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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 20.03.2000
Aktenzeichen: 2 ARs 489/99
Rechtsgebiete: StPO, StGB, BGB, ZPO


Vorschriften:

StPO § 140 Abs. 2
StPO § 141 Abs. 3
StPO § 138 a Abs. 1 Nr. 1
StPO § 138 d Abs. 6 Satz 1
StPO § 311 Abs. 2
StPO § 97 Abs. 1 Nr. 1
StPO § 97 Abs. 2 Satz 3
StGB § 288
BGB § 134
BGB § 138
ZPO § 829 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

2 ARs 489/99 2 AR 217/99

vom

20. März 2000

in dem Ermittlungsverfahren

gegen

1.

2.

3.

wegen Vereitelns der Zwangsvollstreckung, Betruges u.a.

hier: Ausschließung des Rechtsanwalts S. als Verteidiger des Mitbeschuldigten W.

Az.: 11 Js 3545/99 Staatsanwaltschaft Rottweil

Az.: Ausschl. (22) 1/99 Generalstaatsanwaltschaft Stuttgart

Az.: 1 Ausschl. 1/99 Oberlandesgericht Stuttgart

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 20. März 2000 beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde des Rechtsanwalts S. gegen den Beschluß des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 15. Oktober 1999 wird verworfen.

Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

I.

Die Staatsanwaltschaft Rottweil führt gegen W. , dessen Mutter M. und den Beschwerdeführer Rechtsanwalt S. das Ermittlungsverfahren 11 Js 3545/99 wegen Vereitelns der Zwangsvollstreckung, Betruges u.a. . Gegenstand der Ermittlungen ist der Verdacht, die Beschuldigten W. und M. hätten zeitlich vorrangige Sicherungsabtretungen für die pfändbaren Gehaltsforderungen des Beschuldigten W. fingiert, um Zwangsvollstreckungsmaßnahmen gegen ihn zu vereiteln, und der Beschuldigte S. habe ihnen hierbei zumindest Hilfe geleistet.

Das Amtsgericht Tuttlingen hat zunächst Rechtsanwalt Sch. zum Verteidiger des Beschuldigten W. bestellt (§§ 140 Abs. 2, 141 Abs. 3 StPO). Mit einer Verteidigervollmacht vom 12. Mai 1999 beantragte Rechtsanwalt S. sodann, zum Verteidiger des Beschuldigten W. bestellt zu werden. Die Generalstaatsanwaltschaft beantragte, Rechtsanwalt S. von der Mitwirkung als Verteidiger des Mitbeschuldigten W. gemäß § 138 a Abs. 1 Nr. 1 StPO auszuschließen.

Mit Beschluß vom 15. Oktober 1999 hat das Oberlandesgericht Rechtsanwalt S. als Verteidiger des Mitbeschuldigten W. ausgeschlossen, da der dringende Verdacht bestehe, daß er an der Tat, die den Gegenstand des Ermittlungsverfahrens 11 Js 3545/99 der Staatsanwaltschaft Rottweil bilde, beteiligt sei (§ 138 a Abs. 1 Nr. 1 StPO).

Gegen diesen Beschluß richtet sich die sofortige Beschwerde des Rechtsanwalts S. , mit der er insbesondere geltend macht, die Antragsschrift der Generalsstaatsanwaltschaft sei nicht hinreichend bestimmt und die Ausschließung könne auf eine Straftat nach § 288 StGB schon deshalb nicht gestützt werden, weil insoweit rechtswirksame Strafanträge fehlten. Zudem seien die bei der Durchsuchung seiner Kanzlei am 10. Februar 1999 sichergestellten Urkunden sowie die Aussagen der Mitbeschuldigten W. und M. nicht verwertbar.

II.

Die gemäß §§ 138 d Abs. 6 Satz 1, 311 Abs. 2 StPO statthafte und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde ist nicht begründet. Das Oberlandesgericht hat Rechtsanwalt S. mit der angefochtenen Entscheidung zu Recht von der Mitwirkung als Verteidiger ausgeschlossen, weil er dringend verdächtig ist, an der Tat, die den Gegenstand der Untersuchung bildet, beteiligt gewesen zu sein (§ 138 a Abs. 1 Nr. 1 StPO). Gegen ihn besteht der dringende Verdacht, er habe zum gemeinschaftlichen Betrug der Mitbeschuldigten W. und M. und zum Vereiteln der Zwangsvollstreckung durch den Mitbeschuldigten W. zumindest Beihilfe geleistet.

