ist (vgl. BFH-Beschluss vom 22. März 2007 V B 136/05, BFH/NV 2007, 1719).

b) Die Entscheidung im vorliegenden Rechtsstreit hängt nicht von der Beantwortung der Frage ab, die das Niedersächsische FG dem EuGH zur Vorabentscheidung vorgelegt hat. Das Niedersächsische FG hat Zweifel, ob die Erhebung der deutschen Grunderwerbsteuer auf künftige Bauleistungen durch deren Einbeziehung in die grunderwerbsteuerliche Bemessungsgrundlage beim Erwerb eines noch unbebauten Grundstücks (sog. einheitlicher Leistungsgegenstand bestehend aus Bauleistungen sowie Erwerb des Grund und Bodens) gegen das europäische Umsatzsteuer-Mehrfachbelastungsverbot des Art. 33 Abs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG verstößt, wenn die grunderwerbsteuerlich belasteten Bauleistungen zugleich als eigenständige Leistungen der deutschen Umsatzsteuer unterliegen.

Die Vorlage betrifft damit einen völlig anders gelagerten Sachverhalt. Zu beurteilen ist die Festsetzung von Grunderwerbsteuer im Falle des Erwerbs eines unbebauten Grundstücks, wenn künftige Bauleistungen in die grunderwerbsteuerliche Bemessungsgrundlage einbezogen werden. Demgegenüber geht es im Streitfall um die Festsetzung von Umsatzsteuer für den entgeltlichen Verzicht auf ein Ankaufsrecht, wenn das Entgelt bei der Festsetzung der Grunderwerbsteuer für den Erwerb des Anspruchs auf Übereignung des Grundstücks als Teil der Gegenleistung berücksichtigt wurde.



Ende der Entscheidung

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