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Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 26.04.2006
Aktenzeichen: 1 StR 154/06
Rechtsgebiete: StPO


Vorschriften:

StPO § 45 Abs. 1 S. 2
StPO § 341 Abs. 1
StPO § 349 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

1 StR 154/06

wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 26. April 2006 gemäß §§ 46 Abs. 1, 349 Abs. 1 StPO beschlossen:

Tenor:

Der Antrag des Angeklagten vom 4. Januar 2006 auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der Revision gegen das Urteil des Landgerichts Mannheim vom 13. Dezember 2005 und die Revision des Angeklagten gegen dieses Urteil werden als unzulässig verworfen.

Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsbehelfs zu tragen.

Gründe:

Das Landgericht Mannheim hat den - nach einem Hinweis auf die maximal zu erwartende Strafe - geständigen Angeklagten am Dienstag, dem 13. Dezember 2005, wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in acht Fällen unter Einbeziehung der Strafe aus einem anderen Urteil zu der Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten verurteilt. Ferner ordnete es den Verfall von 9.000,-- EUR an. Dem Angeklagten wurde eine - qualifizierte - Rechtsmittelbelehrung erteilt. Rechtsmittelverzicht wurde nicht erklärt. Aber "es war nicht beabsichtigt einen Revisionsantrag zu stellen" (Schreiben des Angeklagten vom 4. Januar 2006). Der inhaftierte Angeklagte besann sich dann aber doch anders und richtete am Samstag, dem 17. Dezember 2005, einen Brief an seinen Rechtsanwalt mit der Bitte um Einlegung der Revision, für den Fall, dass diesen sein Schreiben noch rechtzeitig erreichen würde. Das Schreiben des Angeklagten vom 17. Dezember 2005 kam beim Verteidiger allerdings erst am Mittwoch, dem 21. Dezember 2005, also einen Tag nach Ablauf der Revisionseinlegungsfrist (§ 341 Abs. 1 StPO), an. "Da die Revisionsfrist verstrichen war, und Herr S. auch ausdrücklich geschrieben hatte, ich solle Revision einlegen für den Fall, dass sein Schreiben mich rechtzeitig erreicht, habe ich selbstverständlich Revision nicht eingelegt", so der Verteidiger in seiner Stellungsnahme gegenüber dem Landgericht vom 18. Januar 2006. Vom Eintritt der Rechtskraft seiner Verurteilung erfuhr der Angeklagte am Mittwoch, dem 4. Januar 2006, als er seine Haftzeitberechnung erhielt. Mit - dem oben bereits genannten - Schreiben vom selben Tag stellte der Angeklagte "Revisionsantrag" und beschwerte sich zugleich über die Unterlassung seines Verteidigers. "Ich möchte Sie deshalb bitten meinen verspäteten Antrag zu bearbeiten, da ich die versäumte Fristwahrung nicht verschuldet hatte", so der Angeklagte. Dieses Schreiben hatte er allerdings an das - unzuständige - Oberlandesgericht Karlsruhe gerichtet, bei dem es am Montag, dem 9. Januar 2006, einging. Nach Eintragung in das Register - 3 AR 1/06 - verfügte der Vorsitzende des 3. Strafsenats am 10. Januar 2006 die Weiterleitung des Schreibens an das Landgericht Mannheim. Dort traf es dann am Freitag, dem 13. Januar 2006, ein.