1. Das Oberlandesgericht geht zu Recht davon aus, daß der Antrag der Generalstaatsanwaltschaft vom 20. August 1999 in Verbindung mit dem Vorlagebericht der Staatsanwaltschaft Rottweil vom 16. August 1999 den Anforderungen genügt, die an eine Antragsschrift im Ausschließungsverfahren nach §§ 138 a ff. StPO zu stellen sind. Der Ausschließungsantrag wird insbesondere seiner Umgrenzungsfunktion gerecht. Soweit Mängel hinsichtlich der Informationsfunktion in Betracht kommen, sind sie durch die Erörterung des Sachverhalts in der mündlichen Verhandlung und das rechtliche Gehör im Beschwerdeverfahren geheilt.

Das Oberlandesgericht war für die getroffene Ausschließungsentscheidung auch zuständig (§ 138 c Abs.1 Satz 1 StPO). Die Zuständigkeit des erkennenden Gerichts für die Zurückweisung eines Verteidigers, die dann in Betracht kommt, wenn ein Rechtsanwalt erst nach Eröffnung des Hauptverfahrens gegen ihn von einem Mitangeklagten zum Verteidiger gewählt wird (vgl. hierzu BGHR StPO § 138 a Anwendungsbereich 1), ist hier nicht gegeben.

2. Nach dem bisherigen Ergebnis der Ermittlungen ist vorläufig von folgendem Sachverhalt auszugehen:

Der Beschuldigte W. war Geschäftsführer der T. GmbH (T. ) von April 1997 bis zu deren Auflösung im Juni 1998. Er ist zudem seit mehreren Jahren bei der Firma . und . R. V. angestellt, von der er ein Gehalt von monatlich mindestens 3.100 DM netto erhält. Gegenüber mehreren Gläubigern der T. hat er sich durch die Übernahme selbstschuldnerischer Bürgschaften auch persönlich verpflichtet.

Von 1996 bis zum 29. April 1998 hatte er von seiner Mutter, der Mitbeschuldigten B. M. , mehrere Darlehen über insgesamt 110.000 DM erhalten, von denen er etwa 50.000 DM zurückgezahlt hat. In den nur mündlich geschlossenen Darlehensverträgen war eine Sicherungsabtretung der Gehaltsansprüche des Beschuldigten W. nicht vereinbart worden. Am 3. November 1989 hatte er zusammen mit seiner Ehefrau zudem mit der Vermieterin El. Mü. einen Mietvertrag über eine Wohnung abgeschlossen. Der Mietzins betrug 650 DM monatlich. Seit dem 2. November 1995 war Vermieter der Zeuge G. Mü. , der zweite Ehemann der Beschuldigten M. . Auch dieser Mietvertrag enthielt keine Sicherungsabtretung.

Am 2. Mai 1998 stellte ein Gläubiger Konkursantrag gegen die T. wegen Zahlungsunfähigkeit. Am 26. Mai 1998 gab der Beschuldigte W. für die T. die eidesstattliche Offenbarungsversicherung ab. Die Eröffnung des Konkursverfahrens wurde am 23. Juni 1998 mangels Masse abgelehnt.

Den Beschuldigten W. und M. sowie dem Zeugen G. Mü. war spätestens Ende Mai 1998 klar, daß die T. zahlungsunfähig war. Sie rechneten damit, daß Gläubiger der T. , vor allem die Firmen K. , S. und B. (künftig K., S. und B.), deren Forderungen fällig waren und gegenüber denen sich W. auch persönlich verbürgt hatte, nunmehr Ansprüche gegen W. geltend machen würden. Da er diese Forderungen nicht erfüllen konnte, gingen er und seine Eltern davon aus, daß die Gläubiger alsbald die Zwangsvollstreckung betreiben und insbesondere W. Gehaltsansprüche pfänden würden. Die Eheleute Mü. nahmen ein Darlehen von 250.000 DM auf, das W. aus seinen Gehaltseinkünften in monatlichen Raten tilgen sollte. Mit diesem Geld bezahlten die Eheleute Mü. mehreren Gläubigern W. und der T. Teilbeträge auf deren Forderungen.

