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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 06.02.2002
Aktenzeichen: 1 StR 513/01
Rechtsgebiete: StGB


Vorschriften:

StGB § 246
§ 246 StGB ist nicht nur gegenüber Zueignungsdelikten subsidiär (im Anschluß an BGHSt 43, 237).
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

1 StR 513/01

vom

6. Februar 2002

in der Strafsache

gegen

wegen Totschlags u.a.

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 6. Februar 2002, an der teilgenommen haben:

Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Heidelberg vom 5. Juli 2001 wird mit der Maßgabe verworfen, daß der Angeklagte wegen Totschlags zu zwölf Jahren Freiheitsstrafe verurteilt ist.

Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

2. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das vorbezeichnete Urteil mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten dieses Rechtsmittels, an eine andere Schwurgerichtskammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe:

Der Angeklagte wurde wegen Totschlags in Tatmehrheit mit Unterschlagung zu zwölf Jahren und einem Monat Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt.

Hiergegen wenden sich die Revisionen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft jeweils mit der Sachrüge.

Die nicht näher ausgeführte Revision des Angeklagten hat nur hinsichtlich der Verurteilung wegen Unterschlagung Erfolg. Die Revision der Staatsanwaltschaft ist darauf beschränkt, daß der Angeklagte nicht wegen Mordes, sondern nur wegen Totschlags verurteilt wurde. Sie führt zur Aufhebung des Urteils insgesamt.

A.

Zur Revision des Angeklagten.

1. Der Angeklagte hat am 8. September 2000 einen Landsmann erstochen und anschließend dessen Mobiltelefon und dessen Geldbeutel an sich genommen. Unter Anwendung des Zweifelssatzes ist die Strafkammer davon ausgegangen, daß er sich erst zur Wegnahme entschlossen hat, als er sein Opfer erstochen hatte. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs liegt bei dieser Fallgestaltung Tateinheit zwischen dem Tötungsdelikt und dem Vermögensdelikt vor; der Zweifelssatz, der zur Verneinung von Mord aus Habgier führte, ist bei der Beurteilung der Konkurrenzen nochmals heranzuziehen (BGH b. Holtz MDR 1990, 676; BGHR StGB § 52 Abs. 1 in dubio pro reo 4 m. w. N.).

2. Ein Schuldspruch wegen Totschlags in Tateinheit mit Unterschlagung kommt dennoch nicht in Betracht.

Eine Verurteilung wegen Unterschlagung setzt nach der durch das 6. StrRG in § 246 StGB eingefügten Subsidiaritätsklausel voraus, daß die Tat nicht in anderen Vorschriften mit höherer Strafe bedroht ist. Eine ("die") Tat in diesem Sinne liegt bei Tateinheit (§ 52 StGB) regelmäßig vor (vgl. Noak, Drittzueignung und 6. StrRG S. 109). Daß die Annahme von Tateinheit hier auf der Anwendung des Zweifelssatzes beruht, ist dabei ohne Belang.

Der Senat hat erwogen, ob die Subsidiaritätsklausel hier deshalb nicht anwendbar ist, weil es sich bei der Vorschrift mit höherer Strafandrohung um Totschlag und nicht um ein Zueignungsdelikt handelt (hierfür etwa Tröndle/ Fischer StGB 50. Aufl. § 246 Rdn. 29; Eser in Schönke/Schröder StGB 26. Aufl. § 246 Rdn. 32 jew. m. w. N.; in vergleichbarem Sinne auch Rudolphi in JZ 1998, 471, 472).