Der Antrag des Angeklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der Revision ist bereits unzulässig, da auch der Wiedereinsetzungsantrag nicht innerhalb der auch dafür gesetzten Frist von einer Woche, nachdem der Angeklagte am 4. Januar die Versäumung der rechtzeitigen Revisionseinlegung erkannt hatte, also nicht bis zum 11. Januar 2006 beim richtigen Adressaten, dem Landgericht Mannheim, angebracht worden ist (§ 45 Abs. 1 Satz 1 StPO), sondern dort erst am 13. Januar 2006 einging. Zwar hätte es zur Fristwahrung auch genügt, den Antrag binnen einer Woche an das Gericht zu stellen, das über die Revision und damit auch über die Wiedereinsetzung zu entscheiden hat (§ 45 Abs. 1 Satz 2 StPO). Dies ist bei erstinstanzlichen Urteilen der Landgerichte aber im Grundsatz der Bundesgerichtshof und nur in sehr seltenen, hier nicht gegebenen Ausnahmefällen (ausschließliche Verletzung von Landesrecht) das Oberlandesgericht (§ 46 Abs. 1 StPO, §§ 135 Abs. 1, 121 Abs. 1 Nr. 1c GVG). Der Eingang des Wiedereinsetzungsantrags am 9. Januar 2006 beim Oberlandesgericht Karlsruhe war deshalb zur Einhaltung der Frist nicht ausreichend. Auch wenn die Weiterleitung von dort zum Landgericht Mannheim einen Tag früher erfolgt wäre, hätte dies zur Fristwahrung nicht mehr genügt. Infolge der falschen Adressierung war die Versäumung der Frist zur Stellung des Wiedereinsetzungsantrags auch nicht unverschuldet (vgl. Wendisch in Löwe/Rosenberg, StPO 25. Aufl. § 44 Rdn. 43, 44; Maul in KK 5. Aufl. § 44 Rdn. 26). Deshalb kommt auch keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung dieser Frist - dies wäre auch von Amts wegen möglich - in Betracht.

Der Wiedereinsetzungsantrag vom 4. Januar 2006 gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der Revision ist allerdings auch unbegründet. Denn der Angeklagte hat es selbst veranlasst und damit zu vertreten, dass von seinem Verteidiger kein Rechtsmittel - mehr - eingelegt wurde unter gleichzeitiger Stellung eines Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Revisionseinlegungsfrist. Ein Angeklagter kann den Weg, um ein Rechtsmittel einzulegen, frei wählen. Auch hier soll der Angeklagte im Grundsatz nicht darauf verwiesen werden, dass die Rechtsmitteleinlegung durch ihn selbst zu Protokoll der Geschäftsstelle des Amtsgerichts oder ein Anruf bei seinem Rechtsanwalt möglicherweise von vorneherein zuverlässigere Wege gewesen wären. Es war dem Angeklagten vielmehr unbenommen, sich schriftlich an seinen Verteidiger zu wenden, um diesem seinen Gesinnungswandel mitzuteilen und ihn mit der Einlegung der Revision zu beauftragen. Der Angeklagte darf auch dann die Revisionsfrist - allerdings unter Berücksichtigung üblicher Postlaufzeiten - zur Überlegung ausschöpfen. Im vorliegenden Fall rechnete der Angeklagte jedoch von Anfang an damit, dass sein am Samstag in der Haftanstalt verfasster Brief - bei vorhersehbarer Absendung frühestens am Montag - seinen Rechtsanwalt vielleicht nicht mehr rechtzeitig erreichen könnte. Wenn ein Angeklagter unter diesen Umständen nicht versucht, auf anderen ihm offen stehenden Wegen die Fristwahrung sicher zu stellen, ist die Versäumung der Frist schon deshalb nicht unverschuldet. Hinzu kommt hier noch die Besonderheit, dass der vom Angeklagten seinem Rechtsanwalt erteilte Auftrag zur Einlegung der Revision gerade im Hinblick auf den zeitlichen Ablauf nicht unbedingt war. Der - aufgrund einiger früherer Verfahren gerichtserfahrene - Angeklagte nahm den Eingang seines Schreibens schon beim Rechtsanwalt nach Fristablauf - sozusagen billigend - in Kauf und wünschte für diesen Fall keine weiteren Bemühungen mit dem Ziel der Durchführung eines Revisionsverfahrens. Dieser eindeutigen Weisung des Angeklagten in seinem Brief vom 17. Dezember 2005 folgend unternahm der Verteidiger nichts mehr.

Die mit Schreiben vom 4. Januar 2006 am 13. Januar 2006 vom Angeklagten eingelegte Revision gegen das Urteil des Landgerichts Mannheim vom 13. Dezember 2005 ist damit mangels Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Revisionseinlegungsfrist wegen Nichteinhaltung der Wochenfrist des § 341 Abs. 1 StPO verspätet und deshalb unzulässig (§ 349 Abs. 1 StPO).



Ende der Entscheidung

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