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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 27.07.2006
Aktenzeichen: 1 StR 147/06
Rechtsgebiete: BtMG, StPO, BGB


Vorschriften:

BtMG § 30 Abs. 1 Nr. 4
StPO § 138 Abs. 1
StPO § 139
StPO § 140 Abs. 1
StPO § 140 Abs. 2
StPO §§ 141 ff.
StPO § 229
StPO § 244 Abs. 5 Satz 2
StPO § 257 Abs. 2
StPO § 300
StPO § 338 Nr. 5
StPO § 344 Abs. 2 Satz 2
StPO § 345
BGB § 305c
BGB § 305c Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

1 StR 147/06

vom 27. Juli 2006

in der Strafsache

gegen

wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 27. Juli 2006 beschlossen:

Tenor:

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts München II vom 15. September 2005 wird verworfen.

Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

Bei einer polizeilichen Kontrolle des vom Angeklagten geführten Pkw am 19. September 2004 wurden in der Stoßstange versteckt mehrere Kilogramm Kokain sichergestellt. Im Pkw waren mehrere "Duftbäumchen" aufgehängt, um den Geruch des Kokains zu überdecken. Der Angeklagte hat geltend gemacht, er sei auf dem Rückweg von den Niederlanden nach Italien, wo er den Pkw gekauft habe. Dass darin Kokain versteckt gewesen sei, sei ihm unbekannt gewesen. Einen Vertrag oder irgendwelche anderen Dokumente, die auf einen Kauf des Pkw durch den Angeklagten hingewiesen hätten, hatte er nicht in seinem Besitz. Die Strafkammer hat die Einlassung des Angeklagten nicht geglaubt, sondern hat ihn wegen eines Verbrechens gemäß § 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG zu einer Freiheitsstrafe verurteilt und einen Geldbetrag für verfallen erklärt.

Seine auf mehrere Verfahrensrügen und die näher ausgeführte Sachrüge gestützte Revision ist unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).

I.

Hinsichtlich der Verfahrensrügen bedarf der näheren Ausführung nur folgendes:

1. Die Revision beruft sich auf § 338 Nr. 5 StPO und rügt "die Verletzung von § 140 Abs. 1, Abs. 2 und §§ 141 ff. StPO." Der Sache nach macht sie geltend, der Angeklagte sei am 7. Verhandlungstag (24. August 2005) nicht ordnungsgemäß verteidigt gewesen.

Folgendes liegt zu Grunde:

Der Angeklagte hatte im Laufe des Verfahrens schon einer ganzen Reihe von Rechtsanwälten schriftliche Verteidigervollmacht erteilt, zum Teil nach zwischenzeitlicher Mandatsbeendigung mehrfach. Seit dem 4. Verhandlungstag war Rechtsanwältin K. alleinige Verteidigerin, inzwischen vertritt sie den Angeklagten nicht mehr. Nach dem 5. Verhandlungstag (29. Juli 2005) erkrankte sie. Am 6. Verhandlungstag (22. August 2005) - Dauer: zehn Minuten - erschien ausweislich des Protokolls eine derselben Kanzlei angehörige Rechtsanwältin "in Untervollmacht für RAin K. , die erkrankt ist. Der Angeklagte erklärte hiermit Einverständnis". Im Übrigen beschränkte sich die Verhandlung auf eine Erklärung des Angeklagten, wonach er bestätigte, in Anwesenheit von Rechtsanwältin K. eine Erklärung abgeben zu wollen, und die Erörterung des weiteren Verfahrensgangs. Am 7. Verhandlungstag erschien Rechtsanwalt F. , "der erklärte, dass er in Untervollmacht für RAin K. auftrete und eine schriftliche Untervollmacht nachreichen werde". Es wurden drei Telefonkarten in Augenschein genommen und ein Notizzettel mit einer Adresse in Augenschein genommen und verlesen. Erklärungen wurden zu alledem nicht abgegeben, die Verhandlung dauerte sieben Minuten. Am nächsten Verhandlungstag (15. September 2005) erschien dann wieder Rechtsanwältin K. und führte die Verteidigung. Die am 24. August 2005 angekündigte Untervollmachtsurkunde war schon am 23. August 2005 ausgestellt. Sie gelangte allerdings erst im Rahmen des Revisionsverfahrens am 7. Februar 2006 zu den Verfahrensakten.