Unbeschadet der Frage, ob ein derartiges Ergebnis zweckmäßig sein könnte, ist dies zu verneinen.

a) Eine solche Einschränkung der Subsidiaritätsklausel wäre mit dem Wortlaut des Gesetzes, dessen möglicher Wortsinn die äußerste Grenze der Auslegung strafrechtlicher Bestimmungen zum Nachteil des Angeklagten markiert (BGHSt 43, 237, 238 m. w. N. zur identischen Subsidiaritätsklausel des § 125 StGB), unvereinbar. Daher gilt die Subsidiaritätsklausel des § 246 StGB für alle Delikte mit höherer Strafdrohung (ebenso Laufhütte/Kuschel in LK 11. Aufl. <Nachtrag, 38. Lieferung> § 246 Rdnr. 9; Lackner/Kühl StGB 24. Aufl. § 246 Rdn. 14; Sander/Hohmann NStZ 1998, 273, 276; Noak, aaO S. 110; Wagner in Festschrift für Grünwald, S. 797, 800 ff; vgl. auch Otto, Jura 1998, 550, 551).

b) Eine Gegenüberstellung der Subsidiaritätsklauseln, die durch das 6. StrRG in § 246 StGB und in § 265 StGB eingefügt worden sind, bestätigt dieses Ergebnis:

§ 265 StGB enthält jetzt eine spezielle Subsidiaritätsklausel ("wenn die Tat nicht in § 263 mit Strafe bedroht ist"), deren Wortlaut demjenigen spezieller Subsidiaritätsklauseln anderer Strafbestimmungen (§§ 145, 145d, 202, 218c, 316 StGB) angeglichen ist. Die gleichzeitig in § 246 StGB eingefügte allgemeine Subsidiaritätsklausel kann danach nur so verstanden werden, daß sie auch allgemein gilt, Unterschlagung also hinter sämtlichen Vorschriften mit höherer Strafdrohung zurücktritt (Wagner aaO S. 800).

c) Der Senat verkennt bei alledem nicht, daß § 246 StGB nach den Materialien zum 6. StrRG alle Formen der rechtswidrigen Zueignung erfassen soll, die nicht einen mit schwererer Strafe bedrohten eigenständigen Straftatbestand erfüllen; beispielhaft sind Diebstahl, Raub, Erpressung und Hehlerei angeführt (BTDrucks. 13/8587, 43 f; hierzu im einzelnen Wagner aaO S. 797 f, 800). Danach läge die Annahme nahe, daß § 246 StGB nur hinter mit schwererer Strafe bedrohten Zueignungsdelikten subsidiär sein soll. Da ein solcher Wille des Gesetzgebers im Wortlaut des Gesetzes aber nicht zum Ausdruck gebracht ist (Kritik an der Gesetzesfassung etwa bei Otto aaO und Wagner aaO S. 810), kann er nicht Grundlage einer mit dem Wortlaut des Gesetzes unvereinbaren Auslegung des Gesetzes zum Nachteil des Angeklagten sein (vgl. BGHSt 42, 291, 293).

3. Der Senat ändert daher den Schuldspruch, der im übrigen keine Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten enthält, dahin ab, daß die Verurteilung wegen Unterschlagung entfällt, und erkennt auf die ebenfalls ohne Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten festgesetzte Einzelstrafe wegen Totschlags (vgl. BGH b. Holtz MDR 1990, 676).

4. Der geringe Teilerfolg der Revision des Angeklagten hat auf die Kostenentscheidung keinen Einfluß (§ 473 Abs. 4 StPO).

B.

Zur Revision der Staatsanwaltschaft.

Das auch vom Generalbundesanwalt vertretene Rechtsmittel hat Erfolg. Die Mordmerkmale Habgier und niedrige Beweggründe sind nicht mit rechtsfehlerfreier Beweiswürdigung verneint.

I.

1. Zu den Hintergründen der Tat, ihrem Ablauf sowie dem übrigen Geschehen am Tattag hat die Strafkammer folgendes festgestellt:

