Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesfinanzhof
Urteil verkündet am 15.12.1999
Aktenzeichen: XI R 93/97
Rechtsgebiete: EStG


Vorschriften:

EStG § 10b Abs. 1
BUNDESFINANZHOF

Wendet ein Spender einer Kirchengemeinde einen Betrag mit der ausdrücklichen Weisung zu, diesen für einen bestimmten kulturellen Zweck zu verwenden und geschieht dies auch, so fördert er nicht kirchliche Zwecke, sondern ausschließlich und unmittelbar kulturelle Zwecke (Abweichung vom Urteil vom 18. November 1966 VI R 167/66, BFHE 88, 282, BStBl III 1967, 365).

EStG § 10b Abs. 1

Urteil vom 15. Dezember 1999 - XI R 93/97 -

Vorinstanz: FG Köln (EFG 1997, 474)


Gründe

I.

Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind zusammen zur Einkommensteuer veranlagte Eheleute. In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 1991 machten sie als Sonderausgaben u.a. eine Spende in Höhe von 25 000 DM für kulturelle Zwecke geltend. Die Spende hatte die Klägerin zugunsten der katholischen Kirchengemeinde St. L durch Einzahlung auf ein Sparbuch der Gemeinde (Ausstattungsfond) erbracht. Die Kirchengemeinde hatte am 11. Dezember 1991 schriftlich bestätigt, dass sie die Spende ausschließlich zum Bau des St. A-Brunnens verwenden würde. In einem zusätzlichen Schreiben vom 19. August 1993 bestätigte sie, dass sie durch die Errichtung des Brunnens ausschließlich den kulturellen Zweck verfolge und verwirkliche, die Erinnerung an das segensreiche Wirken der heiligen A in der Gegend wach zu halten.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) ging davon aus, dass die Spende in erster Linie zur Förderung kirchlicher Zwecke erbracht worden sei; er sah deshalb die Voraussetzungen für einen erhöhten Spendenabzug (bis 10 % des Gesamtbetrags der Einkünfte) nicht als gegeben an und berücksichtigte die Spende als Sonderausgabe lediglich im Umfang von 5 % des Gesamtbetrags der Einkünfte. Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt (Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 1997, 474).

Mit der Revision rügt das FA die Verletzung von § 10b Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes 1990 i.d.F. für das Streitjahr 1991 (EStG). Außerdem weiche das Urteil des FG von dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 18. November 1966 VI R 167/66 (BFHE 88, 282, BStBl III 1967, 365) ab, in dem dieser entschieden habe, dass mit einer Zuwendung an eine Körperschaft mit kirchlichen Zwecken zunächst und unmittelbar die dieser Körperschaft gesetzten Zwecke gefördert würden. Die tatsächliche Verwendung des zugewendeten Betrages für andere als kirchliche Zwecke ändere nichts daran, dass die Zuwendung der Förderung kirchlicher Zwecke diene.

Das FA beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen, die Revision des FA als unbegründet zurückzuweisen.

II.

Die Revision des FA ist unbegründet und deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

Das FG ist zu Recht davon ausgegangen, dass im Streitfall die Voraussetzungen für einen erhöhten Spendenabzug gegeben sind; die Klägerin hat die Spende für einen als besonders förderungswürdig anerkannten kulturellen Zweck erbracht.

1. Nach § 10b Abs. 1 Satz 1 EStG sind Ausgaben zur Förderung mildtätiger, kirchlicher, religiöser, wissenschaftlicher und der als besonders förderungswürdig anerkannten gemeinnützigen Zwecke bis zur Höhe von 5 v.H. des Gesamtbetrags der Einkünfte als Sonderausgaben abziehbar. Für wissenschaftliche, mildtätige und als besonders förderungswürdig anerkannte kulturelle Zwecke erhöht sich der Vomhundertsatz von 5 um weitere 5 v.H. (§ 10b Abs. 1 Satz 2 EStG).

Welche gemeinnützigen Zwecke allgemein als besonders förderungswürdig anzuerkennen sind, ergibt sich aus § 48 Abs. 2 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung 1990 (EStDV) i.V.m. Abschn. 111 der Einkommensteuer-Richtlinien 1990 (EStR) und Anlage 7 hierzu. Danach sind als besonders förderungswürdige kulturelle Zwecke die ausschließliche und unmittelbare Förderung der Kunst (u.a. der darstellenden und bildenden Kunst; vgl. Anlage 7 unter 4. a) sowie die Förderung der Pflege und Erhaltung von Kulturwerten (u.a. von Gegenständen von künstlerischer und sonstiger kultureller Bedeutung; vgl. Anlage 7 unter 4. b) anerkannt. Weitere Voraussetzung für den Abzug ist nach § 48 Abs. 3 Nr. 1 EStDV, dass der Empfänger der Zuwendung eine juristische Person des öffentlichen Rechts ist und bestätigt, dass der zugewendete Betrag zu dem als besonders förderungswürdig anerkannten Zweck verwendet wird.

