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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 06.12.2000
Aktenzeichen: 1 StR 488/00
Rechtsgebiete: StPO


Vorschriften:

StPO § 349 Abs. 4
StPO § 230 Abs. 1
StPO § 338 Nr. 5
StPO § 247 Satz 2
StPO § 247
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

1 StR 488/00

vom

6. Dezember 2000

in der Strafsache

gegen

wegen versuchten Mordes u.a.

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 6. Dezember 2000 beschlossen:

Tenor:

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Passau vom 17. Juli 2000 nach § 349 Abs. 4 StPO mit den Feststellungen aufgehoben.

2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und wegen vorsätzlicher Körperverletzung in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren und sechs Monaten verurteilt.

Die Revision des Angeklagten hat mit einer Verfahrensrüge Erfolg. Zu Recht rügt der Angeklagte die Verletzung der §§ 247, 230 Abs. 1 StPO und macht den absoluten Revisionsgrund des § 338 Nr. 5 StPO geltend.

Die Revision trägt vor, im Rahmen der Vernehmung der Zeugin M. S. , während der der Angeklagte nach § 247 Satz 2 StPO von der Hauptverhandlung ausgeschlossen war, seien das Urteil und das Protokoll aus einer beigezogenen Scheidungsakte und ein Brief des Angeklagten verlesen sowie mehrere Fotos in Augenschein genommen worden. Bis zum Ende der Beweisaufnahme seien diese Beweiserhebungen nicht in Anwesenheit des Angeklagten wiederholt worden.

Dieses Verfahren beanstandet der Beschwerdeführer zu Recht. Da in der Niederschrift über die Hauptverhandlung nichts anderes vermerkt ist, wird durch sie bewiesen (§ 274 StPO), daß eine förmliche Beweisaufnahme (Verlesung von Urkunden, Einnahme eines gerichtlichen Augenscheins) stattgefunden hat. Das Vorhalten von Urkunden und die Verwendung von Augenscheinsobjekten als Vernehmungsbehelfe im Verlauf einer Zeugenvernehmung hätte keiner Aufnahme in die Sitzungsniederschrift bedurft. Umstände, die die Beweiskraft des Protokolls in Zweifel ziehen könnten, liegen nicht vor. Der Senat kann deshalb nicht davon ausgehen, die Urkunden und die Fotos seien im Rahmen der Vernehmung der Zeugin M. S. lediglich als Vernehmungsbehelf verwendet worden (vgl. BGHR StPO § 247 Abwesenheit 6; BGH NStZ 1999, 522 f.). Eine Verlesung zum Zwecke des Urkundenbeweises und eine Augenscheinseinnahme durften aber nicht in Abwesenheit des Angeklagten erfolgen, denn es handelt sich dabei um wesentliche Teile der Hauptverhandlung, von denen der Angeklagte nicht nach § 247 StPO ausgeschlossen werden darf (vgl. BGHSt 21, 332 f.; BGHR StPO § 247 - Abwesenheit 4, 5, 6, 9; BGHR StPO § 338 Nr. 5 - Angeklagter 3; BGH StV 1981, 57; 1987, 475; 2000, 238; Kleinknecht/Meyer-Goßner StPO 44. Aufl. § 247 Rn. 7, 19). Zumindest hätte die Verlesung der Urkunden und die Augenscheinseinnahme in Gegenwart des Angeklagten wiederholt werden müssen. Dies ist ausweislich der Sitzungsniederschrift nicht geschehen, so daß der unbedingte Revisionsgrund des § 338 Nr. 5 StPO vorliegt.

Ein Fall, in dem es denkgesetzlich ausgeschlossen wäre, daß das Urteil auf dem Verfahrensfehler beruht, liegt nicht vor.



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