Der Angeklagte, ein gebürtiger Vietnamese, hatte von sich aus seine Arbeit im Betrieb seines Bruders in K. aufgegeben und hielt sich statt dessen vor allem in Spielhallen auf, wurde aber zumindest zeitweilig noch von seiner Familie finanziell unterstützt. Ein Freund der Familie, der an den Rollstuhl gefesselte Wissenschaftler H. , hatte dem Angeklagten 10.000 DM geliehen, damit er sich am Kauf eines Pkws durch die Familie beteiligen konnte. Außerdem hatte er ihm eine Lehrstelle an der Universität He. vermittelt. Der Angeklagte trat sie jedoch nicht an und behauptete sowohl gegenüber H. als auch gegenüber seiner Familie, er habe in Düsseldorf eine Lehre begonnen. Tatsächlich hielt er sich weiterhin vor allem in Spielhallen auf, bekam daher finanzielle Probleme und verbrauchte das Darlehen. Als H. von einer Schwester des Angeklagten erfuhr, daß dieser sich nicht an den Kosten des Pkws beteiligt hatte, forderte er vom Angeklagten über die Schwester wenigstens einen Teil des Darlehens zurück. Der Angeklagte konnte nicht zahlen und beschloß, H. in dessen Wohnung in N. aufzusuchen. Da er zwar Auto fahren kann, aber keinen Führerschein hat, forderte der Angeklagte seinen Bekannten L. auf, ihn zu begleiten. Als Grund der Reise gab er wahrheitswidrig an, er wolle einen Computer abholen. Der Angeklagte fuhr daher am Tattag in Begleitung L. s in einem seiner Familie gehörenden Pkw in Richtung N. . Nachdem man unterwegs in eine Polizeikontrolle geraten war, übergab der Angeklagte anschließend das Steuer an L. . In N. veranlaßte er ihn mit der bewußt falschen Behauptung, näher am Wohnhaus des H. könne man nicht parken, den Pkw in einiger Entfernung abzustellen und auf ihn zu warten.

In der Hoffnung, H. werde ihm einen Ausweg zeigen, legte der Angeklagte diesem in der Wohnung sein Lügengebäude offen. Als H. ihm jedoch Vorhalte machte, befürchtete er, daß nun auch gegenüber seiner Familie seine Lügen offenbar würden. Dies hätte nach seiner Vorstellung sowohl für ihn als auch für seine Familie große Schande bedeutet. Hierüber geriet er in völlige Verzweiflung, ergriff spontan ein H. gehörendes Messer und tötete ihn mit zahlreichen Stichen. Anschließend kam ihm die Idee, Geldbeutel und Mobiltelefon an sich zu nehmen. Außerdem reinigte er sich und beseitigte das Tatmesser, das seither nicht aufgefunden werden konnte. Äußerlich ruhig begab er sich zum Pkw, wo er L. eingehend erklärte, warum er jetzt doch keinen Computer mitbrächte. Auf der anschließenden Rückfahrt entledigte er sich des Mobiltelefons; dessen Besitz war ihm verräterisch erschienen, nachdem es geklingelt hatte. Nach einem Zwischenaufenthalt in F. , wo man nach einem Sexshop suchte, waren der Angeklagte und L. am nächsten Morgen wieder zu Hause.

2. Der Angeklagte hat bestritten, H. getötet zu haben. Zunächst hatte er sich um ein falsches Alibi bemüht. Später hat er seine Angaben dem jeweiligen Ermittlungsstand angepaßt. Zuletzt hat er angegeben, zur Tatzeit bei H. gewesen zu sein und ihm seine Lügengeschichten offenbart zu haben. Dieser sei von ihm enttäuscht gewesen und habe ihn aufgefordert zu gehen. Dies habe er getan. Wie und warum er Geldbeutel und Mobiltelefon mitgenommen habe, wisse er nicht. Als er es bemerkt habe, habe er sich gesorgt, daß er seinen Freund "schon wieder ... enttäuscht habe".

Die Strafkammer, die sich weder hinsichtlich des genauen Geschehensablaufs in der Wohnung noch hinsichtlich des Tatmotivs auf Zeugenaussagen stützen konnte, hat sich mit rechtsfehlerfreien Erwägungen davon überzeugt, daß der Angeklagte H. getötet hat. Ein Motiv, das zur Annahme von Mord führen würde, konnte sie dagegen nicht feststellen.

Hätte der Angeklagte H. getötet, um das Darlehen nicht zurückzahlen zu müssen, läge aus Habgier begangener Mord vor (vgl. BGH NJW 1993, 1664, 1665 m. w. N.), wäre es (auch) um die Wertgegenstände von H. gegangen, in Tateinheit mit Raub mit Todesfolge (vgl. BGHSt 39, 100).

