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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 05.10.2001
Aktenzeichen: 2 StR 261/01 (1)
Rechtsgebiete: StPO, StGB


Vorschriften:

StPO § 264 Abs. 1
StGB § 263 Abs. 3 Satz 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

2 StR 261/01

vom

5. Oktober 2001

in der Strafsache

gegen

wegen versuchten Betruges

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 5. Oktober 2001, an der teilgenommen haben:

Vizepräsident des Bundesgerichtshofes

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Kassel vom 1. Februar 2001 mit den Feststellungen aufgehoben, soweit der Angeklagte verurteilt worden ist.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Betrugs zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt, seine Fahrerlaubnis "eingezogen" sowie eine Sperre für die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis von zwei Jahren festgesetzt. Von den Vorwürfen der falschen Verdächtigung und der Nötigung hat es den Angeklagten freigesprochen. Die auf die Verletzung formellen und sachlichen Rechts gestützte Revision der Staatsanwaltschaft, die vom Generalbundesanwalt vertreten wird, wendet sich nur dagegen, daß das Landgericht einen Teil der angeklagten Tatvorwürfe durch Beschluß in der Hauptverhandlung abgetrennt hat; sie macht einen Verstoß gegen die umfassende Kognitionspflicht des Tatrichters geltend. Die Revision ist begründet; sie führt zur Aufhebung des Urteils, soweit der Angeklagte verurteilt wurde.

1. Mit der Anklage vom 6. Dezember 2000, die vom Landgericht unverändert zugelassen wurde, legte die Staatsanwaltschaft dem Angeklagten unter anderem ein Verbrechen der Geiselnahme sowie versuchten Betrug zur Last. Danach bedrängte der Angeklagte den ihm bekannten Zeugen E. seit April 2000, zur Herbeiführung eines vorgetäuschten Verkehrsunfalls mit seinem Fahrzeug auf den Pkw des Angeklagten aufzufahren; hierdurch sollten diesem Leistungen aus der Haftpflichtversicherung verschafft werden. Nach anderen Drohungen habe der Angeklagte am 27. Juli 2000 die Ehefrau und den zweijährigen Sohn des Zeugen entführt und zu unbekannten Mittätern verbracht und den Zeugen E. mit der Ankündigung, beide zu töten, dazu veranlaßt, in der Nacht zum 28. Juli 2000 auf der Bundesautobahn A 7 mit einem Lkw seines Arbeitgebers auf den Pkw des Angeklagten aufzufahren, den dieser zuvor absichtlich stark abgebremst hatte; danach seien die Ehefrau und der Sohn des Zeugen wieder freigelassen worden. Gegenüber dem Haftpflichtversicherer habe der Angeklagte sodann mit Anwaltsschreiben vom 7. August 2000 einen Schaden in Höhe von 15.605,91 DM geltend gemacht; zur Zahlung sei es nicht gekommen, weil der Zeuge E. sich der Polizei offenbart habe.

Das Landgericht hat den Angeklagten, der insoweit geständig war, wegen versuchten Betrugs verurteilt. Nach den Urteilsfeststellungen vereinbarten der Angeklagte und der Zeuge E., der zunächst unentschlossen war, die Herbeiführung eines vorgetäuschten Verkehrsunfalls im April 2000; hiernach sollte der Zeuge 6.000 DM aus der erwarteten Versicherungsleistung erhalten. Nachdem im Mai 2000 konkrete Tatplanungen wegen Bedenken des Zeugen aufgegeben worden waren, wurde das Vorhaben in der geschilderten Weise in der Nacht zum 28. Juli 2000 durchgeführt; mit Anwaltsschreiben vom 7. August 2000 ließ der Angeklagte den Schaden in der genannten Höhe geltend machen.

Den Vorwurf der Geiselnahme hat das Landgericht in der Hauptverhandlung durch Beschluß mit der Begründung abgetrennt, die Beweisaufnahme würde eine außerplanmäßige Fortsetzung der Hauptverhandlung erfordern, welche der Kammer aufgrund ihrer sonstigen Belastung nicht möglich sei.

