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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 06.06.2002
Aktenzeichen: 1 StR 170/02
Rechtsgebiete: StGB, StPO


Vorschriften:

StGB § 64
StPO § 357
StPO § 349 Abs. 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

1 StR 170/02

vom

6. Juni 2002

in der Strafsache

gegen

wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 6. Juni 2002 gemäß §§ 349 Abs. 4, 357 StPO beschlossen:

Tenor:

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Mannheim vom 17. Januar 2002, auch soweit es die Angeklagte S. R. betrifft, mit den Feststellungen aufgehoben.

2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in acht Fällen, jeweils in Tateinheit mit unerlaubtem Erwerb von Betäubungsmitteln, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt. Die Mitangeklagte R. , die nicht selbst Revision eingelegt hat, wurde als Mittäterin zu einer Jugendstrafe verurteilt.

Die Revision des Angeklagten hat mit der Sachbeschwerde Erfolg; eine Erörterung der Verfahrensrüge bedarf es daher nicht. Die Verurteilung beruht auf einer unzureichenden Beweisgrundlage. Dieser auf die Revision des Angeklagten zu beachtende Rechtsfehler führt gemäß § 357 StPO zur Aufhebung auch der die Mitangeklagte R. betreffenden Verurteilung.

1. Der Beschwerdeführer beanstandet zu Recht, daß die Annahme des Landgerichts, es sei in den Kalenderwochen 13 bis 20 des Jahres 2001 zu acht Taten des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Erwerb gekommen, lediglich auf Vermutungen beruht, auf die der Schuldspruch nicht gestützt werden kann (vgl. BGHR StPO § 261 Vermutung 4 m.w.Nachw.; Schäfer StV 1995, 147, 149).

Zwar hat das Landgericht rechtsfehlerfrei festgestellt, daß die Angeklagten in dem in Rede stehenden Zeitraum 76 g eines Heroingemisches gewinnbringend an Dritte veräußert und nach einer Fahrt des Beschwerdeführers nach Frankfurt am Main am 15. Mai 2001 130 g Heroin (Heroinbase zwischen 10 und 12 %), davon 99 g in vier Plastikdruckverschlußtütchen, in ihrer Wohnung aufbewahrt hatten. Das Tatgericht konnte aufgrund der Einlassung der Angeklagten auch davon ausgehen, daß beide wöchentlich insgesamt 20 g des Heroingemisches selbst konsumierten. Ferner stand aufgrund der Aussage des Zeugen B. fest, daß der Angeklagte sich in dem gesamten Zeitraum achtmal nach Frankfurt am Main chauffieren ließ.

Der Beschwerdeführer bestreitet jedoch, bei den Fahrten nach Frankfurt am Main Heroin erworben zu haben. Für die Schlußfolgerung des Landgerichts, der Beschwerdeführer habe bei jeder dieser Fahrten Heroin, und zwar jeweils mindestens 99 g erworben, fehlen tatsächliche Grundlagen. Der als Zeuge gehörte Chauffeur hat angegeben, bei keiner der Fahrten den Besitz von Betäubungsmitteln bei dem Beschwerdeführer bemerkt zu haben. Dieser habe auch nie über den Erwerb von Heroin gesprochen. Die Feststellung, es sei von den Abnehmern der Angeklagten zu keiner Zeit über Lieferschwierigkeiten berichtet worden, ist - wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift zutreffend darlegt - angesichts der für den Gesamtzeitraum nachgewiesenen Verkaufsmenge (ca. 76 g) und des Eigenkonsums (ca. 160 g) nicht geeignet, den wöchentlichen Erwerb von 99 g Heroin zu belegen. Weitere Feststellungen konnte das Landgericht in diesem Zusammenhang nicht treffen. Die im Urteil mitgeteilten Indizien ergeben keine hinreichend tragfähige Tatsachengrundlage für eine Verurteilung mit dem in Rede stehenden Schuldumfang. Sie begründen - auch in einer Gesamtschau - lediglich eine Verdachtssituation.

2. Die Sache muß deshalb neu verhandelt werden. Dabei wird auch zu prüfen sein, ob gemäß § 64 StGB die Unterbringung des Beschwerdeführers in einer Entziehungsanstalt in Betracht kommt. Das Tatgericht hat diese Maßregel zu erörtern und ggf. - nach Anhörung eines Sachverständigen (§ 246a StPO) -zwingend anzuordnen, wenn die tatbestandlichen Voraussetzungen (z.B. Taten im Zusammenhang mit Drogenmißbrauch) vorliegen; ein Wahlrecht oder ein Spielraum ist ihm dabei nicht eingeräumt (st. Rspr., vgl. BGHSt 37, 5, 7; 38, 362, 363). Angesichts des seit vielen Jahren anhaltenden - im vorliegenden Tatzeitraum täglichen - Heroinkonsums des Beschwerdeführers und der Feststellung, daß er den Betäubungsmittelhandel betrieben hat, um seinen Eigenkonsum zu finanzieren, liegt die Anordnung seiner Unterbringung in einer Entziehungsanstalt nahe. Daß bei ihm keine hinreichend konkrete Aussicht eines Behandlungserfolgs besteht (vgl. BVerfGE 91, 1), ist dem angefochtenen Urteil nicht zu entnehmen. Im Gegenteil führt es aus, daß sich der Beschwerdeführer bereits seit Mai 2001 in therapeutischer Behandlung befindet und eine Entwöhnungsbehandlung absolvieren möchte. Daß nur der Angeklagte Revision eingelegt hat, hindert die Nachholung der Unterbringungsanordnung nicht (§ 358 Abs. 2 StPO; BGHSt 37, 5).

Ende der Entscheidung

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