Noch im Mai 1998 wandten sich die Beschuldigten W. und M. an Rechtsanwalt S. . Sie wollten verhindern, daß Gläubiger das pfändbare Gehalt W. s erlangten. Denn dadurch wäre es ihm unmöglich geworden, die vereinbarten Darlehensraten zu zahlen. Rechtsanwalt S. riet ihnen, rückdatierte schriftliche Verträge für die in der Zeit von 1996 bis zum 29. April 1998 von M. an W. gewährten Darlehen zu fertigen und diese jeweils mit einer Sicherungsabtretung für den pfändbaren Teil von W. Gehalt zu versehen. Ebenso sollte der Mietvertrag vom 3. November 1989 zwisen W. und G. Mü. mit rückdatierten Ergänzungen versehen werden, die Sicherungsabtretungen für die Gehaltsansprüche enthielten. Diese Urkunden sollten die Eheleute M. W. Arbeitgeber vorlegen, so daß aufgrund des zeitlichen Vorrangs spätere Gehaltspfändungen anderer Gläubiger ins Leere laufen sollten.

Da die Beschuldigten W. und M. mit diesem Vorschlag einverstanden waren, fertigte Rechtsanwalt S. entweder selbst oder auf seine Anweisung eine seiner Mitarbeiterinnen zu einem bisher nicht sicher festgestellten Zeitpunkt fünf Darlehensverträge (mit Datum vom 12. Dezember 1996 über 50.000 DM, 7. Mai 1997 über 10.000 DM, 22. Oktober 1997 über 40.000 DM, 29. April 1998 über 10.000 DM und ebenfalls unter dem 29. April 1998 einen zusammenfassenden Darlehensvertrag über die insgesamt gezahlten 110.000 DM) sowie zwei Ergänzungen zum Mietvertrag vom 3. November 1989 (mit Datum vom 23. Dezember 1995 und 1. Dezember 1996). Alle Verträge versah er mit einer Sicherungsabtretung des pfändbaren Teils von W. Gehalt. M. übersandte die Darlehensverträge mit den Gehaltsabtretungen am 18. August 1998 und G. Mü. den Mietvertrag mit den Ergänzungen am 20. August 1998 an W. Arbeitgeber mit der Bitte, ihre Forderungen zu erfüllen, soweit das Gehalt die Pfändungsfreigrenze übersteige. Daraufhin erhielt Frau M. in der Zeit von August 1998 bis Mai 1999 insgesamt 8.357,74 DM ausgezahlt.

Inzwischen hatten drei Gläubiger W. zur Durchsetzung ihrer Forderungen Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse hinsichtlich seines pfändbaren Gehalts erwirkt. Diese Beschlüsse wurden der Drittschuldnerin am 12. August (K.), 8. September (B.) und 16. Oktober 1998 (S.) zugestellt.

Die Drittschuldnerin zahlte an diese Gläubiger nichts aus. Sie teilte der K. mit, daß vorrangig die zeitlich früheren Gehaltsabtretungen in den Darlehensverträgen zu berücksichtigen seien. Mit Schreiben vom 13. und 14. Oktober 1998 erklärte die K. die Anfechtung dieser Gehaltsabtretung wegen Gläubigerbenachteiligung. Schließlich war sie jedoch mit der von Rechtsanwalt S. als Vertreter von B. und G. Mü. angebotenen Abfindung von 10.000 DM für ihre Forderung von inzwischen fast 100.000 DM einverstanden und verzichtete auf ihre Rechte aus dem Pfändungs- und Überweisungsbeschluß, da sie davon ausging, eine Rückdatierung in einem Rechtsstreit nicht beweisen zu können. Nachdem sie spätestens durch eine Anfrage der Staatsanwaltschaft vom 12. Juli 1999 von der Rückdatierung der Darlehensverträge erfahren hatte, stellte sie am 26. Juli 1999 Strafantrag, den sie nach einer weiteren von Rechtsanwalt S. ausgehandelten Zahlung von 8.000 DM am 23. September 1999 wieder zurücknahm.