Der Verfahrensverlauf vom 7. Verhandlungstag lässt keinen Rechtsfehler erkennen.

a) Ohne dass es auf Weiteres ankäme, wäre der Angeklagte nicht ordnungsgemäß verteidigt gewesen, wenn nicht die Voraussetzungen von § 138 Abs. 1 StPO erfüllt gewesen wären. Die Revision (Schriftsatz vom 8. Mai 2006) hat angeregt, der Senat möge "klären, ob die ... Untervollmacht tatsächlich einem zugelassenen Rechtsanwalt erteilt worden ist". Gestützt ist dies auf Erwägungen, die an den Inhalt des Anrufbeantworters des Anschlusses F. anknüpfen.

Verfahrensrügen sind in der Frist des § 345 StPO zu erheben. Diese ist hier nicht eingehalten. Freilich liegen hier Besonderheiten vor. Die Staatsanwaltschaft hat im Rahmen ihrer Revisionsgegenerklärung auf die genannte Untervollmachtsurkunde Bezug genommen, sie dem (jetzigen) Verteidiger aber nicht bekannt gemacht. Er hat von dieser Urkunde erst im Rahmen ihm vom Senat gewährter Akteneinsicht Kenntnis genommen.

Der Senat braucht nicht darüber zu befinden, ob und wie sich das geschilderte Verfahrensgeschehen auf die Frist des § 345 StPO auswirkt. Auch wenn man das genannte Vorbringen als rechtzeitig ansieht, fehlt es jedenfalls an der gemäß § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO erforderlichen schlüssigen tatsächlichen Behauptung einer Rechtsverletzung, da nicht eindeutig und klar behauptet ist, der als Rechtsanwalt F. aufgetretene Verteidiger sei in Wahrheit kein Rechtsanwalt. Eine entsprechende Vermutung in den Raum zu stellen, genügt nicht. Es wäre Sache der Revision gewesen, die tatsächliche Tragfähigkeit ihrer Erwägungen zu überprüfen, etwa durch ohne weiteres mögliche Anfragen bei der früheren Verteidigerin (vgl. BGH NStZ 2005, 283 f.; hierzu BVerfG StraFo 2005, 512 f.) oder bei zuständigen Stellen wie der Rechtsanwaltskammer oder dem Präsidenten des Landgerichts; gegebenenfalls hätte sie das Ergebnis ihrer Überprüfungen dem Senat darzulegen gehabt. Gebotener Vortrag kann nicht durch die Anregung ersetzt werden, der Senat möge prüfen, ob die angedeutete Möglichkeit eines Rechtsfehlers in tatsächlicher Hinsicht eine tragfähige Grundlage hat oder nicht.

b) Die Revision macht im Zusammenhang mit der Vollmachtsurkunde weiter geltend, an einer ordnungsgemäßen Verteidigung habe es (auch) deshalb gefehlt, weil im Termin vom 24. August 2005, (noch) keine schriftliche Untervollmacht für Rechtsanwalt F. vorgelegen habe. Eine solche Untervollmacht muss aber nicht notwendig schriftlich nachgewiesen werden (vgl. OLG Düsseldorf StraFo 1998, 227 f.; OLG Hamm JMBl. NW 1980, 83; OLG Köln VRS 60, 441 f.; Meyer-Goßner, StPO 49. Aufl. vor § 137 Rdn. 11). Deshalb gehen zugleich die Ausführungen der Revision ins Leere, wonach es unzulässig sei, die später zu den Akten gelangte schriftliche Untervollmacht vom 23. August 2005 zur Kenntnis zu nehmen und zu berücksichtigen.

c) Über die genannten einzelfallbezogenen Fragen (beruflicher Status des Unterbevollmächtigten; Art des Nachweises seiner Unterbevollmächtigung) hinaus erhebt die Revision auch generelle Bedenken gegen die Berechtigung von Rechtsanwältin K. zur Erteilung einer Untervollmacht und dementsprechend gegen die Wirksamkeit dieser Untervollmacht.

(1) Bedenken gegen die Wirksamkeit der Klausel in der Vollmacht für Rechtsanwältin K. , die ihr die Erteilung von Untervollmacht gestattete, bestehen nicht.

