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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 08.12.2004
Aktenzeichen: 2 StR 432/04
Rechtsgebiete: StPO


Vorschriften:

StPO § 349 Abs. 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

2 StR 432/04

vom 8. Dezember 2004

in dem Sicherungsverfahren

gegen

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 8. Dezember 2004 gemäß § 349 Abs. 4 StPO beschlossen:

Tenor:

Auf die Revision des Beschuldigten wird das Urteil des Landgerichts Trier vom 7. Juli 2004 mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

Das Landgericht hat im Sicherungsverfahren die Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Die Revision des Beschuldigten hat mit der Sachrüge Erfolg.

1. Nach den Feststellungen leidet der Beschuldigte an einer Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis. Bei ihm besteht das verfestigte Vorstellungsbild, daß er als eine Art Messias die Vernichtung der Scientology Sekte anstreben muß. Seinen früheren Arbeitgeber B. hielt er für einen Scientologen, der ihn in seiner Existenz zerstören wolle. Am 10. April 2003 rief der Beschuldigte den Zeugen B. zwischen 13.15 und 13.30 Uhr in dessen Büro an und warf ihm vor, daß dieser ihn mit der Werkstatt und der Werkstatteinrichtung "beschissen" habe. Weiter forderte er ihn auf, bis 15.00 Uhr "4 Millionen" zu zahlen und drohte ihm damit, ihn ansonsten "in den Himmel zu befördern". Nachdem der Zeuge dem Beschuldigten auf diese Forderung entgegnet hatte, daß er mit dessen Werkstatt nichts zu tun habe, wiederholte der Beschuldigte seine Drohung, ihn in den Himmel zu befördern, wenn er bis 15.00 Uhr keine "4 Millionen" habe. Am 12. April 2003 setzte sich der Beschuldigte erneut mit dem Zeugen B. telefonisch in Verbindung und erklärte ihm, er würde ihn bekehren und aus seiner Sekte herausholen, ohne die Forderung zu erneuern.

Das Landgericht hat die Tat rechtlich als (beendete) versuchte räuberische Erpressung gewürdigt. Auch wenn der Angeklagte nach der letzten Ausführungshandlung keine konkreten Vorstellungen über die Folgen seines Tuns und hinsichtlich einer möglichen Übergabe des Geldes gehabt habe, sei keine umgehende Distanzierung von der Rechtsgutsverletzung erfolgt, so daß von einem bereits beendeten Versuch auszugehen sei.

2. Dies hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kommt es für die Abgrenzung des unbeendeten vom beendeten Versuch und damit für die Voraussetzung eines strafbefreienden Rücktritts darauf an, ob der Täter nach der letzten von ihm konkret vorgenommenen Ausführungshandlung den Eintritt des tatbestandsmäßigen Erfolges für möglich hält (sog. Rücktrittshorizont, vgl. BGHSt 39, 221, 227). Hierzu hat das Landgericht lediglich ausgeführt, daß sich der Beschuldigte nach der letzten Ausführungshandlung keine Vorstellungen über die Folgen seines Tuns gemacht habe. Dies reicht hier nicht, um einen beendeten Versuch zu begründen. Ein beendeter Versuch liegt nur dann vor, wenn der Täter den Eintritt des tatbestandsmäßigen Erfolgs für möglich hält. Lediglich nach besonders gefährlichen Gewalthandlungen, die zu schweren Verletzungen des Opfers geführt haben, hat der Bundesgerichtshof einen beendeten Versuch auch dann bejaht, wenn der Täter sowohl mit der Möglichkeit gerechnet hat, daß der angestrebte (Todes-)Erfolg eintritt, als auch damit, daß er ausbleibt. Der Gleichgültige, der auch den Nichteintritt des Erfolgs für möglich hält, und sich nach der Tat vom Opfer abwendet, soll nicht gegenüber dem Bedächtigen privilegiert werden, der sich Gedanken über die Folgen seines Tuns macht, die Gefahr für sein Opfer erkennt und nur durch erfolgsverhinderndes Handeln Straffreiheit erlangen kann (BGHSt 40, 304, 306). Damit ist der vorliegende Fall aber nicht vergleichbar. Anders als in den vorgenannten Fällen war hier der Eintritt des tatbestandsmäßigen Erfolgs von einem Verhalten des Opfers abhängig. Er war auch ohne zusätzliche Handlungen des Beschuldigten, wie beispielsweise der Vereinbarung eines Zusammentreffens zwecks Geldübergabe, nicht ohne weiteres zu erwarten. Daß sich dies aus der Sicht des Beschuldigten anders dargestellt hat, er etwa davon ausgegangen ist, der Zeuge B. werde ihm das Geld bringen, versteht sich nicht von selbst und hätte vom Landgericht näher begründet werden müssen. Dies gilt umso mehr, als der Beschuldigte sich nach seiner Einlassung keine Gedanken darüber gemacht hatte, wie eine Geldübergabe erfolgen sollte, und sich nach dem Telefonat ins Bett gelegt hatte. Diese Einlassung könnte dafür sprechen, daß der Beschuldigte selbst nicht ernsthaft mit einer Zahlung durch den Zeugen rechnete.

Die Annahme, daß der Versuch fehlgeschlagen und deshalb ein Rücktritt nicht möglich gewesen sei, mag zwar, wie der Generalbundesanwalt ausgeführt hat, naheliegen. Auch beim fehlgeschlagenen Versuch kommt es jedoch u. a. auf die Vorstellung des Täters an, daß aus seiner Sicht der Taterfolg nicht mehr erreicht werden kann (vgl. BGHR StGB § 24 Abs. 1 Satz 1 Versuch, fehlgeschlagener 8; vgl. auch BGHSt 41, 368, 370 ff.). Hierzu fehlen Feststellungen.

3. Für den Fall, daß der neue Tatrichter wiederum einen Rücktritt vom (beendeten oder fehlgeschlagenen) Versuch verneint, wird er für eine Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus dessen Gefährlichkeit für die Allgemeinheit mehr als bisher mit Tatsachen zu belegen haben. Zwar hat der vom Landgericht gehörte Sachverständige bekundet, daß "klare fremdgefährdende Verhaltensweisen" des Beschuldigten aufgetreten seien, dies wird im Urteil jedoch nicht näher erläutert. Soweit darin geschildert wird, daß der Beschuldigte diverse Gewaltphantasien entwickelt habe, läßt sich ohne Kenntnis der genauen Inhalte und der tatsächlichen Umstände nicht nachvollziehen, inwieweit daraus eine erhebliche Fremdgefährdung resultiert. Den Inhalt der vom Beschuldigten verfaßten und von dessen Schwester überreichten Schreiben teilt das Urteil ebenfalls nicht mit; auch ist das von der Schwester dem Gesundheitsamt schriftlich mitgeteilte "höchst aggressive Verhalten" nicht näher konkretisiert worden.

Ende der Entscheidung

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