Niedrige Beweggründe im Sinne des § 211 StGB kämen in Betracht, wenn der Angeklagte eigenes, zwar nicht strafbares, aber ehrenrühriges Verhalten hätte verdecken wollen (vgl. BGH NStZ 1987, 81).

Von alledem geht auch die Strafkammer aus. Sie konnte jedoch nicht ausschließen, daß der Angeklagte H. nur aufgesucht hat, um eine Aussprache herbeizuführen und sich erst in deren Verlauf voller Verzweiflung über die drohende große Schande zur Tötung entschlossen hat. Dementsprechend scheide Habgier aus, weil es ihm nicht um Bereicherung gegangen sei; bei der Furcht vor Schande handle es sich jedenfalls im Hinblick auf den hohen Grad seiner seelischen Erregung nicht um einen niedrigen Beweggrund.

3. Kann der Tatrichter tatsächliche Zweifel nicht überwinden und zieht die danach gebotene Konsequenz (hier: Verurteilung wegen Totschlags statt wegen Mordes), so hat dies das Revisionsgericht regelmäßig hinzunehmen. Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters; es kommt nicht darauf an, ob das Revisionsgericht angefallene Erkenntnisse anders gewürdigt oder Zweifel überwunden hätte.

Demgegenüber kann ein Urteil keinen Bestand haben, wenn die Beweiswürdigung rechtsfehlerhaft ist. Dies ist etwa der Fall, wenn sie widersprüchlich oder unklar ist, nicht alle wesentlichen Feststellungen in die Erwägungen einbezieht oder naheliegende Möglichkeiten unerörtert läßt (st. Rspr., vgl. nur BGH Urteil vom 12. Juni 2001 - 1 StR 190/01; wistra 1999, 338, 339 m. w. N.).

Ist eine Vielzahl einzelner Erkenntnisse angefallen, so ist eine Gesamtwürdigung vorzunehmen. Ein auf einen feststehenden Kern gestütztes Beweisanzeichen, dessen Bedeutung für sich genommen unklar bleibt, kann nicht vorab isoliert nach dem Zweifelssatz beurteilt werden. Beweisanzeichen können nämlich in einer Gesamtschau wegen ihrer Häufung und gegenseitigen Durchdringung die Überzeugung von der Richtigkeit eines Vorwurfs begründen (vgl. nur BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 24; BGH Urteil vom 15. Juli 1998 - 1 StR 243/98 jew. m. w. N.). Hat der Angeklagte Angaben gemacht, für deren Richtigkeit oder Unrichtigkeit es keine (ausreichenden) Beweise gibt, sind diese in die Gesamtwürdigung des Beweisergebnisses einzubeziehen und nicht ohne weiteres als unwiderlegt dem Urteil zu Grunde zu legen. Ihre Zurückweisung erfordert nicht, daß sich das Gegenteil der Behauptung positiv feststellen ließe (vgl. nur BGHR StPO § 261 Einlassung 5, 6; Engelhardt in KK 4. Aufl. § 261 Rdn. 28 jew. m. w. N.). Auch im übrigen gebietet es der Zweifelssatz nicht, zugunsten des Angeklagten Tatvarianten zu unterstellen, für deren Vorliegen das Beweisergebnis keine konkreten tatsächlichen Anhaltspunkte erbracht hat (vgl. BGH NJW 1995, 2300; Urteil vom 12. Dezember 2001 - 3 StR 303/01 m. w. N.).

An alledem gemessen, enthält die Beweiswürdigung der Strafkammer den Angeklagten begünstigende Rechtsfehler.

II.

1. Die Strafkammer geht zutreffend davon aus, daß es gegen eine spontane und für eine geplante Tat spreche, wenn der Angeklagte das - nicht mehr auffindbare - Tatmesser zum Tatort mitgebracht hätte.