Für die in einer Verteidigervollmacht vorformulierte Befugnis zur Erteilung von Untervollmacht gelten, soweit hier von Interesse, die Regeln über Allgemeine Geschäftsbedingungen in Verträgen. Ob die genannte Befugnis wirksamer Bestandteil der Vollmacht ist, richtet sich insbesondere nach § 305c Abs. 1 BGB (vgl. zu alledem näher Jahn/Kett-Straub StV 2005, 601, 602 m. w. N. <Anmerkung zu LG Duisburg, aaO 600 f.>). Sie ist allgemein gebräuchlich - auch sämtliche der (zahlreich) vom Angeklagten ausgestellten Verteidigervollmachten enthalten diese Klausel, zuletzt die für seinen jetzigen Verteidiger im Revisionsverfahren - und daher nicht überraschend im Sinne des § 305c BGB (Jahn/Kett-Straub aaO).

Die Revision meint, in diesem Zusammenhang habe es auch Bedeutung, dass der Angeklagte die deutsche Sprache nicht beherrsche. Der Senat braucht diesem Hinweis aber unter keinem Gesichtspunkt näher nachzugehen. Es erscheint fern liegend und ist auch nicht konkret behauptet, dass die Verteidiger nicht mit dem Angeklagten kommunizieren konnten (zur Dolmetscherzuziehung bei Verteidigergesprächen vgl. Wickern in Löwe/Rosenberg StPO 25. Aufl. § 185 GVG Rdn. 10).

(2) Der unterschiedlich beurteilten Frage, ob eine nur formularmäßig erteilte Zustimmung eine gemäß § 139 StPO genügende Grundlage zur Unterbevollmächtigung eines Referendars durch einen Verteidiger ist (verneinend KG JR 1972, 206; Bedenken hiergegen etwa bei Jahn/Kett-Straub aaO m. w. N. in Fußn. 19) braucht der Senat hier ebenfalls nicht näher nachzugehen. Selbst wenn in diesem Fall keine ausreichende Grundlage für die Unterbevollmächtigung vorläge, könnte dies wegen des Unterschieds zwischen einem Rechtsanwalt und einem Referendar nicht auf die vorliegende Fallgestaltung übertragen werden (vgl. Jahn/Kett-Straub aaO). All dies gilt noch mehr für die von der Revision genannte Entscheidung LG Berlin NStZ 2000, 51, die sich von der vorliegenden Fallgestaltung zusätzlich noch dadurch unterscheidet, dass die Bevollmächtigung des Referendars durch einen Pflichtverteidiger erfolgte (vgl. auch Jahn/Kett-Straub aaO Fußn. 19 a. E.).

(3) Die hier in Rede stehende Bevollmächtigung ist auch nicht dahin eingeschränkt, dass jedenfalls ein Verteidiger, "der aufgrund seiner Prozesserfahrung und seines Bekanntheitsgrades ... besonderes Vertrauen für sich in Anspruch nimmt", von einem ihm eingeräumten Recht, Untervollmacht zu erteilen, keinen Gebrauch machen dürfe (so LG Duisburg StV 2005, 600; auf diese Entscheidung weist die Revision hin). Ob diese Voraussetzungen bei Rechtsanwältin K. gegeben sind oder nicht, hatte die Strafkammer nicht zu prüfen. Das Gesetz behandelt nämlich alle zugelassenen Verteidiger, die ihre Stellung nicht einer Einzelfallprüfung des Gerichts verdanken (vgl. § 138 Abs. 2 StPO), gleich. Es räumt, wie sich aus § 138 Abs. 1 StPO ergibt, dem Gericht nicht die Möglichkeit ein, etwa im Rahmen der Prüfung der Wirksamkeit einer Untervollmacht, auf der Grundlage seiner eigenen Auffassung z.B. über die fachliche Qualität eines Verteidigers ("Prozesserfahrung") und das Maß des Vertrauens zu befinden, das er deshalb von seinen Mandanten erwarten darf (Jahn/Kett-Straub aaO).

(4) Auch im Übrigen gibt es keinen Rechtsanspruch des Angeklagten, auch dann ausschließlich vom (Haupt-)Verteidiger verteidigt zu werden, wenn er uneingeschränkt die Befugnis zur Erteilung von Untervollmachten erteilt hat. Weder ist eine solche Regelung ausdrücklich dem Gesetz zu entnehmen, noch gibt es übergeordnete Gesichtspunkte, die es gebieten würden, die bewährte und sinnvolle Möglichkeit der Unterbevollmächtigung in Strafsachen letztlich in Frage zu stellen. Missbräuche oder sonstige Fehlentwicklungen in der Praxis der Strafrechtspflege, die eine generell andere Beurteilung nahe legen könnten, sind nicht bekannt.