Nach Vergleichsverhandlungen verzichteten auch die S. und die B. auf ihre Rechte aus dem Pfändungs- und Überweisungsbeschluß. Strafantrag stellten sie nicht.

3. Ergänzend zu der zutreffenden Beweiswürdigung des Oberlandesgerichts ist im Hinblick auf das Beschwerdevorbringen zu bemerken:

Die Mitbeschuldigten W. ("Zeugenvernehmung" vom 10. Februar 1999) und M. (Beschuldigtenvernehmung vom 8. April 1999) haben übereinstimmend und glaubhaft eingeräumt, Rechtsanwalt S. habe die Verträge rückdatiert und mit Sicherungsabtretungen versehen, da sie hätten verhindern wollen, daß W. Gläubiger auf dessen die Pfändungsfreigrenze übersteigendes Gehalt zugreifen. Diese Vernehmungen sind verwertbar. Zwar ist ausweislich des Protokolls vom 10. Februar 1999 der Beschuldigte W. als "Zeuge" vernommen und vor seinen Angaben zu den Darlehensverträgen nach §§ 52, 55 StPO belehrt worden, nicht jedoch nach § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO über sein Recht, die Aussage zu verweigern. Aus dem angefochtenen Beschluß ergibt sich jedoch, daß der vernehmende Staatsanwalt R. in der mündlichen Verhandlung am 15. Oktober 1999 angegeben hat, er habe den Beschuldigten W. vor dessen Anhörung zum Komplex Vereiteln der Strafvollstreckung als Beschuldigten belehrt. Im übrigen würde selbst das Unterbleiben einer Belehrung des Mitbeschudigten W. die Verwertung seiner Angaben gegen den Mitbeschuldigten S. nicht hindern (vgl. BGHR StPO § 136 Belehrung 5; Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO 44. Aufl. § 136 Rdn. 20).

Die übereinstimmenden Aussagen der Mitbeschuldigten W. und M. vom 10. Februar und 8. April 1999 werden im übrigen auch durch die bei Rechtsanwalt S. in den Handakten beschlagnahmten Darlehens- und Mietverträge bestätigt. Die Verträge weisen an mehreren Stellen identische Auffälligkeiten, Schreibversehen und Datumsunrichtigkeiten auf, die Rückschlüsse auf eine zeitgleiche Erstellung auf demselben Computer zulassen. Insoweit wird hinsichtlich der Einzelheiten auf die ausführliche Darstellung in dem Beschluß des Oberlandesgerichts verwiesen. Die bei der Durchsuchung sichergestellten und ohne Verstoß gegen § 110 StPO durchgesehenen Urkunden sind auch als Beweismittel verwertbar. Sie sind aufgrund des Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschlusses des Amtsgerichts Tuttlingen vom 13. Januar 1999 in dem Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Rottweil gegen Rechtsanwalt S. wegen Parteiverrats (11 Js 13143/98) als Zufallsfunde wirksam beschlagnahmt. Die Verträge sind auch nicht nach § 97 Abs. 1 Nr. 1 StPO beschlagnahmefrei. Denn Rechtsanwalt S. als zur Verweigerung des Zeugnisses Berechtigter ist der Teilnahme an der Tat der Mitbeschuldigten verdächtig, und die Verträge wurden zur Begehung der Straftat gebraucht (§ 97 Abs. 2 Satz 3 StPO).

Auch die Darstellung des Beschuldigten W. in seiner "eidesstattlichen Versicherung" vom 20. Oktober 1999, die mit der Beschwerdeschrift in verschiedenen Fassungen vorgelegt wurde, belegt die Mitwirkung des Beschwerdeführers an der Herstellung der fingierten Abtretungserklärungen. Der Beschuldigte W. bestätigt auch hier die Rückdatierung, behauptet aber, er trage hierfür allein die Verantwortung, Rechtsanwalt S. habe hiermit nichts zu tun. Zugleich räumt er jedoch ein, Rechtsanwalt S. habe ihm auf Diskette die Darlehensverträge erstellt und überlassen. Dies wird im Kern auch von der Ehefrau des Beschuldigten in ihrer Erklärung vor dem Oberlandesgericht bestätigt. Unter diesen Umständen ist die Behauptung, Rechtsanwalt S. habe mit der "Rückdatierung", auf die es allen Beteiligten ankam, nichts zu tun, unglaubhaft.