Dies konnte sie jedoch nicht feststellen.

a) Sie führt aus, gegen ein Mitbringen des Messers spreche schon, daß dieses Messer bei der polizeilichen Kontrolle auf der Hinfahrt nicht bemerkt werden konnte. Demgegenüber sei bei dieser Gelegenheit in der Aktentasche des Angeklagten ein Metallhandschuh gefunden worden, dessen Bedeutung (Handschutz beim Zuschneiden) der Angeklagte den kontrollierenden Beamten auf deren Nachfrage im einzelnen erläutert habe. Die Strafkammer folgert daraus, daß bei dieser Kontrolle auch ein im Pkw befindliches Messer gefunden worden wäre und Anlaß zu Erörterungen gegeben hätte.

Diese Erwägungen sind im Ansatz nicht zu beanstanden.

Im einzelnen ergeben die Ausführungen der Strafkammer jedoch von ihr nicht erörterte Gesichtspunkte, die dagegen sprechen, daß der Pkw überhaupt kontrolliert wurde. Selbst wenn man der Strafkammer aber insoweit folgt, sind die Feststellungen zu dem Metallhandschuh widersprüchlich und unklar.

aa) Die Strafkammer hat festgestellt, daß am Tattag auf der vom Angeklagten und dem Zeugen L. benutzten Bundesautobahn zahlreiche Kraftfahrzeuge im Rahmen einer Drogenfahndung kontrolliert wurden. Schriftliche Unterlagen darüber, daß auch das hier in Rede stehende Fahrzeug kontrolliert wurde, gibt es nicht; jedoch hätten der Angeklagte und der Zeuge L. die Kontrolle und ihren Ablauf weitgehend übereinstimmend geschildert. Eine Differenz in den Schilderungen gäbe es allerdings insofern, als nur L. behauptet habe, daß auch die Führerscheine kontrolliert worden seien.

Zum Zeitpunkt der Kontrolle steuerte der Angeklagte das Fahrzeug. Er hat keinen Führerschein. Hätte es, wie L. behauptet, eine Führerscheinkontrolle gegeben, läge zumindest nahe, daß dies festgestellt worden wäre. Ebenso nahe liegt, daß es dann schriftliche Unterlagen über die Kontrolle dieses Fahrzeugs gäbe.

Es erscheint aber auch fernliegend und hätte daher näherer Begründung bedurft, daß, wie der Angeklagte behauptet, Polizeibeamte ein Fahrzeug intensiv und zeitaufwendig durchsuchen, mit dem Fahrer dabei über einen in einer Aktentasche aufgefundenen Metallhandschuh debattieren und bei alledem nicht überprüfen, ob der Fahrer eine Fahrerlaubnis hat.

bb) Die Angaben des Angeklagten und die von L. zum Ablauf der Kontrolle differierten nur hinsichtlich der Führerscheinkontrolle. Danach haben beide das Auffinden des Metallhandschuhs übereinstimmend geschildert. Damit unvereinbar ist jedoch, daß der Metallhandschuh "nach Einlassung des Angeklagten" zu Nachfragen führte, während L. "hiervon" nichts berichtet hat. Beruhten die Feststellungen zum Auffinden des Metallhandschuhs nur auf den sonst durch nichts bestätigten Angaben des Angeklagten, wären sie aber, zumal unter Berücksichtigung seines übrigen Aussageverhaltens, nicht ohne weiteres als unwiderlegt den Feststellungen zu Grunde zu legen.

b) Diesen Maßstab hat die Strafkammer (auch) an die Erklärung des Angeklagten angelegt, er habe seine Aktentasche allein deshalb mit in die Wohnung von H. mitgenommen, weil sich darin (wohl zusätzlich zu dem Metallhandschuh) Hochzeitsbilder befunden hätten, die er ihm habe zeigen wollen. Die Strafkammer sieht diese Einlassung zwar als "wenig glaubhaft" an, sie sei aber "letztlich nicht zu widerlegen". Die Strafkammer brauchte sich jedoch nicht, wie sie es getan hat, durch eine sonst nicht belegte, wenig glaubhafte Einlassung des Angeklagten daran gehindert zu sehen, aus einem als solchen feststehenden Beweisanzeichen (der Angeklagte führte eine Aktentasche mit sich) einen Schluß zum Nachteil des Angeklagten (in der Aktentasche, die er ohne sonst erkennbaren Grund mit in die Wohnung nahm, befand sich ein Messer) zu ziehen.

