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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 15.03.2007
Aktenzeichen: XI S 33/06
Rechtsgebiete: FGO, GKG


Vorschriften:

FGO § 116 Abs. 5 Satz 2
FGO § 133a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 2
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3
FGO § 116 Abs. 5 Satz 2 2. Halbsatz
FGO § 133a
FGO § 135 Abs. 2
GKG § 3 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe:

I. Mit Beschluss vom Dezember 2006 hat der Senat die Beschwerde des Klägers und Rügeführers (Kläger) wegen Nichtzulassung der Revision im Urteil des Finanzgerichts (FG) als unbegründet zurückgewiesen.

Gegen den Beschluss hat der Kläger am 27. Dezember 2006 Anhörungsrüge erhoben und hilfsweise Gegenvorstellung eingelegt. Zur Begründung rügt er Verletzung des Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs und Verstöße gegen das Willkürverbot und das Rechtsstaatsprinzip. Das Absehen von einer Begründung gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) sei seit Einführung der Anhörungsrüge zum 1. Januar 2005 durch das Gesetz über die Rechtsbehelfe bei Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Anhörungsrügengesetz --AnhRüG--) vom 9. Dezember 2004 (BGBl I 2004, 3220) nicht mehr verfassungsgemäß. Denn bei gänzlichem Fehlen einer Entscheidungsbegründung sei eine wirksame gerichtliche Kontrolle, ob der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs gewahrt worden sei, nicht möglich.

II. 1. Die Anhörungsrüge ist unzulässig. Sie war daher zu verwerfen.

a) Der Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör kann nur dann i.S. von § 133a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 FGO in entscheidungserheblicher Weise verletzt sein, wenn der Bundesfinanzhof (BFH) bei seiner Beschwerdeentscheidung ein Vorbringen im Zusammenhang mit der Darlegung der Gründe für die Zulassung der Revision i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 FGO entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder doch bei seiner Entscheidung ersichtlich nicht in Erwägung gezogen hat und die Revision bei Berücksichtigung dieses Vorbringens hätte zugelassen werden müssen (BFH-Beschluss vom 12. Mai 2006 VIII S 12/06, BFH/NV 2006, 1849, m.w.N.).

b) Umstände, aus denen sich ergibt, dass diese Voraussetzungen im Streitfall erfüllt sind, hat der Kläger nicht in der gesetzlich erforderlichen Weise dargelegt (§ 133a Abs. 2 Satz 6, Abs. 4 Satz 1 FGO). Hierfür genügt nicht seine Behauptung, der Senat hätte nicht gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 2. Halbsatz FGO von einer Begründung des Beschlusses absehen dürfen.

Nach § 116 Abs. 5 Satz 2 2. Halbsatz FGO kann von einer Begründung abgesehen werden, wenn sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revision zuzulassen ist. Deshalb kann allein daraus, dass der Senat von § 116 Abs. 5 Satz 2 2. Halbsatz FGO Gebrauch gemacht hat, nicht geschlossen werden, dass er bei seiner Entscheidung über die Revisionszulassung Vorbringen des Klägers nicht erwogen hat.

