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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 25.04.2001
Aktenzeichen: 1 StR 68/01
Rechtsgebiete: StPO, StGB


Vorschriften:

StPO § 349 Abs. 2
StGB § 21
StGB § 67b Abs. 2
StGB § 67 Abs. 1 Satz 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

1 StR 68/01

vom

25. April 2001

in der Strafsache

gegen

wegen Körperverletzung u.a.

Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 25. April 2001 beschlossen:

Tenor:

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Landshut vom 6. November 2000 aufgehoben; die Feststellungen zum äußeren Sachverhalt bleiben jedoch aufrechterhalten.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

3. Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Körperverletzung in Tateinheit mit Sachbeschädigung zu einer Geldstrafe verurteilt und seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Die Revision des Angeklagten führt auf die Sachrüge zur Aufhebung des Schuld- und Straf- sowie des Maßregelausspruchs (§ 349 Abs. 4 StPO). Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen zum äußeren Sachverhalt werden jedoch aufrechterhalten (§ 349 Abs. 2 StPO).

Nach den Feststellungen leidet der Angeklagte an einer Psychose aus dem Formenkreis der Schizophrenie. Diese geistige Erkrankung hat zur Folge, daß der Angeklagte sich "zu Gewalttätigkeiten hinreißen läßt, wenn er sich subjektiv bedroht fühlt". Nach den Darlegungen des Sachverständigen Dr. B. , denen die Strafkammer folgt, sei dieses Verhalten "subjektiv folgerichtig, aber nicht nachvollziehbar. Aus diesem Grunde bejahe er zwar die Steuerungsfähigkeit, halte jedoch die Einsichtsfähigkeit nicht in vollem Umfang für gegeben ... Insgesamt halte er die Einsichtsfähigkeit im Sinne von § 21 StGB für eingeschränkt, aber nicht für aufgehoben". Der Angeklagte komme bei "einer medikamentösen Behandlung ... ohne Konflikte mit der Gesellschaft zurecht". Da der Angeklagte aber keine Krankheitseinsicht habe, lehne dieser es ab, freiwillig die erforderlichen Medikamente einzunehmen. Deshalb sei zum jetzigen Zeitpunkt eine stationäre Behandlung des Angeklagten erforderlich, um weitere psychotische Schübe zu vermeiden, die sonst wieder zu Aggressivitäten führten.

1. Diese Ausführungen des Landgerichts reichen nicht aus, um die Anwendung des § 21 StGB auf eine verminderte Einsichtsfähigkeit stützen zu können. Eine verminderte Einsichtsfähigkeit ist strafrechtlich erst dann von Bedeutung, wenn sie das Fehlen der Einsicht zur Folge hat (BGHR StGB § 21 Einsichtsfähigkeit 6). Der Täter, der trotz generell gegebener verminderter Einsichtsfähigkeit im konkreten Fall die Einsicht in das Unrecht seiner Tat gehabt hat, ist voll schuldfähig (BGHSt 21, 27, 28; 34, 22, 25 ff.). Fehlt dem Täter die Unrechtseinsicht und kann ihm ihr Fehlen auch nicht vorgeworfen werden, dann hat er ohne Schuld (§ 20 StGB) gehandelt mit der Folge, daß eine Bestrafung ausscheidet (vgl. BGHR StGB § 20 Einsichtsfähigkeit 2, 3).

Die Urteilsgründe lassen befürchten, daß die Strafkammer diesen rechtlichen Ausgangspunkt nicht zutreffend gesehen hat. Dies führt zur Aufhebung des Schuld- und Rechtsfolgenausspruchs. Eine zu Unrecht bejahte Anwendung des § 21 StGB würde für sich alleine genommen den Angeklagten zwar nicht beschweren, die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus müßte dann aber entfallen (vgl. BGH NStZ-RR 1999, 207). Im übrigen sprechen die Feststellungen eher dafür, daß die Steuerungsfähigkeit eingeschränkt gewesen sein könnte.

2. Vorsorglich weist der Senat zum Maßregelausspruch darauf hin, daß der Erörterung bedurft hätte, ob der Zweck der Maßregel nicht auch durch Aussetzung der Vollstreckung zur Bewährung mit der Weisung, sich der - erfolgversprechenden - medikamentösen Behandlung zu unterziehen, erreicht werden kann.

Nach § 67b Abs. 2 StGB tritt mit der Aussetzung der Vollstreckung der Unterbringung Führungsaufsicht ein und der Angeklagte erhält einen Bewährungshelfer (§ 68a StGB). Wenn dies auch für sich allein kein besonderer Umstand im Sinne des § 67b Abs. 1 StGB ist (BGH, Urteil vom 16.03.93 - 1 StR 888/92 - in NStZ 1993, 395 nicht abgedruckt), so war doch zu prüfen, ob nicht die damit gegebenen Überwachungsmöglichkeiten und die dem Angeklagten zu verdeutlichende Konsequenz, daß er bei Nichterfüllung der Weisungen (§ 68b StGB) mit dem Vollzug der Unterbringung zu rechnen habe, eine hinreichende Gewähr dafür bieten, daß der Angeklagte sich einer (soweit notwendig) ambulanten medikamentösen Behandlung unterzieht, und ob damit nicht die Erwartung gerechtfertigt ist, daß der Zweck der Maßregel auch ohne Vollzug der Unterbringung erreicht werden kann (BGHR StGB § 67b Gesamtwürdigung 1 = StV 1988, 104 m.w.N.; BGHR StGB § 67b I Besondere Umstände 2 = NStZ 1988, 309; vgl. auch Tröndle/Fischer 50. Aufl. StGB § 67b Rdn. 3; Stree in Schönke/Schröder 26. Aufl. StGB § 67b Rdn. 6).

Darüber hinaus wird auch zu prüfen sein, ob eine Aussetzung der Unterbringung zur Bewährung deshalb erfolgen kann, weil eine Unterbringung aufgrund eines Unterbringungsbeschlusses des Vormundschaftsgerichts in Betracht kommt. Eine anderweitige Unterbringung kann ein besonderer Umstand im Sinne des § 67 Abs. 1 Satz 1 StGB sein, der es rechtfertigen kann, die Vollstreckung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus auszusetzen (BGHSt 34, 313, 316; BGHR StGB § 67b Abs. 1 besondere Umstände 3, 5; BGH StV 2000, 613).



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