2. Die Strafkammer hat auch die Lüge des Angeklagten zu den fehlenden Parkmöglichkeiten am Wohnhaus des H. nur isoliert und auch sonst nicht rechtsfehlerfrei bewertet. Sie verkennt zwar nicht, daß dieses Verhalten des Angeklagten, mit dem er verhindert hat, daß der auf ihn hindeutende Pkw in der Nähe des Tatorts gesehen werden konnte, für einen vorgefaßten Tatplan sprechen könnte. Sie meint aber, der Angeklagte habe möglicherweise einen lautstarken Streit mit H. vorausgesehen und befürchtet, L. könne diesen Streit mitbekommen, wenn der Pkw in unmittelbarer Nähe des Hauses parken würde. Konkrete tatsächliche Anhaltspunkte für diese Variante sind jedoch nicht ersichtlich; darüber hinaus ist auch nicht erörtert, wie sie mit einer durch Vorwürfe H. s ausgelösten Spontantat vereinbar ist.

3. Schließlich sind auch Gesichtspunkte, die gegen die Annahme einer ungewöhnlichen Verzweiflung wegen der drohenden großen Schande sprechen können, nicht erkennbar erörtert.

a) Der Angeklagte hatte die Arbeit bei seinem Bruder aufgegeben und sich statt dessen hauptsächlich in Spielhallen aufgehalten. Dies war der Familie bekannt, die ihn gleichwohl finanziell zumindest zeitweilig weiter unterstützte. Die Angehörigen wußten auch, daß der Angeklagte das Darlehen von H. absprachewidrig nicht dazu verwendet hatte, sich an den Kosten des neuen Pkws zu beteiligen. Es ist nicht ersichtlich, daß all dies zu einem besonderen Ehrverlust des Angeklagten gegenüber seiner Familie geführt hätte, oder daß gar die Familie deshalb in Schande geraten sei. Unter diesen Umständen verdeutlichen die Hinweise auf Herkunft und enge familiäre Bindung des Angeklagten nicht, warum er demgegenüber schwere Schande befürchtete, wenn (auch) offenbar würde, daß seine Behauptung über seine angebliche Tätigkeit in D. eine Lüge war.

b) Nach der Tat hat der Angeklagte Spuren beseitigt, Wertgegenstände seines Opfers an sich gebracht, dem Zeugen L. genau erklärt, warum er jetzt doch keinen Computer dabei hatte und sich an der Suche nach einem Sexshop beteiligt. Dieses Verhalten erscheint insgesamt zielgerichtet, überlegt und unauffällig. Es wäre daher zu erörtern gewesen, wie dies mit der Annahme vereinbar ist, der Angeklagte habe kurz zuvor aus spontan entstandener großer Verzweiflung seinen Freund erstochen.

III.

1. Nach alledem sind die tatsächlichen Grundlagen zur Verneinung von Habgier und niedrigen Beweggründen nicht rechtsfehlerfrei festgestellt. Da die Sache deshalb neuer Verhandlung und Entscheidung bedarf, können die in der Revisionsbegründung der Beschwerdeführerin vom 2. November 2001 und im Antrag des Generalbundesanwalts vom 28. November 2001 im einzelnen vorgetragenen weiteren Bedenken gegen die Verneinung niedriger Beweggründe auf sich beruhen.

2. Die Urteilsaufhebung umfaßt das gesamte Urteil. Da die Wegnahme von Geld und Mobiltelefon nicht in Tatmehrheit zu dem Tötungsdelikt steht, geht die Revisionsbeschränkung der Staatsanwaltschaft auf das Tötungsdelikt ins Leere (vgl. BGH b. Kusch NStZ-RR 1998, 257, 262 f m. w. N.).

Ende der Entscheidung

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