(5) All dies gilt entsprechend auch hinsichtlich des von der Revision hervorgehobenen Umstands, dass Rechtsanwalt F. nicht derselben Sozietät wie Rechtsanwältin K. angehört. Auch hieraus ergeben sich keine rechtlichen Einschränkungen der Rechtsanwältin K. vom Angeklagten uneingeschränkt eingeräumten Befugnis zur Erteilung von Untervollmacht. Es ist nicht ersichtlich, warum sich daran deshalb etwas ändern könnte, weil die Unterbevollmächtigte vom 6. Verhandlungstag in derselben Kanzlei tätig war wie Rechtsanwältin K. .

(6) Dass es schließlich auch keinen Rechtssatz gibt, wonach eine Unterbevollmächtigung unwirksam sei, wenn sie für einen Verhandlungsteil erteilt ist, in dem Beweis erhoben wird, bedarf keiner Darlegung.

d) Das sonstige Vorbringen der Revision, etwa

- das Gericht habe den Angeklagten nicht nach seinem Einverständnis mit der Verteidigung durch Rechtsanwalt F. befragt, wie dies am 6. Verhandlungstag geschehen sei;

- das Gericht hätte den Angeklagten darüber belehren müssen, dass er eine Verteidigervollmacht jederzeit kündigen kann;

- Rechtsanwalt F. haabe nicht sachgerecht agiert, kann der Revision ebenfalls nicht zum Erfolg verhelfen.

Es bedarf keiner näheren Darlegung, dass die behaupteten Fehler, selbst wenn man ihr Vorliegen unterstellt, nicht dazu führen könnten, dass ein ordnungsgemäß (unter)bevollmächtigter, anwesender Verteidiger als im Sinne des § 338 Nr. 5 StPO nicht anwesend anzusehen wäre; Erwägungen der Revision, weshalb das Urteil aus den genannten Gründen in besonderem Maße auf dem behaupteten Verstoß gegen § 338 Nr. 5 StPO beruhe, gehen daher schon im Ansatz ins Leere. Ebenso wenig stellt sich im Fall der Anwesenheit eines Wahlverteidigers oder eines von ihm ordnungsgemäß unterbevollmächtigten Verteidigers die Frage nach der Bestellung eines Pflichtverteidigers (§§ 141 ff. StPO). Das genannte Vorbringen ist daher schon im Ansatz keine schlüssige Behauptung der von der Revision geltend gemachten Verletzungen von § 338 Nr. 5, §§ 141 ff. StPO.

Aber auch wenn man auf all dies den Rechtsgedanken des § 300 StPO anwenden würde (vgl. auch § 352 Abs. 2 StPO), könnte es der Revision nicht zum Erfolg verhelfen.

(1) Das Gericht ist regelmäßig nicht verpflichtet, die Tätigkeit eines Verteidigers daraufhin zu überwachen, ob er seine Verteidigertätigkeit ordnungsgemäß erfüllt (vgl. BGH b. Holtz, MDR 1996, 120). Dies gilt nicht nur für die inhaltliche, sondern auch für die formale Gestaltung der Verteidigung. Macht der Verteidiger von einer ihm - wie dem Gericht bekannt ist - vom Angeklagten erteilten Befugnis Gebrauch, so braucht das Gericht dies im Grundsatz nicht zu hinterfragen. Besondere über die Erteilung der Untervollmacht hinausgehende Umstände des Einzelfalles, die ausnahmsweise eine andere Beurteilung nahe legen könnten, sind nicht ersichtlich.

Daran ändert sich auch durch den Verlauf des vorangegangenen 6. Verhandlungstages nichts, wenn es auch regelmäßig untunlich ist, wenn das Gericht in identischen Verfahrenssituationen, dem Auftreten eines unterbevollmächtigten Verteidigers, unterschiedlich agiert, indem es einmal den Angeklagten nach seinem Einverständnis fragt und einmal nicht, zumindest das Protokoll unterschiedlich gestaltet.