2. Im Streitfall sind alle erforderlichen Voraussetzungen für einen erhöhten Spendenabzug erfüllt.

a) Die katholische Pfarrgemeinde St. L als Empfänger der Zuwendung ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts (vgl. Fischer in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Kommentar zur Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, § 54 AO 1977 Rz. 18, m.w.N.). Als solche hat sie der Klägerin schriftlich bestätigt, den gespendeten Betrag "nur" zur Finanzierung des St. A-Brunnens in M zu verwenden (Bestätigung vom 11. Dezember 1991). Nach eigenem Bekunden wollte die Kirchengemeinde durch die Errichtung des Brunnens die Erinnerung an das segensreiche Wirken der heiligen A in dieser Gegend wach halten. Wie das FG festgestellt hat, diente die Spende auch der Förderung der bildenden Kunst; der Brunnen wurde von einem anerkannten Künstler geschaffen. Die Klägerin hat die Spende damit für besondere förderungswürdige kulturelle Zwecke erbracht; ihre Spende diente sowohl der Förderung der Pflege von Kulturwerten als auch der unmittelbaren Förderung der bildenden Kunst.

b) Der Senat folgt nicht der aus dem BFH-Urteil vom 18. November 1966 VI R 167/66 (BFHE 88, 282, BStBl III 1967, 365) abgeleiteten sog. Überlagerungs- oder Abfärbetheorie, nach der --unabhängig vom tatsächlichen Verwendungszweck-- eine Zuwendung an eine Körperschaft, die kirchlichen Zwecken dient, zunächst und unmittelbar diese Zwecke fördern soll. Diese Auffassung würde im Bereich der Kulturförderung zu unterschiedlichen steuerlichen Abzugsmöglichkeiten führen, je nachdem ob eine kirchliche oder eine andere (weltliche) juristische Person des öffentlichen Rechts die Spende zur Förderung kultureller Zwecke verwendet. Das wäre verfassungsrechtlich nicht zu rechtfertigen (vgl. Kirchhof in Kirchhof/Söhn, Einkommensteuergesetz, § 10b Rz. A 393 und B 624).

In welcher Höhe Spenden nach § 10b Abs. 1 EStG abziehbar sind, richtet sich nach dem Zweck, der dem Willen des Spenders entsprechend durch die Spende tatsächlich gefördert wird. Der vom Spendenempfänger verfolgte Hauptzweck überlagert nicht generell andere Zwecke, die durch die konkrete Tätigkeit verwirklicht werden (vgl. Kirchhof in Kirchhof/Söhn, a.a.O.; Brandt in Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, Kommentar, § 10b EStG Rz. 102; vgl. auch Urteil des FG Baden-Württemberg vom 29. November 1991 9 K 278/91, EFG 1992, 258; Urteil des FG Nürnberg vom 11. Juli 1994 VI 221/93, EFG 1994, 1090). Wendet darum ein Spender --wie im Streitfall die Klägerin-- einer Kirchengemeinde einen Betrag mit der ausdrücklichen Weisung zu, diesen für einen bestimmten kulturellen Zweck zu verwenden und geschieht dies auch, so fördert er ausschließlich und unmittelbar kulturelle Zwecke. Ob dies uneingeschränkt auch gilt, wenn --anders als im Streitfall-- der geförderte Kunstgegenstand seinerseits kirchlichen Zwecken im engeren Sinn dient (z.B. liturgischen Zwecken), braucht hier nicht entschieden zu werden.

Eine Anfrage beim VI. Senat wegen Abweichung vom Urteil in BFHE 88, 282, BStBl III 1967, 365 ist nicht erforderlich, da der erkennende Senat seit dem 1. Januar 1999 für Einkommensteuer betreffend Sonderausgaben gemäß § 10 EStG --von hier nicht einschlägigen Ausnahmen abgesehen-- ausschließlich zuständig ist.

c) Dem erhöhten Spendenabzug steht nicht entgegen, dass nach Auffassung des X. Senats des BFH (Urteil vom 24. November 1993 X R 5/91, BFHE 173, 519, BStBl II 1994, 683) an der Rechtmäßigkeit des § 48 Abs. 2 EStDV insoweit Zweifel bestehen, als sich die Exekutive von den in der Ermächtigungsgrundlage (§ 51 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c EStG) bestimmten materiellen und formellen Anforderungen möglicherweise selbst entbunden hat. Entsprechend der Ankündigung des Bundesministeriums der Finanzen (BMF, Schreiben vom 17. August 1994 IV B 4 -S 2223- 163/94, BStBl I 1994, 710) hat die Bundesregierung im Juli 1999 einen Entwurf zur Änderung der EStDV vorgelegt (BRDrucks 418/99) und nunmehr mit Zustimmung des Bundesrats die untergesetzlichen Regelungen des Spendenrechts durch eine Änderung der EStDV neu gefasst (vgl. BMF-Schreiben vom 18. November 1999 IV C 4 -S 2233- 211/99, Der Betrieb 1999, 2543). Die Regelung tritt zum 1. Januar 2000 in Kraft. Für den Fall, dass die Regelung in § 48 Abs. 2 EStDV durch die Ermächtigungsgrundlage nicht gedeckt gewesen sein sollte, ist zur Vermeidung von Rechtsunsicherheit von einer übergangsweisen Fortgeltung dieser Regelung auszugehen (vgl. Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 9. April 1992 2 BvE 2/89, BStBl II 1992, 766, 773).



Ende der Entscheidung

Zurück