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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 08.10.1999
Aktenzeichen: 2 AR 171/99
Rechtsgebiete: StPO, StGB


Vorschriften:

StPO § 456 a
StPO § 14
StPO § 454
StPO § 462 a Abs. 1 Satz 1
StPO § 456 a Abs. 1
StPO § 462 a Abs. 1 Satz 2
StGB § 57 Abs. 2 Nr. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichungen bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

2 AR 171/99 2 ARs 408/99

vom

8. Oktober 1999

in der Strafvollstreckungssache

gegen

wegen erpresserischen Menschenraubes

Az.: 84 VRs 84 Js 4470/90 Staatsanwaltschaft Tübingen

Az.: XII StVK 297/99 Landgericht Freiburg

Az.: I KLs 2/90 Landgericht Tübingen

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts am 8. Oktober 1999 beschlossen:

Tenor:

Die Entscheidung über den Antrag des Verurteilten auf Aussetzung der Reststrafe zur Bewährung obliegt der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Freiburg.

Gründe:

Der Senat schließt sich dem Generalbundesanwalt an, der in seiner Antragsschrift vom 28. September 1999 ausgeführt hat:

"Das Landgericht Tübingen verurteilte den aus dem ehemaligen Jugoslawien stammenden Verurteilten in dem Verfahren I KLs 2/90 durch Urteil vom 7. August 1990 wegen erpresserischen Menschenraubes in Tateinheit mit schwerer räuberischer Erpressung rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren sechs Monaten. Der Verurteilte verbüßte die Strafe vom 15. August 1990 bis zum 17. Dezember 1991, zuletzt in einer zum Bezirk der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Freiburg gehörenden Justizvollzugsanstalt. Halbstrafenzeitpunkt war der 25. September 1991; zwei Drittel der Strafe wären am 25. April 1992 verbüßt gewesen.

Am 17. Dezember 1991 wurde der Verurteilte in sein Heimatland abgeschoben, nachdem die Staatsanwaltschaft mit Verfügung vom 18. September 1991 gemäß § 456 a StPO von der weiteren Vollstreckung der Freiheitsstrafe abgesehen hatte. Zum Zeitpunkt der Abschiebung befand sich der Verurteilte in der Justizvollzugsanstalt München, in die er aus der Justizvollzugsanstalt Freiburg am 9. Dezember 1991 zum Zwecke der Abschiebung verlegt worden war.

Mit Schreiben vom 9. Februar 1999 hat der Verurteilte über seinen Anwalt bei der Staatsanwaltschaft Tübingen beantragt, die noch zu vollstreckende Restfreiheitsstrafe von 553 Tagen zur Bewährung auszusetzen. Sowohl die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Freiburg als auch das Landgericht Tübingen als Gericht des ersten Rechtszuges haben sich für unzuständig erklärt. Mit Beschluß vom 17. August 1999 hat die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Freiburg die Vollstreckungssache dem Bundesgerichtshof zur Zuständigkeitsbestimmung gemäß § 14 StPO vorgelegt.

Zuständig für die gemäß § 454 StPO zu treffende nachträgliche Entscheidung über die Reststrafenaussetzung zur Bewährung nach § 57 Abs. 2 Nr. 2 StGB ist die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Freiburg.

Nach der besonderen Regelung der Zuständigkeit zwischen dem Gericht des ersten Rechtszuges und der Strafvollstreckungskammer in § 462 a StPO hat die Strafvollstreckungskammer bei der Vollstreckung einer Freiheitsstrafe den Vorrang (BGHR StPO § 462 a Abs. 1 Zuständigkeitswechsel 2). Ihre Zuständigkeit wird bereits mit der Aufnahme des Verurteilten in eine Justizvollzugsanstalt ihres Bezirkes begründet und nicht erst dann, wenn sie mit einer bestimmten Entscheidung befaßt ist; letzteres hindert lediglich bis zur abschließenden Entscheidung den Wechsel der örtlichen Zuständigkeit (BGH NStZ 1984, 380 f.).

Ausgehend hiervon ist die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Freiburg zur Entscheidung über die Reststrafenaussetzung berufen, da der Verurteilte vom 12. November 1990 bis zum 9. Dezember 1991 in einer zu ihrem Bezirk gehörenden Justizvollzugsanstalt die Strafe verbüßte. Daß die Strafvollstreckungskammer während dieser Zeit keine der in § 462 a Abs. 1 Satz 1 StPO aufgeführten Entscheidungen zu treffen hatte, spielt für die Zuständigkeitsbegründung keine Rolle, weil die mit der Aufnahme in die Justizvollzugsanstalt zur Strafverbüßung begründete Zuständigkeit der Strafvollstreckungskammer die des Gerichts des ersten Rechtszuges unabhängig von der Frage des Befaßtseins verdrängt.

Die Zuständigkeit der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Freiburg ist auch nicht deswegen entfallen, weil der Verurteilte am 17. Dezember 1991 in sein Heimatland abgeschoben wurde. Zwar hat die Staatsanwaltschaft Tübingen nach § 456 a Abs. 1 StPO von der weiteren Vollstreckung der Freiheitsstrafe abgesehen; jedoch ist die Strafvollstreckung dadurch nicht erledigt. Vielmehr bestimmt § 456 a Abs. 2 StPO, daß die Vollstreckung einer Freiheitsstrafe, von der aufgrund Ausweisung des Verurteilten abgesehen wurde, nach dessen Rückkehr nachgeholt werden kann. In solchen Fällen ist die für die Zuständigkeitsregelung maßgebliche Interessenlage gleich wie in Fällen einer Unterbrechung oder Ausssetzung der Vollstreckung, für die § 462 a Abs. 1 Satz 2 StPO den Fortbestand der gemäß Satz 1 begründeten Zuständigkeit vorsieht. Gesichtspunkte, die für Fälle des § 456 a Abs. 2 StPO eine andere Regelung nahelegen könnten, sind nicht ersichtlich (vgl. BGH, Beschluss vom 27. Juni 1984 - 2 ARs 196/84 -).

Schließlich hat die am 9. Dezember 1991 erfolgte Verlegung des Verurteilten in die Justizvollzugsanstalt München keinen Wechsel der örtlichen Vollstreckungszuständigkeit der Strafvollstreckungskammer nach § 462 a Abs. 1 Satz 1 StPO bewirkt. Entscheidend ist, daß die Verlegung in die Justizvollzugsanstalt München lediglich von kurzer Dauer war und allein dem Zweck diente, die alsbaldige Abschiebung des Verurteilten vorzubereiten. Derart kurzfristige Verlegungen bewirken keinen Zuständigkeitswechsel (vgl. BGHR JGG § 85 Abs. 2 Aufnahme 1)."

Ende der Entscheidung

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