Schließlich wird der Tatverdacht gegen den Beschwerdeführer auch nicht dadurch ausgeräumt, daß die Beschuldigten W. und M. mit Schreiben vom 1. September und 12. Oktober 1999 ihre früheren Aussagen widerrufen haben. Eine überzeugende und nachvollziehbare Begründung für den Widerruf wird nicht gegeben und ist auch sonst nicht ersichtlich.

4. Das Oberlandesgericht hat im Ergebnis zu Recht den dringenden Verdacht bejaht, der Beschwerdeführer habe Beihilfe geleistet zum gemeinschaftlichen Betrug der Mitbeschuldigten W. und M. zum Nachteil der Gläubigerin K. (a) und zum Vereiteln der Zwangsvollstreckung der Gläubigerinnen K., S. und B. (b).

a) Die Beschuldigten W. und M. haben durch die Vorlage der fünf rückdatierten und um die Sicherungsabtretungen ergänzten Darlehensverträge nicht nur die Drittschuldnerin, sondern auch die K. getäuscht über den Zeitpunkt, zu dem die Sicherungsabtretungen vereinbart worden waren. Die nachträgliche Sicherungsabtretung ist auch bei der Absicht der Gläubigerbenachteiligung nicht wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot (§ 288 StGB) oder die guten Sitten nach §§ 134, 138 BGB nichtig, sondern ist anfechtbar nach den Vorschriften der Konkurs-/Insolvenzordnung oder des Anfechtungsgesetzes (BGH BB 1968, 1057). Da bisher nicht feststeht, wann die rückdatierten Sicherungsabtretungen vereinbart wurden und der Mitbeschuldigte W. eine Vereinbarung im Juni 1998 für möglich hält (S. 2 der Vernehmung vom 10. Februar 1999), ist davon auszugehen, daß die Abtretungen jedenfalls noch vor der für das Wirksamwerden maßgebenden Zustellung (§ 829 Abs. 3 ZPO) des von der Gläubigerin erwirkten Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses an die Drittschuldnerin am 12. August 1998 erfolgte. Die Rückdatierung der ergänzten Darlehensverträge hat sich daher nicht bereits bei der Beurteilung der zeitlichen Priorität der Sicherungsabtretung gegenüber der Zustellung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses am 12. August 1998 zum Nachteil der K. ausgewirkt. Ein tatbestandsrelevanter Irrtum ist aber bei der K. durch die Rückdatierung deshalb entstanden, weil sie damit zugleich über tatsächliche Umstände getäuscht wurde, die für die Beurteilung der Anfechtbarkeit der Sicherungsabtretungen nach § 3 Abs. 1 Nr. 1-3 Anfechtungsgesetz, insbesondere der Absicht der Gläubigerbenachteiligung, von Bedeutung waren. Denn für die Abtretung vom 29. April 1998 lag die Absicht der Gläubigerbenachteiligung aus der Sicht der K. nahe, für die zurückdatierten Zeitpunkte indessen nicht. Für die auf den 12. Dezember 1996 und 7. Mai 1997 datierten Abtretungen war zudem die gesetzliche Jahresfrist für die Anfechtung nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 und 3 Anfechtungsgesetz bereits verstrichen. Bei der K. wurde somit der Irrtum erregt, die gesetzlichen Voraussetzungen für die Anfechtung seien zumindest insoweit nicht gegeben. Dementsprechend richteten sich die Anfechtungserklärungen vom 13./14. Oktober 1998 auch nur gegen die Abtretungserklärung vom 29. April 1998, nicht jedoch gegen die früher datierten Abtretungserklärungen. Da die K. über den wahren Sachverhalt getäuscht wurde und dieser Irrtum in der Folgezeit - möglicherweise bis zum Erhalt der Anfrage der Staatsanwaltschaft vom 12. Juli 1999 - aufrechterhalten wurde, verzichtete sie gegen eine Abfindung von 10.000 DM auf die Forderung von 100.000 DM und auf die Rechte aus dem Pfändungs- und Überweisungsbeschluß. Hierdurch ist der K. ein entsprechender Schaden entstanden.

