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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 07.11.2001
Aktenzeichen: 2 StR 277/01
Rechtsgebiete: StPO, StGB


Vorschriften:

StPO § 349 Abs. 2
StGB § 46 Abs. 3
StGB § 38 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

2 StR 277/01

vom

7. November 2001

in der Strafsache

gegen

wegen gefährlicher Körperverletzung u.a.

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 7. November 2001, an der teilgenommen haben:

Vizepräsident des Bundesgerichtshofes

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Erfurt vom 22. Januar 2001 wird verworfen.

Der Angeklagte trägt die Kosten seines Rechtsmittels.

Von Rechts wegen

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung in zwei Fällen, jeweils in Tateinheit mit Nötigung, unter Einbeziehung von elf Einzelstrafen aus einer rechtskräftigen Vorverurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren sowie zu einer weiteren Freiheitsstrafe von fünf Jahren und drei Monaten verurteilt. Seine auf Verfahrensrügen sowie die Sachrüge gestützte Revision, die der Generalbundesanwalt hinsichtlich der Zumessung der Freiheitsstrafe von fünf Jahren und drei Monaten für begründet hält, hat insgesamt keinen Erfolg.

1. Nach den Feststellungen des Landgerichts war der Angeklagte im März 1999 als Untersuchungsgefangener zusammen mit den Mitangeklagten Ku. und Sch., deren Revisionen der Senat durch Beschluß vom 17. August 2001 verworfen hat, sowie dem späteren Tatopfer Kä. in einem Haftraum der Justizvollzugsanstalt E. , Zweigstelle W. , inhaftiert. Aus Langeweile, weil sie "Spaß haben" und ihre Machtgefühle ausleben wollten, mißhandelten und quälten der Angeklagte sowie die beiden Mittäter am Abend des 12. März 1999 den Mithäftling Kä. über einen Zeitraum von etwa drei Stunden. Durch Drohungen und Schläge wurde der Geschädigte unter anderem gezwungen, nackt auf einem Tisch zu tanzen und vor den Tätern zu onanieren, vom Angeklagten heimlich gehortete Beruhigungstabletten einzunehmen sowie eine ekelerregende Mischung aus Abfällen, später auch sein Erbrochenes zu essen und seinen eigenen sowie den Urin der Täter zu trinken. Das Opfer mußte sich darüber hinaus mit einer Rasierklinge Schnitte am Arm beibringen, um mit seinem Blut einen "Entschuldigungsbrief" zu schreiben.

Am 15. März 1999, also drei Tage nach diesem Geschehen, wurde der Angeklagte wegen Diebstahls in sechs Fällen, Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und gewerbsmäßigem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in zwei und mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei weiteren Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt (Einzelstrafen: fünfmal je fünf Monate; sechs Monate; zweimal je ein Jahr; zwei Jahre sechs Monate; zweimal je drei Jahre); das Urteil wurde noch am 15. März 1999 rechtskräftig.

Am Abend desselben Tages mißhandelten der Angeklagte und die Mittäter erneut mindestens eine Stunde lang den Mitgefangenen Kä., wobei die Mißhandlung noch über diejenigen vom 13. März hinausging. Unter anderem wurde der Kopf des Opfers so lange in einen Eimer mit Wasser gedrückt, bis der Geschädigte panische Todesangst empfand; er wurde mit kaltem Wasser übergossen und gezwungen, große Mengen Wasser zu trinken, mußte seinen Stuhl zu sich nehmen und erlitt durch in Körperöffnungen gestecktes und dann entzündetes Papier erhebliche Brandverletzungen. Er wurde zudem von allen Mittätern vielfach geschlagen und getreten.

Das Landgericht hat gegen den Angeklagten wegen der eine einheitliche Tat bildenden Mißhandlungen vom 12. März 1999 eine Freiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verhängt und unter Auflösung der am 15. März 1999 erkannten Gesamtstrafe und Einbeziehung der Einzelstrafen auf eine nachträgliche Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren erkannt. Wegen der Tat vom 15. März 1999 hat es wegen der durch die rechtskräftige Verurteilung vom selben Tag bewirkten Zäsurwirkung eine selbständige Freiheitsstrafe von fünf Jahren und drei Monaten verhängt.

2. Die Verfahrensrügen sind unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. Auch die Sachrüge ist unbegründet. Der Erörterung bedürfen hier nur die Einwendungen gegen die Strafzumessung.

a) Diese sind offensichtlich unbegründet, soweit sie sich gegen einzelne Strafzumessungserwägungen wenden. Die Berücksichtigung generalpräventiver Gesichtspunkte, namentlich im Hinblick auf eine Zunahme schwerwiegender Mißhandlungen unter Gefangenen in Justizvollzugsanstalten, ist rechtsfehlerfrei. Daß das Landgericht strafschärfend gewertet hat, daß die Taten aus Spaß und Langeweile begangen wurden und daß hieraus sowie aus Art, Intensität und Dauer der Mißhandlungen eine rohe, gefühllose und menschenverachtende Gesinnung sprach, verstößt entgegen der Auffassung der Revision nicht gegen § 46 Abs. 3 StGB. Die Bemessung der Gesamtstrafe ist rechtsfehlerfrei.

