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Gericht: Bundesfinanzhof
Beschluss verkündet am 20.04.2000
Aktenzeichen: XI S 7/99
Rechtsgebiete: FGO, BFHEntlG


Vorschriften:

FGO § 115 Abs. 3
FGO § 116
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 2
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3
BFHEntlG Art. 1 Nr. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gründe

I. Das Finanzgericht (FG) hat die Klage betreffend Einkommensteuer 1987 bis 1992 abgewiesen. Der Kläger und Antragsteller (Kläger) beabsichtigt hiergegen Nichtzulassungsbeschwerde nach § 115 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) und Revision nach § 116 FGO einzulegen. Hierfür beantragt er Prozesskostenhilfe (PKH). Dem Antrag war eine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers beigefügt.

Der Beklagte, Beschwerdegegner und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) beantragt, den Antrag wegen fehlender Erfolgsaussicht abzulehnen.

II. Dem Antrag auf Bewilligung von PKH für die noch einzulegende Revision ist stattzugeben, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und der Antragsteller als Sozialhilfeempfänger die Kosten der Prozessführung nicht aufbringen kann (§ 142 Abs. 1 FGO i.V.m. § 114 der Zivilprozeßordnung --ZPO--). Dem Antrag auf Bewilligung von PKH für eine noch einzulegende Nichtzulassungsbeschwerde ist dagegen nicht zu entsprechen, der Antrag ist insoweit unbegründet.

1. Die Rechtsverfolgung verspricht hinreichende Aussicht auf Erfolg, wenn bei summarischer Prüfung für seinen Eintritt eine gewisse Wahrscheinlichkeit besteht. Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn das Gericht den Rechtsstandpunkt des Antragstellers aufgrund seiner Sachdarstellung und der vorhandenen Unterlagen für zutreffend oder zumindest für vertretbar hält und in tatsächlicher Hinsicht von der Möglichkeit der Beweisführung überzeugt ist. Insgesamt dürfen die Anforderungen an die Erfolgsaussichten nicht überspannt werden. Die Erfolgsaussichten sind in der Regel dann als hinreichend anzusehen, wenn die Gründe für und gegen einen Erfolg als gleichwertig zu bewerten sind; eine abschließende Prüfung darf bei der Abwägung nicht vorgenommen werden (Beschlüsse des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 15. September 1992 VII B 62/92, BFH/NV 1994, 149, m.w.N.; vom 6. Juni 1994 VII B 2/94, BFH/NV 1995, 281).

Der Zulässigkeit der Anträge steht nicht entgegen, dass der Kläger sich nicht durch eine der in Art. 1 Nr. 1 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs (BFHEntlG) genannten Personen hat vertreten lassen (BFH-Beschluss vom 23. Januar 1991 II S 17/90, BFH/NV 1991, 338, m.w.N.). Auch wird der mittellose Prozessbeteiligte, was die beabsichtigte Rechtsverfolgung und hierbei einzuhaltende Fristen angeht, grundsätzlich bis zur Entscheidung über den PKH-Antrag als ohne sein Verschulden an der wirksamen Einlegung des Rechtsmittels verhindert angesehen (vgl. § 56 FGO; BFH-Beschlüsse vom 12. April 1996 V S 6/96, BFH/NV 1996, 824; vom 20. April 1988 X S 13/87, BFH/NV 1988, 728, m.w.N., und vom 7. Juli 1994 VIII S 1/94, BFH/NV 1995, 92, m.w.N.).

Der Antrag auf PKH für eine noch einzulegende Revision ist begründet. Bei der gebotenen summarischen Betrachtung (BFH-Beschluss vom 16. Dezember 1986 VIII B 115/86, BFHE 148, 215, BStBl II 1987, 217) besteht eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür, dass das FG zu Unrecht ohne mündliche Verhandlung entschieden hat und der Kläger somit in dem Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten war und damit die zulassungsfreie Revision eröffnet und begründet ist (vgl. § 90 Abs. 1 Satz 1, § 119 Nr. 4, § 116 Abs. 1 Nr. 3 FGO).

Nach dem Vortrag des Klägers erscheint es möglich, dass das FG zu Unrecht davon ausgegangen ist, er habe wirksam auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet. Dem Schriftsatz vom 14. November 1996 war zwar ein unterschriebenes Formular über einen solchen Verzicht beigefügt, in dem Begleitschreiben selbst war das Formular aber als "Einverständniserklärung zur mündlichen Verhandlung" bezeichnet worden. Schon dies war widersprüchlich. Gleichzeitig hatte der Kläger in dem Schriftsatz --sinngemäß für den Fall, dass das FG seinen Ausführungen nicht folge-- ausdrücklich den Hilfsantrag gestellt, einen Lokaltermin zum Zwecke der Beweisaufnahme durchzuführen. Nach dem Senatsurteil vom 22. September 1999 XI R 24/99 (BStBl II 2000, 32) enthält der Antrag auf Erhebung eines Zeugenbeweises auch den Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung. Bei summarischer Prüfung spricht daher einiges für die Einlassung des Klägers, er habe nicht wirksam verzichtet.