Es bedarf jedoch keiner näheren Darlegung, dass eine nicht gebotene, aber auch unschädliche Frage nicht die objektive Rechtslage verändert hat.

(2) Eine Verletzung eines wie auch immer gearteten Vertrauenstatbestandes ist ebenfalls nicht ersichtlich.

Worauf sich ein Vertrauen überhaupt gerichtet haben soll, erschließt sich aus dem Vortrag,

- wegen des 6. Verhandlungstages habe der Angeklagte darauf vertraut, das Auftreten eines Unterbevollmächtigten sei nur mit seiner nochmaligen Einwilligung zulässig, wenn er vom Gericht danach gefragt wird;

- deshalb habe er am 7. Verhandlungstag geglaubt, es käme nicht auf sein nochmaliges Einverständnis an, da er nicht danach gefragt wurde;

nicht leicht.

Letztlich kann dies aber auf sich beruhen. Wie der Bundesgerichtshof in anderem Zusammenhang bereits entschieden hat, kann die Verletzung eines Vertrauenstatbestandes nur dann mit Erfolg geltend gemacht werden, wenn der Angeklagte durch das in Rede stehende Verhalten in eine Lage versetzt wurde, die sein Verteidigungsverhalten beeinflusst hat und bei verständiger Einschätzung der Verfahrenslage auch beeinflussen konnte. Es lassen sich insoweit keine starren Regeln aufstellen, maßgeblich sind die Umstände des jeweiligen Verfahrens (BGH NStZ 2004, 277, 278 m.w.N.). Diese Grundsätze gelten auch hier. Allein das Erscheinen eines ordnungsgemäß unterbevollmächtigten Verteidigers war bei verständiger Würdigung nicht geeignet, den Angeklagten dazu zu veranlassen, sich hiergegen zu wehren. Darauf, dass es angesichts der Vielzahl der von ihm erteilten und widerrufenen Verteidigervollmachten auch fern liegt, er könne geglaubt haben, seine Möglichkeiten und Rechte hingen von einer Frage des Gerichts ab, kommt es daher nicht mehr an.

(3) Sprach aber nichts gegen die Wahrnehmung der Verteidigung durch den Unterbevollmächtigten, braucht das Gericht den Angeklagten offensichtlich auch nicht, wie die Revision meint, "darauf hinzuweisen, dass es Probleme mit der Verteidigung durch den Unterbevollmächtigten geben könnte und er das Recht hat, ... von einem 'Sonderkündigungsrecht' ...<gegenüber dem Hauptverteidiger> Gebrauch zu machen". Auf nichts gestützte Spekulationen des Gerichts über zu erwartende Schwierigkeiten können eine Fürsorgepflicht für einen Hinweis auf ein Kündigungsrecht (vgl. §§ 627, 671 BGB) nicht begründen. Der Senat kann daher auch offen lassen, wann und gegebenenfalls unter welchen Umständen ein Hinweis des Gerichts an den Angeklagten, er könne seinem Wahlverteidiger kündigen, überhaupt geboten sein könnte.

(4) Die Behauptung unzulänglichen Agierens durch Rechtsanwalt F. begründet die Revision damit, er habe nach den genannten Beweiserhebungen keine Erklärungen abgegeben. Er hätte sagen müssen, dass in den Niederlanden sämtliche Verkäufe von Telefonkarten schriftlich festgehalten würden, weshalb sich aus den Nummern der verlesenen Telefonkarten zahlreiche für den Angeklagten günstige Erkenntnisse ergeben hätten; zu dem Notizzettel mit der Adresse hätte er sagen müssen, dass es sich dabei um die Adresse eines bei dem Kauf des Pkw nicht zum Zuge gekommenen Mitinteressenten gehandelt hätte; dies hätte die Richtigkeit des Vorbringens des Angeklagten unterstrichen, dass er den Pkw gekauft und nichts von Rauschgift gewusst hätte (vgl. oben vor I.).

Wie dargelegt, hat das Gericht die Gestaltung der Verteidigung grundsätzlich nicht zu überprüfen oder zu kontrollieren (vgl. oben I. 1 d (1) ). Gründe, aus denen ausnahmsweise im Hinblick auf eine Fürsorgepflicht des Gerichts für den Angeklagten etwas anderes gelten könnte - etwa, weil die Unfähigkeit eines Verteidigers zu ordnungsgemäßer Verteidigung klar auf der Hand liegt (vgl. BGH b. Holtz MDR 1996, 120) - sind nicht erkennbar. Mit dem Vortrag, ein Verteidiger habe nach einer Beweiserhebung nicht von der Möglichkeit des § 257 Abs. 2 StPO Gebrauch gemacht, wird im Übrigen auch nicht behauptet, dass Vortrag zu dem Beweisergebnis nicht im Rahmen der Schlussausführungen erfolgte.