Durch die spätere Nachzahlung von weiteren 8.000 DM auf die Forderung der K. wurde der bis dahin entstandene Betrugsschaden nicht ausgeräumt. Es handelte sich insoweit lediglich um eine Schadenswiedergutmachung.

Zu diesem gemeinschaftlichen Betrug hat der Beschwerdeführer durch seine anwaltliche Beratung und zumindest durch das Vorbereiten der rückdatierten Darlehensverträge Beihilfe geleistet. Ob er darüber hinaus auch Beihilfe zum gemeinschaftlichen Betrug zum Nachteil der beiden anderen Gläubiger und der Drittschuldnerin geleistet hat und ob ein Betrugsschaden insoweit mit der vom Oberlandesgericht gegebenen Begründung verneint werden kann, bedarf für die hier zu treffende Entscheidung keiner abschließenden Erörterung.

b) Der Beschuldigte W. hat im Hinblick auf die ihm drohende Zwangsvollstreckung Teile seiner Gehaltsforderung an seine Mutter abgetreten und damit Bestandteile seines Vermögens veräußert (§ 288 Abs. 1 StGB). Die Mutter hatte keinen Anspruch auf die Abtretung, sie war zuvor nicht vereinbart. Durch sie sollte lediglich der Zugriff Dritter auf das Gehalt verhindert und die Tilgung eines von den Eheleuten M. bereits anderweit aufgenommenen Darlehens sichergestellt werden. Es handelt sich somit nicht um die kongruente Deckung einer bestehenden Verpflichtung. Hierfür genügt es nicht, daß mit den Darlehen Schulden des Beschuldigten W. getilgt werden sollten.

Der Beschuldigte W. handelte auch in der Absicht, die Befriedigung der drei Gläubigerinnen zu vereiteln. Er wollte deren Zugriff auf sein Gehalt verhindern. Die Vereitelungsabsicht wird nicht dadurch ausgeschlossen, daß aus dem von den Eheleuten M. aufgenommenen Darlehen Teilzahlungen auf die Verbindlichkeiten des Beschuldigten geleistet werden sollten; denn eine vollständige Befriedigung der Gläubiger aus diesem Darlehen war weder beabsichtigt noch mit dem verfügbaren Betrag möglich. Im übrigen kommt es darauf, ob das Ziel, die Gläubigerbefriedigung zu vereiteln, erreicht wird, für die Vollendung der Tat nicht an (Schäfer in LK 10. Aufl. § 288 Rdn. 31).

Die Beihilfe zu diesem Vergehen des Beschuldigten W. muß nicht deshalb außer Betracht bleiben, weil die K. den nach § 288 Abs. 2 StGB erforderlichen Strafantrag zurückgenommen und die anderen beiden Gläubigerinnen bisher keinen Strafantrag gestellt haben. Bereits das Oberlandesgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, daß ein Verteidiger auch dann nach § 138 a Abs. 1 Nr. 1 StPO ausgeschlossen werden kann, wenn das ihm zur Last gelegte Verhalten mangels Strafantrag nicht strafgerichtlich, sondern - wie hier - nur im berufsgerichtlichen Verfahren geahndet werden kann (vgl. BGH NJW 1984, 316).

5. Das Oberlandesgericht hat den Beschwerdeführer somit zu Recht als Verteidiger des Mitbeschuldigten W. ausgeschlossen. Dies hat zur Folge, daß Rechtsanwalt S. diesen Beschuldigten auch in anderen Ermittlungs- und Strafverfahren nicht mehr verteidigen darf (§ 138 a Abs. 4 StPO). Hierauf hat der ermittelnde Beamte der Kriminalpolizei den Beschuldigten W. im Zusammenhang mit der Vernehmung am 10. Februar 1999 daher zutreffend hingewiesen.

Ende der Entscheidung

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