Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 14.10.1998
Aktenzeichen: 2 StR 436/98
Rechtsgebiete: StPO, BGB


Vorschriften:

StPO § 403
StPO § 406 Abs. 1 Satz 2
BGB § 847 Abs. 1
StPO §§ 403, 406 Abs. 1 Satz 2, BGB § 847 Abs. 1

Hat das Tatgericht dem Verletzten im Adhäsionsverfahren ein Schmerzensgeld zugesprochen, so kann das Revisionsgericht, wenn nur die Bemessung rechtsfehlerhaft war, die Entscheidung dem Grunde nach aufrechterhalten.

BGH, Beschl. v. 14. Oktober 1998 - 2 StR 436/98 - LG Köln


BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

2 StR 436/98

vom

14. Oktober 1998

in der Strafsache

gegen

wegen versuchten Totschlags u.a.

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 14. Oktober 1998 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Köln vom 4. Mai 198 dahin geändert, daß an die Stelle der Verurteilung des Angeklagten zur Zahlung eines auf 35.000 DM bezifferten Schmerzensgelds und der zugehörigen Vollstreckbarkeitsentscheidung der Ausspruch tritt:

"Auch der wegen dieser Tat von der Nebenklägerin H. gegen den Angeklagten erhobene Anspruch auf Schmerzensgeld ist dem Grunde nach gerechtfertigt."

2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels und die den Nebenklägerinnen im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Totschlags sowie wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt, der Nebenklägerin H. (Opfer des Totschlagsversuchs) den von ihr geltend gemachten Schadensersatzanspruch dem Grunde nach zuerkannt und den Angklagten überdies verurteilt, ihr ein Schmerzensgeld von 35.000 DM zu zahlen.

Die Revision des Angeklagten, mit der er Verletzung förmlichen und sachlichen Rechtes rügt, hat nur zur Höhe des zuerkannten Schmerzensgeldes Erfolg; im übrigen ist sie im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO unbegründet.

Zur Festsetzung der Höhe des Schmerzensgelds führt das Landgericht lediglich aus, es habe dabei "insbesondere die vorsätzliche Tatbegehung und die gravierenden Folgen der Tat berücksichtigt". Das genügt hier nicht. Maßgebend für die Höhe des Schmerzensgelds sind nicht nur die Schwere der Tat und die durch sie verursachten Gesundheitsschäden des Verletzten, sondern regelmäßig auch die wirtschaftlichen Verhältnisse von Täter und Opfer (BGHR StGB § 403 Anspruch 3, 4; BGH StV 1996, 473). Daß sie berücksichtigt worden wären, ist dem Urteil - trotz des in der Begründung gebrauchten Worts "insbesondere" - nicht zu entnehmen. Zwar sind Fälle denkbar, in denen sich ihre ausdrückliche Erörterung erübrigt (so BGHR StPO § 404 Abs. 1 Entscheidung 3). Im vorliegenden Fall fehlen aber bereits nähere Feststellungen zu den Vermögens- und Einkommensverhältnissen der Beteiligten. Solcher Feststellungen hätte es hier angesichts der Höhe des zugesprochenen Schmerzensgeldes bedurft; ohne sie läßt sich die Möglichkeit, daß die Verpflichtung zur Zahlung des zuerkannten Betrags für den Angeklagten eine unbillige Härte bedeutet, nicht ausschließen.

Der Ausspruch zum Schmerzensgeld braucht deshalb aber nicht gänzlich aufgehoben zu werden. Der bezeichnete Rechtsfehler betrifft nur die Höhe des Anspruchs, nicht dessen Grund. Nach § 406 Abs. 1 Satz 2 StPO in der Neufassung durch das Opferschutzgesetz vom 18. Dezember 1986 (BGBl. I S. 2496) kann das Gericht, vor dem im Strafverfahren ein aus der Tat erwachsener vermögensrechtlicher Anspruch geltend gemacht wird (Adhäsionsverfahren), die Entscheidung auf den Grund des Anspruchs beschränken, also -wie im Zivilprozeß (§ 304 ZPO) - ein Grundurteil erlassen (vgl. Begründung des Gesetzentwurfs, BTDrucks. 10/5305 S. 16). Das gilt ohne weiteres auch für Schmerzensgeldansprüche (für den Zivilprozeß vgl. etwa Zöller/Vollkommer ZPO 20. Aufl. § 304 Rdn. 14). Die Befugnis, so zu verfahren, steht zwar zunächst dem Tatgericht zu, erweitert aber auch die Entscheidungsmöglichkeiten des Revisionsgerichts. Hat das Tatgericht dem Verletzten ein Schmerzensgeld zugesprochen und beanstandet das Revisionsgericht lediglich dessen Bemessung, so muß es zwar die Entscheidung zur Höhe aufheben, kann jedoch die Zuerkennung des Schmerzensgeldanspruchs dem Grunde nach aufrechterhalten. Das entspricht der Rechtslage im Zivilprozeß insoweit, als auch dort der Erlaß eines Grundurteils noch in der Revisionsinstanz möglich ist (BGH NJW 1995, 1093, 1095; Zöller/Vollkommer a.a.O. Rdn. 17; Musielak in MünchKomm ZPO § 304 Rdn. 10). Nur dieses Ergebnis wird überdies den Bedürfnissen ökonomischer Verfahrensgestaltung gerecht. Ist die Schmerzensgeldentscheidung des Strafgerichts nämlich nach revisionsgerichtlicher Überprüfung dem Grunde nach rechtsfehlerfrei, so besteht keine Veranlassung, sie wegen eines allein die Bemessung betreffenden Rechtsfehlers insgesamt aufzuheben und damit dem Schädiger im nachfolgenden Zivilprozeß die Möglichkeit zu eröffnen, Einwendungen gegen den Haftungsgrund vorzubringen, die er entweder im Strafverfahren gar nicht erhoben hatte oder mit denen er dort schon gescheitert war; dies hätte eine unnötige Wiederholung der Beweisaufnahme zur Folge.

Demgemäß beschränkt der Senat die Aufhebung hier auf die Entscheidung zur Höhe des Schmerzensgelds und stellt durch entsprechende Fassung des Beschlußtenors klar, daß der Anspruch dem Grunde nach gerechtfertigt ist. Die Verpflichtung des Angeklagten zur Zahlung eines noch zu beziffernden Schmerzensgelds steht damit rechtskräftig fest. Eine Zurückverweisung wegen der Höhe des Betrags kommt nicht in Betracht; darüber hat nach § 406 Abs. 3 Satz 3 StPO das zuständige Zivilgericht zu befinden (zum weiteren Verfahren vgl. Stein/Jonas/Leipold ZPO 21. Aufl. § 304 Rdn. 60 ff.; Musielak a.a.O. Rdn. 4).

Der Rechtsmittelerfolg des Beschwerdeführers ist so gering, daß es nicht geboten erscheint, ihn aus Billigkeitsgründen auch nur teilweise von der Kosten- und Auslagenlast freizustellen (vgl. § 473 Abs. 4 StPO).

Ende der Entscheidung

Zurück