Entgegen der Ansicht des Klägers ist § 116 Abs. 5 Satz 2 2. Halbsatz FGO nicht durch die Einführung der Anhörungsrüge zum 1. Januar 2005 verfassungswidrig geworden (vgl. zur verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit des § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO z.B. BFH-Beschluss vom 2. September 2005 I S 11/05, BFH/NV 2006, 97, m.w.N.; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 116 Rz 59, m.w.N.). Mit dem AnhRüG sollte der Rechtsschutz gegen die Verletzung von Verfahrensgrundrechten vereinfacht und verbessert werden. Ein Anspruch der Beteiligten auf eine begründete Entscheidung wurde dadurch jedoch nicht geschaffen. Ein solcher Anspruch folgt auch nicht aus verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten. Weder die in Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes (GG) enthaltene Rechtsweggarantie noch das Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) oder das Recht auf den gesetzlichen Richter (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) beinhalten einen Anspruch auf eine begründete Entscheidung. Soweit das in Art. 103 Abs. 1 GG verankerte Recht auf rechtliches Gehör einen solchen Anspruch umfasst, gilt dieser nicht für Entscheidungen, die mit ordentlichen Rechtsbehelfen nicht mehr anfechtbar sind (Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG-- vom 28. Februar 1979 2 BvR 84/79, BVerfGE 50, 287; vom 14. November 1989 1 BvR 956/89, BVerfGE 81, 97, 106). Zu letzteren Entscheidungen gehören auch die Entscheidungen des BFH über Nichtzulassungsbeschwerden (BFH-Beschluss in BFH/NV 2006, 97, m.w.N.). Bei den gegen solche Entscheidungen gegebenen Rechtsbehelfen der Anhörungsrüge und der Verfassungsbeschwerde handelt es sich nicht um ordentliche, sondern um außerordentliche Rechtsbehelfe (zur Anhörungsrüge z.B. BFH-Beschlüsse vom 17. Juni 2005 VI S 3/05, BFHE 209, 419, BStBl II 2005, 614; vom 3. März 2006 V S 1/06, BFH/NV 2006, 1314; vom 1. Juni 2006 XI S 22/05, juris; zur Verfassungsbeschwerde z.B. BVerfG-Beschlüsse vom 7. Juni 1993 2 BvR 1767/92, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1993, 541; vom 12. Februar 2003 2 BvR 709/99, BVerfGE 107, 257; vom 27. Januar 2005 2 BvR 2223/03, BFH/NV 2005, Beilage 3, 258).

2. Soweit der Kläger nicht die Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör, sondern einen Verstoß gegen das Willkürverbot und das Rechtsstaatsprinzip rügt, kann der Senat offenlassen, ob die Eingabe als Gegenvorstellung im bisher verstandenen Sinne neben der gesetzlich geregelten Anhörungsrüge (§ 133a FGO) noch statthaft ist (zustimmend z.B. BFH-Beschluss vom 14. September 2005 VII S 47/05, BFH/NV 2006, 104; ablehnend z.B. Gräber/Ruban, a.a.O., Vor § 115 Rz 29, m.w.N.). Denn die Gegenvorstellung ist jedenfalls unzulässig, weil sie als außerordentlicher Rechtsbehelf nur in Ausnahmefällen eröffnet ist, insbesondere bei schwerwiegenden Verstößen gegen Grundrechte, wie das Recht auf den gesetzlichen Richter (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG), oder wenn die angegriffene Entscheidung jeder gesetzlichen Grundlage entbehrt und inhaltlich dem Gesetz fremd ist ("greifbare Gesetzwidrigkeit"; vgl. BFH-Beschlüsse vom 10. September 2002 X S 2/02 (PKH), BFH/NV 2002, 1611; vom 24. Juli 2003 V B 250/02, BFH/NV 2003, 1596; vom 20. März 2003 IX S 1/03, BFH/NV 2003, 937; vom 13. Oktober 2005 IV S 10/05, BFHE 211, 13, BStBl II 2006, 76). Derartige Rechtsverstöße hat der Kläger weder geltend gemacht, noch sind sie erkennbar.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.

Nach dem Gebührentatbestand Nr. 6400 der Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 des Gerichtskostengesetzes (Kostenverzeichnis) in der ab 1. Januar 2005 geltenden Fassung des AnhRüG ist eine Festgebühr in Höhe von 50 € bei Verfahren nach § 133a FGO zu erheben.

Gerichtsgebühren für die Gegenvorstellung entstehen nicht, da für das Verfahren der Gegenvorstellung kein Gebührentatbestand vorgesehen ist.

4. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 133a Abs. 4 Satz 3 FGO).

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