2. Der Antrag auf Bewilligung von PKH für eine noch einzulegende Nichtzulassungsbeschwerde ist unbegründet, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung bei der gebotenen summarischen Betrachtung (Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., § 142 Anm. 18) insoweit keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 114 ZPO i.V.m. § 142 FGO).

Dabei ist es nicht erforderlich, dass in dem von dem Antragsteller in der Revisionsinstanz selbst eingereichten PKH-Gesuch zur Durchführung eines noch nicht anhängigen Rechtsmittelverfahrens das sonst für derartige Verfahren geforderte Maß an Begründung enthalten ist. Es würde dem Zweck des PKH-Verfahrens zuwider laufen, von dem unbemittelten Bürger die Kenntnisse für eine sachgerechte Rechtsverfolgung zu fordern, die ihm erst durch die begehrte Beiordnung eines sachkundigen, beim BFH zugelassenen Vertreters (Rechtsanwalt, Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer, Art. 1 Nr. 1 BFHEntlG) zugänglich gemacht werden sollen (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 1991, 338).

a) Der Zulassungsgrund einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO ist nicht erkennbar. Die nach Ansicht des Klägers durch den Streitfall aufgeworfene und bisher nicht geklärte Rechtsfrage, die sich aus einer "Verschränkung des Segmentierungsproblems, der Liebhaberei und des Gleichheitssatzes" ergebe, wäre in einem Revisionsverfahren nicht klärungsfähig. Es ist nicht erkennbar, dass das FG die Tätigkeit des Klägers in den Streitjahren in zwei Bereiche (Computernetz und Computeralgorithmen) segmentiert hat. Darauf, ob die Rechtsprechung zur Segmentierung unklar und nicht rechtmäßig ist, kommt es für die Entscheidung des Streitfalls demnach nicht an.

b) Anhaltspunkte dafür, dass das FG von der Rechtsprechung des BFH abgewichen wäre (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) sind nicht gegeben. Das FG hat im konkreten Streitfall aus dem Umstand, dass seit 18 Jahren keine Einnahmen erzielt wurden sowie weiteren angeführten Beweisanzeichen abgeleitet, dass auch für die Zukunft mit keinen Einnahmen zu rechnen sei. Hierin ist keine Abweichung von der BFH-Entscheidung vom 14. März 1985 IV R 8/84 (BStBl II 1985, 424) zu erkennen, nach der zwar eine längere Verlustphase für sich allein grundsätzlich noch kein hinreichendes Beweisanzeichen für das Fehlen einer Gewinnerzielungsabsicht sein könne, dies aber nicht ausschließe, dass das Fehlen einer solchen Absicht aus anderen objektiven Umständen gefolgert werde und bei der Beurteilung die Besonderheiten der jeweils zu würdigenden Verhältnisse zu berücksichtigen seien. Bei summarischer Würdigung der vom FG zusätzlich angeführten Gesichtspunkte hat sich das FG demnach nicht allein auf die langjährige Verlustphase bezogen. Das FG weicht auch nicht von der Entscheidung vom 2. August 1994 VIII R 55/93 (BFH/NV 1995, 866) ab, nach der die Anlaufzeit eines neuen Betriebs betriebsspezifisch festzulegen ist. Auch eine Abweichung von den BFH-Entscheidungen vom 15. November 1984 IV R 139/81 (BStBl II 1985, 205) --hier hatte der Steuerpflichtige aus den Anlaufverlusten Konsequenzen gezogen und den Betrieb eingestellt-- und vom 21. August 1990 VIII R 25/86 (BFHE 163, 524, BStBl II 1991, 564) --die den ganz anders gelagerten Fall einer Verlustzuweisungsgesellschaft betraf-- ist nicht erkennbar.

c) Es ist schließlich bei summarischer Prüfung auch keine hinreichende Erfolgsaussicht dafür erkennbar, dass die Vorentscheidung mit einem nach § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO geltend zu machenden Verfahrensfehler behaftet ist. Das FG hat zwar den beantragten Ortstermin nicht durchgeführt. Es ist aber in dem Urteil davon ausgegangen, dass der Kläger eine ernsthafte wissenschaftliche Arbeit leiste und hat damit die durch den Ortstermin zu beweisenden Tatsachenbehauptungen als wahr unterstellt. Das FG durfte danach die beantragte Beweisaufnahme unterlassen (vgl. Gräber/von Groll, a.a.O., § 76 Anm. 24, m.w.N.). Weder aus dem weiteren Vorbringen des Klägers noch aus den Akten ergeben sich Anhaltspunkte für das Vorliegen von Verfahrensfehlern, auf Grund deren eine noch einzulegende Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision hinreichende Aussicht auf Erfolg haben könnte.

3. Eine Kostenentscheidung ist nicht zu treffen, Gerichtsgebühren sind nicht entstanden (§ 142 FGO i.V.m. § 118 Abs. 1 Sätze 4 und 5 ZPO; § 1 Abs. 1 Buchst. c i.V.m. § 11 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes).

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