2. Die hiergegen gerichtete Rüge einer Verletzung des § 264 Abs. 1 StPO ist begründet.

a) Eine Abtrennung von Verfahrensteilen ist zulässig, wenn es sich bei dem abgetrennten Verfahrensstoff um selbständige prozessuale Taten handelt (vgl. BGHSt 18, 238, 239; BGH NJW 1953, 836). Unzulässig ist sie aber, wenn sie eine Aufspaltung ein und derselben prozessualen Tat, also des von der Anklage umfaßten geschichtlichen Vorgangs bewirken würde, denn hierdurch wird gegen die Pflicht zur einheitlichen Aburteilung gemäß § 264 Abs. 1 StPO verstoßen. Eine einheitliche und daher einer Verfahrenstrennung nicht zugängliche prozessuale Tat liegt nicht nur bei tateinheitlich begangenen Straftaten (vgl. BGHSt 29, 288; 38, 37, 39 ff.; 43, 96, 98) vor, sondern kann auch bei sachlich-rechtlich selbständigen Taten gegeben sein; hierbei kommt es nach ständiger Rechsprechung darauf an, ob die einzelnen Handlungen innerlich derart miteinander verknüpft sind, daß der Unrechts- und Schuldgehalt der einen Handlung nicht ohne die Umstände richtig gewürdigt werden kann, die zu der anderen Handlung geführt haben, und daß die getrennte Aburteilung einen einheitlichen Lebensvorgang unnatürlich aufspalten würde (BGHSt 2, 371, 374; 23, 141, 145; 29, 288, 293; 35, 14, 17; 36, 151, 154 f.; 41, 385, 388, 390; 43, 96, 99; 252, 255; 45, 211, 213; vgl. Engelhard in KK StPO 4. Aufl. § 264 Rdn. 3; Kleinknecht/Meyer-Goßner StPO 45. Aufl. § 264 Rdn. 2; Pfeiffer StPO 3. Aufl. § 264 Rdn. 2, jeweils m.w.N.). Eine zeitliche und räumliche Trennung der Vorgänge steht ihrer Beurteilung als einheitliche Tat unter diesen Voraussetzungen nicht entgegen (BGHSt 35, 60, 62; 45, 211, 213; BGH NStZ 1999, 523).

b) Nach diesen Maßstäben durfte vorliegend eine Verfahrenstrennung nicht erfolgen. Das ergibt sich zwar nicht schon aus der Entscheidung des Bundesgerichtshofs zur Tatidentität zwischen einer vorsätzlichen Brandstiftung zum Zweck des Versicherungsbetrugs und der betrügerischen Geltendmachung des hierdurch verursachten Schadens (vgl. BGHSt 45, 211). Anders als in jenem Fall bestand hier an der vorsätzlichen Herbeiführung des angeblichen Schadensfalls auch dann kein Zweifel, wenn die Umstände, welche zur Mitwirkung des beteiligten E. führten, offenblieben; daher hat das Landgericht aus seiner Sicht folgerichtig ausgeführt, die Abweichung zwischen den Darstellungen des Angeklagten und der Zeugen E. sei unerheblich, da der Beweggrund für die Mitwirkung des Zeugen E. für die rechtliche Beurteilung des versuchten Betrugs unerheblich sei (UA S. 9).

Hierbei hat das Landgericht jedoch übersehen, daß die in der Anklage geschilderten Taten sich schon in ihrem äußeren Ablauf - wenn auch nicht in den tatbestandlichen Handlungen - überschnitten: Legt man den in der Anklage geschilderten Sachverhalt zugrunde, so war der vorgetäuschte Verkehrsunfall - der jedenfalls auch den Tatbestand der Sachbeschädigung an dem für beide Beteiligten fremden Firmen-Lkw verwirklichte - nicht nur das für den nachfolgenden Betrugsversuch ausgenutzte Schadensereignis, sondern zugleich die Vollendung der durch die Geiselnahme verwirklichten Nötigung des Zeugen E.. Unter diesen Umständen konnte der Unrechts- und Schuldgehalt der nachfolgenden Tat nicht unabhängig davon beurteilt werden, ob der Erfolg, dessen täuschender Ausnutzung sie diente, durch ein gravierendes Verbrechen oder aufgrund freiwilliger Vereinbarung der Beteiligten herbeigeführt worden war. Dies drängt sich schon unter dem Gesichtspunkt des § 263 Abs. 3 Satz 1 StGB auf.

3. Der neue Tatrichter wird auch Gelegenheit haben, die Voraussetzungen für eine mögliche Einziehung des von dem Angeklagten geführten Pkw näher zu prüfen.

Ende der Entscheidung

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