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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 15.09.2004
Aktenzeichen: 2 StR 232/04
Rechtsgebiete: StPO


Vorschriften:

StPO § 265
StPO § 354 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

2 StR 232/04

vom 15. September 2004

in der Strafsache

wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u. a.

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 15. September 2004, an der teilgenommen haben:

Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Rissing-van Saan und die Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Otten, die Richter am Bundesgerichtshof Rothfuß, Professor Dr. Fischer, die Richterin am Bundesgerichtshof Roggenbuck,

Bundesanwalt in der Verhandlung, Oberstaatsanwalt beim Bundesgerichtshof bei der Verkündung als Vertreter der Bundesanwaltschaft,

Rechtsanwalt und Rechtsanwalt als Verteidiger,

Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Darmstadt vom 28. Januar 2004

a) im Schuldspruch dahin geändert, daß der Angeklagte im Fall 3 der Urteilsgründe des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge schuldig ist,

b) im Einzelstrafausspruch im Fall 3 der Urteilsgründe und im Gesamtstrafenausspruch aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in drei Fällen und wegen versuchten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt sowie die Einziehung der sichergestellten Betäubungsmittel und eines Handys Nokia angeordnet. Die Staatsanwaltschaft erstrebt im Fall 3 der Urteilsgründe mit ihrer auf die Sachrüge gestützten Revision eine Verurteilung wegen vollendeten anstatt versuchten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge. Das Rechtsmittel hat vollen Erfolg.

1. Nach den Feststellungen des angefochtenen Urteils kam es im Fall 3 der Urteilsgründe vor Weihnachten 2002 zu Verhandlungen zwischen dem Angeklagten und dem gesondert verfolgten Ricardo P. über eine Lieferung von ca. 10.000 bis 15.000 Stück Ecstasy-Tabletten. Bei einem Treffen in L. teilte der Angeklagte mit, er könne Pillen zu einem Preis zwischen 0,75 c und 1 € pro Stück besorgen. Zu einem konkreten Geschäftsabschluß kam es nicht, weil P. über keine Geldmittel verfügte und der Angeklagte sich nach günstigeren Preisen umhören wollte. Lieferant sollte ein Bekannter des Angeklagten, der Albert V., sein. Bei einem Treffen am 16. oder 17. Januar 2003 verhandelte für P., der nicht teilnehmen konnte, der gesondert Verfolgte I., ohne daß es zu einem Geschäftsabschluß kam. Das nächste Treffen mit P. und I. fand am 27. Januar 2003 in M. statt. Der Angeklagte teilte ihnen mit, daß er die Pillen zu einem Stückpreis von 70 c liefern könne. Gleichzeitig übergab er drei Ecstasy-Tabletten zur Probe. Da der Angeklagte die Hälfte des Preises als Vorkasse forderte und P. noch immer über keine Barmittel verfügte, kam es endgültig zu keinem Geschäftsabschluß.

Das Landgericht hat den Angeklagten in diesem Fall des versuchten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge schuldig gesprochen, weil er mit P. und I. nur verhandelt habe. Weder habe er eine Bestellung entgegengenommen, noch sei er bereits im Besitz von Ecstasy-Tabletten gewesen.

2. Die Bewertung der Tat als versuchtes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Handeltreiben mit Betäubungsmitteln umfaßt alle eigennützigen Bemühungen, die darauf gerichtet sind, den Umsatz von Betäubungsmitteln zu ermöglichen oder zu fördern (vgl. Körner, BtMG 5. Aufl. § 29 Rdn. 199 m. w. N.). Ein vollendetes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln liegt deshalb bereits dann vor, wenn der Verkäufer dem Kaufinteressenten ein verbindliches und ernsthaftes Verkaufsangebot unterbreitet (BGH NJW 1954, 1537; NStZ 2000, 207, 208; BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Handeltreiben 19; Körner a.a.O. § 29 Rdn. 242, 319 f., 327; Weber, BtMG 2. Aufl. § 29 Rdn. 157, 159, 304). Dabei ist es rechtlich unerheblich, ob es zu Umsatzgeschäften tatsächlich gekommen ist (BGHSt 29, 239, 240; 30, 359, 361), ob der Täter über das angebotene Rauschgift verfügen konnte (BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Handeltreiben 31) oder ob er eine gesicherte Lieferantenzusage hatte (BGH NStZ 2000, 207, 208 m. w. N.). Der Angeklagte hat im vorliegenden Fall ernsthafte Verkaufsverhandlungen geführt, das Handeltreiben war danach vollendet.

Soweit der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs beabsichtigt, den Begriff des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln dahingehend einschränkend auszulegen, daß für die Annahme vollendeten Handeltreibens auch ernsthafte Verhandlungen über den Erwerb von zum gewinnbringenden Weiterverkauf bestimmten Betäubungsmitteln nicht ausreichen, solange über den Ankauf keine Einigung mit dem Lieferanten erzielt wird (vgl. Beschluß vom 10. Juli 2003 - 3 StR 61/02 und 243/02 - , StV 2003, 501 mit Anmerkungen Roxin StV 2003, 619, Gaede StraFo 2003, 391 und Weber NStZ 2004, 66; dazu auch Beschluß des Senats vom 6. Februar 2004 - 2 ARs 276/03, StraFo 2004, 251 = NStZ-RR 2004, 183), werden davon Bemühungen des Verkäufers nicht erfaßt, sondern nur erfolglose Ankaufsbemühungen. Hingegen sollen nach der vom 3. Strafsenat vorgeschlagenen Definition des Handeltreibens ("Mit Betäubungsmitteln treibt Handel, wer diese eigennützig und in der Absicht, ihren Umsatz zu ermöglichen oder zu fördern, ankauft, erwirbt, sich in sonstiger Weise verschafft, einführt, ausführt, feilhält, Bestellungen entgegennimmt oder aufsucht, veräußert, anderen überläßt, sonst in den Verkehr bringt oder den Erwerb, den Vertrieb oder das Überlassen vermittelt") einseitige konkrete Verkaufsangebote weiterhin als vollendetes Handeltreiben erfaßt werden. Unter den in der vorgeschlagenen Definition enthaltenen Begriff des Aufsuchens von Bestellungen fällt jede Tätigkeit, die darauf abzielt, von einem anderen einen festen Auftrag zur künftigen Lieferung zu erhalten, wozu bereits die eine Bestellung anbahnende Tätigkeit gehört (vgl. BGHSt 40, 94, 25; Steindorf in Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, § 7 WaffG Rdn. 13; Ambs in Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, § 55 GewO Rdn. 9 d).

Der Senat, der im übrigen in seinem Beschluß vom 6. Februar 2004 (StraFo 2004, 251 = NStZ-RR 2004, 183) erklärt hat, daß er an seiner bisherigen Rechtsprechung festhalte, sieht schon deshalb keinen Anlaß, im vorliegenden Fall von der bisherigen Rechtsprechung abzuweichen, wonach in diesem Fall vollendetes Handeltreiben vorliegt.

Der Senat hat den Schuldspruch daher entsprechend § 354 Abs. 1 StPO geändert. § 265 StPO steht der eigenen Entscheidung des Senats nicht entgegen, weil die Tat als vollendetes Handeltreiben angeklagt war. Die Änderung des Schuldspruchs hat die Aufhebung des Einzelstrafausspruchs im Fall 3 der Urteilsgründe und des Gesamtstrafenausspruchs zur Folge.

Ende der Entscheidung

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