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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 17.03.2004
Aktenzeichen: 2 StR 476/03
Rechtsgebiete: StPO, StGB


Vorschriften:

StPO § 206 a
StPO § 349 Abs. 2
StPO § 349 Abs. 4
StGB § 78 Abs. 3 Nr. 4
StGB § 174 Abs. 1 Nr. 3
StGB § 176 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

2 StR 476/03

vom 17. März 2004

in der Strafsache

gegen

wegen Vergewaltigung u.a.

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO am 17. März 2004 beschlossen:

Tenor:

Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Trier vom 7. August 2003 wird

a) das Verfahren gemäß § 206 a StPO eingestellt, soweit der Angeklagte in 99 Fällen wegen sexuellen Mißbrauchs von Schutzbefohlenen (Taten begangen zwischen dem 2. Juni 1997 und 17. Januar 1998) und in 2 Fällen wegen Beischlafs zwischen Verwandten (Taten begangen zwischen dem 2. Juni 2001 und Mai 2002) verurteilt ist; im Umfang der Einstellung fallen die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse zur Last,

b) das vorgenannte Urteil im Schuldspruch dahin geändert, daß der Angeklagte des sexuellen Mißbrauchs von Kindern in 400 Fällen und des sexuellen Mißbrauchs von Schutzbefohlenen in 99 Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Vergewaltigung und Beischlaf zwischen Verwandten schuldig ist,

c) aufgehoben in den 400 Einzelstrafaussprüchen und im Gesamtstrafenausspruch.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu erneuter Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexuellen Mißbrauchs von Kindern in Tateinheit mit sexuellem Mißbrauch von Schutzbefohlenen in 400 Fällen, wegen sexuellen Mißbrauchs von Schutzbefohlenen in 198 Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Vergewaltigung und Beischlaf zwischen Verwandten und in zwei weiteren Fällen wegen Beischlafs zwischen Verwandten unter Einbeziehung einer Geldstrafe aus einem Strafbefehl zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von elf Jahren verurteilt. Dagegen wendet sich die Revision des Angeklagten mit einer Verfahrensrüge und der Sachrüge. Das Rechtsmittel hat in dem aus der Beschlußformel ersichtlichen Umfang Erfolg, im übrigen erweist es sich aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts dargelegten Gründen als unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO. 1. Das Verfahren war einzustellen, soweit der Angeklagte wegen Beischlafs zwischen Verwandten in zwei Fällen, begangen nach der Vollendung des 18. Lebensjahrs der Nebenklägerin, verurteilt ist, weil es insoweit an einer wirksamen Anklageerhebung fehlt.

Mit der Anklageschrift vom 9. April 2003, die unverändert zur Hauptverhandlung zugelassen worden war, war dem Angeklagten (unter anderem) vorgeworfen worden, in der Zeit vom 3. Juni 1997 bis Mai 2002 in mindestens acht Fällen, möglicherweise in bis zu 200 Fällen sexuelle Handlungen an seinem noch nicht 18 Jahre alten leiblichen Kind vorgenommen oder an sich von dem Schutzbefohlenen vorgenommen lassen zu haben, tateinheitlich dazu in einer noch zu bestimmenden Anzahl von Fällen mit einem leiblichen Abkömmling den Beischlaf vollzogen zu haben. Im konkreten Anklagesatz waren insoweit Taten aus der Zeit vom 1. August 1999 bis Mai/Juni 2001 und ein Geschlechtsverkehr des Angeklagten in der Wohnung seines Bruders ohne Zeitangabe beschrieben worden. Die hier konkret abgeurteilten Fälle sind dort nicht erwähnt. Auch wenn der im abstrakten Anklagesatz angegebene Tatzeitraum eine Zeit erfaßt als die Geschädigte bereits das 18. Lebensjahr (2. Juni 2001) vollendet hatte, spricht gegen den Verfolgungswillen der Staatsanwaltschaft hinsichtlich der in diesem Zeitraum begangenen Taten die in diesem Zusammenhang vorgenommene rechtliche Qualifizierung des Tatvorwurfs als tateinheitliche Begehung des sexuellen Mißbrauchs von Schutzbefohlenen und des Beischlafs zwischen Verwandten. Bei dieser Sachlage ergibt sich jedenfalls nicht mit der für die Anklageerhebung notwendigen Klarheit, ob nach dem Willen der Staatsanwaltschaft auch die Taten nach dem 18. Geburtstag des Tatopfers zur Aburteilung des Gerichts stehen sollten.

2. Das Verfahren war ferner einzustellen, soweit der Angeklagte wegen sexuellen Mißbrauchs von Schutzbefohlenen in der Zeit vom 2. Juni 1997 (14. Geburtstag der Nebenklägerin) bis zum 17. Januar 1998 verurteilt ist, weil insoweit Strafverfolgungsverjährung eingetreten ist. Die Verjährungsfrist für das Delikt des sexuellen Mißbrauchs einer Schutzbefohlenen nach § 174 Abs. 1 Nr. 3 StGB beträgt gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB fünf Jahre. Da die erste verjährungsunterbrechende Handlung mit dem Erlaß des Haftbefehls vom 17. Januar 2003 vorgenommen wurde, sind die vor dem 17. Januar 1998 begangenen Taten verjährt. Dies führt für den genannten Zeitraum bei einem festgestellten dreimaligen wöchentlichen Mißbrauch zum Wegfall von 99 Taten für 33 Wochen. Da die Zahl der festgestellten Taten die der angeklagten und ausgeurteilten Taten übersteigt, ist zugunsten des Angeklagten davon auszugehen, daß sämtliche verjährten Taten in die Zahl der ausgeurteilten 198 Fälle des sexuellen Mißbrauchs von Schutzbefohlenen einbezogen sind. 3. Soweit der Angeklagte wegen weiterer vor dem 2. Juni 1997 begangener 400 Fälle des sexuellen Mißbrauchs von Kindern in Tateinheit mit sexuellem Mißbrauch von Schutzbefohlenen verurteilt ist, hat die Verurteilung wegen sexuellen Mißbrauchs von Schutzbefohlenen wegen der insoweit eingetretenen Strafverfolgungsverjährung ebenfalls zu entfallen. Der Verjährung steht nicht entgegen, daß das Vergehen nach § 174 Abs. 1 Nr. 3 StGB tateinheitlich mit dem des sexuellen Mißbrauchs von Kindern zusammentrifft. Auch bei Tateinheit unterliegt jede Gesetzesverletzung einer eigenen Verjährung. Dementsprechend war der Schuldspruch abzuändern. 4. Die Änderung des Schuldspruchs für die 400 Mißbrauchstaten führt zur Aufhebung der insoweit verhängten Einzelstrafen. Das Landgericht hat bei der Zumessung der Strafen für diese Taten aus dem Strafrahmen des § 176 Abs. 1 StGB ausdrücklich berücksichtigt, daß der Angeklagte zwei Straftatbestände verwirklicht hat. Der Senat kann daher nicht sicher ausschließen, daß dieser Gesichtspunkt die Straffindung beeinflußt hat.

5. Der Wegfall der Einzelstrafen hinsichtlich der eingestellten Fälle und die Aufhebung der Einzelstrafen in 400 Fällen zieht die Aufhebung der Gesamtstrafe nach sich. Die Feststellungen zu den aufgehobenen Einzelstrafen und zur Gesamtstrafe sind von dem Rechtsfehler nicht betroffen und können aufrechterhalten bleiben. Ergänzende Feststellungen bleiben möglich.

Ende der Entscheidung

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