Abgesehen davon ist das, was nach Ansicht der Revision - die im Übrigen eine Aufklärungsrüge im Zusammenhang mit Telefonkarten und Notizzettel nicht erhebt - hätte vorgetragen werden sollen, inhaltlich (sehr) fern liegend. Allein die Behauptung, der Verteidiger habe fern liegende Gesichtspunkte dem Gericht nicht unterbreitet, kann jedoch die Möglichkeit eines Rechtsfehlers unter keinem Gesichtspunkt verdeutlichen.

e) Ein wie auch immer gearteter Rechtsfehler im Zusammenhang mit der Verteidigung des Angeklagten durch den ordnungsgemäß unterbevollmächtigten Rechtsanwalt F. ist nach alledem nicht zu erkennen. Die Strafkammer hat vielmehr, wie die nur geringe Förderung der Hauptverhandlung am 6. und. 7. Verhandlungstag (vgl. oben I. 1 vor a)) zeigt, der an diesen Tagen verhinderten Rechtsanwältin K. die Führung der Verteidigung des Angeklagten bis unmittelbar an die von § 229 StPO gezogenen Grenzen (vgl. hierzu Meyer-Goßner aaO § 229 Rdn. 11) ermöglicht.

2. Wie dargelegt (I. 1 d (4)) führt die Revision im Einzelnen aus, was der Verteidiger anlässlich der Beweisaufnahme über Notizzettel und Telefonkarten hätte erklären sollen. Angesichts dieses Vorbringens erhellt sich die tatsächliche und vor allem rechtliche Bedeutung der zusätzlichen Rüge, Notizzettel und Telefonkarten seien nicht Teil der Akten, zumindest nicht ohne weiteres. Der Senat braucht dem aber nicht näher nachzugehen, da dies nur "vorsorglich" gerügt sein soll. Vorsorglich, also hilfsweise erhobene Verfahrensrügen sind jedoch nicht zulässig (BGH NStZ-RR 2006, 181, 182 m. w. N.), das entsprechende Vorbringen also einer inhaltlichen Überprüfung nicht zugänglich.

3. Die auf § 244 Abs. 5 Satz 2 StPO gestützte Ablehnung der Vernehmung des Zeugen A. hält aus den vom Generalbundesanwalt zutreffend dargelegten, von der Erwiderung der Revision nicht entkräfteten Gründen rechtlicher Überprüfung stand. Daher kann das Vorbringen der Revision, das sich gegen die zunächst mit der Unmöglichkeit der Ermittlung dieses Zeugen anderweitig begründeten Ablehnung seiner Vernehmung richtet, ebenso auf sich beruhen, wie die auf § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO gestützten Bedenken des Generalbundesanwalts gegen die Zulässigkeit dieses Vorbringens. Gleiches gilt für die von den Verfahrensbeteiligten unterschiedlich beurteilte Frage, ob die Strafkammer im Laufe der Hauptverhandlung die Gründe zur Ablehnung der Vernehmung dieses Zeugen ausgewechselt oder ergänzt hat. Beides ist zulässig (vgl. Alsberg/Nüse/Meyer Der Beweisantrag im Strafprozess 5. Aufl. S. 772 f. m. w. N.).

4. Auch die übrigen Verfahrensrügen sind unbegründet. Insoweit verweist der Senat auf die zutreffenden Ausführungen des Generalbundesanwalts, die durch die Erwiderung der Revision nicht entkräftet werden.

II.

Auch die auf Grund der Sachrüge gebotene Überprüfung des Urteils hat aus den vom Generalbundesanwalt zutreffend dargelegten, ebenfalls von der Revisionserwiderung nicht entkräfteten Gründen keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Wieso das Verfahren (und damit die Untersuchungshaft) übermäßig lang gedauert haben könnte, ist weder nachvollziehbar vorgetragen noch sonst ersichtlich.

Ende der Entscheidung

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