b) Auch das Gesamtstrafübel weist im Hinblick auf die Zäsurwirkung des am Tattag rechtskräftig ergangenen Urteils keinen Rechtsfehler zu Lasten des Angeklagten auf. Zwar kann der Eintritt der Zäsurwirkung einer Vorverurteilung mit der Folge, daß Einzelstrafen für nach diesem Zeitpunkt begangene Taten für eine nachträgliche Gesamtstrafenbildung nicht mehr zur Verfügung stehen und gesondert bestehen bleiben, im Einzelfall von Zufällen abhängen, welche den Angeklagten belasten können und daher bei der Bemessung des zu verhängenden Gesamtstrafübels zu bedenken sind. Hier lag jedoch eine Herabsetzung der Einzelstrafe für die zweite Tat im Hinblick auf die Zäsurwirkung ersichtlich so fern, daß eine ausdrückliche Erörterung in den Urteilsgründen nicht geboten war. Bei der Bemessung der Einzelstrafe für die nur wenige Stunden nach der Verurteilung begangene zweite Tat hat das Landgericht zutreffend neben dem Umstand, daß der Angeklagte bei den Mißhandlungen eine führende Rolle spielte, zu seinen Lasten auch berücksichtigt, daß ihn die unmittelbar zurückliegende Verurteilung nicht beeindruckt und von der Fortsetzung und Intensivierung der Mißhandlungen abgehalten hat. Daß ihm andererseits "eine gewisse Frustration" über die Verurteilung zugute gehalten wurde (UA S. 46), zeigt in Verbindung mit den sonstigen Strafzumessungsgründen, daß das Landgericht die Strafen entgegen der Auffassung der Revision nicht schematisch zugemessen hat.

c) Die Revision meint, bei der Bemessung der Einzelstrafe für die zweite Tat habe das Landgericht unter dem Gesichtspunkt des Gesamtstrafübels rechtsfehlerhaft nicht berücksichtigt, daß beide gegen den Mitangeklagten Ku. in gleicher Höhe verhängten Einzelstrafen bei diesem in die nachträglich gebildete Gesamtstrafe von elf Jahren und sechs Monaten einbezogen wurden und daher gegenüber der aufgelösten früheren Gesamtstrafe nur zu einer Gesamterhöhung von drei Jahren und sechs Monaten geführt haben. Aufgrund der Zäsurwirkung der Verurteilung vom 15. März 1999 habe sich das gegen den Angeklagten verhängte Gesamtstrafübel dagegen um insgesamt sieben Jahre und drei Monate erhöht; dieser Umstand habe aufgrund einer vergleichenden Betrachtung zu einer Herabsetzung der zweiten Einzelstrafe führen müssen.

Der Senat sieht auch hier, entgegen der Ansicht des Generalbundesanwalts, keinen Rechtsfehler. Zwar darf der Gesichtspunkt, daß gegen Mittäter verhängte Strafen in einem gerechten Verhältnis zueinander stehen sollten, bei der Strafzumessung nicht völlig außer Betracht bleiben (vgl. BGHR StGB § 46 Abs. 2 Zumessungsfehler 1; BGH StV 1991, 557). Bestimmender Maßstab für die Strafzumessung ist jedoch in jedem Fall die persönliche Schuld des Täters; dieser Grundsatz darf nicht gegenüber schematischen, allein rechnerischen oder vergleichenden Erwägungen zurücktreten. Daher wäre es auch rechtsfehlerhaft, eine als schuldangemessen angesehene Strafe allein im Hinblick auf gegen Mittäter verhängte niedrigere Strafen herabzusetzen (vgl. BGHSt 28, 318, 323 f.; BGHR StGB § 46 Abs. 2 Wertung 4 und Wertungsfehler 23). Diese Grundsätze gelten uneingeschränkt auch für die Strafzumessung im Rahmen der Bildung nachträglicher Gesamtstrafen. Eine vergleichende Zumessung kommt auch insoweit regelmäßig nicht in Betracht, denn Regelungen und Erwägungen, welche für die Bildung einer nachträglichen Gesamtstrafe gegen einen Mittäter von Bedeutung sein können, sind aus dem Blickwinkel des Angeklagten weithin zufällig und können keinen bestimmenden Einfluß auf die Strafzumessung gegen ihn haben.

Hieran ändert das Eingreifen der Zäsurwirkung einer Vorverurteilung bei einem der Mittäter grundsätzlich nichts. Selbst wenn es im Einzelfall, etwa wenn das gegen einen der Mittäter verhängte Gesamtstrafübel die Höchstgrenze des § 38 Abs. 2 StGB übersteigt, auf einen Vergleich mit der gegen andere Tatbeteiligte im selben Verfahren verhängten Strafe ankäme, so lag ein solcher Fall, der eine ausdrückliche Erörterung in den Urteilsgründen geboten hätte (vgl. BGH NStZ 1999, 182, 184), hier nicht vor. Die Revision war daher zu verwerfen.

Ende der Entscheidung

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