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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 10.01.2007
Aktenzeichen: 2 StR 496/06
Rechtsgebiete: StPO, StGB


Vorschriften:

StPO § 349 Abs. 2
StPO § 349 Abs. 4
StGB § 177 Abs. 1
StGB § 177 Abs. 1 Nr. 1
StGB § 177 Abs. 1 Nr. 2
StGB § 177 Abs. 2
StGB § 177 Abs. 4 Nr. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

2 StR 496/06

vom 10. Januar 2007

in der Strafsache

gegen

wegen Vergewaltigung

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 10. Januar 2007 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:

Tenor:

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Mainz vom 23. Juni 2006

1. mit den Feststellungen aufgehoben,

a) soweit der Angeklagte wegen Vergewaltigung (in 80 Fällen) verurteilt worden ist ausgenommen die beiden Taten

- vom 20. Dezember 2004 und

- im Februar 2005

b) im Ausspruch über die Gesamtstrafe;

2. im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte

a) wegen der im Februar 2005 begangenen Tat der besonders schweren Vergewaltigung (§ 177 Abs. 4 StGB)

und

b) in den Fällen 88 und 89 jeweils der versuchten Nötigung (statt Bedrohung) schuldig ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer zurückverwiesen.

3. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung in 80 Fällen, gefährlicher Körperverletzung in fünf Fällen, wobei es in einem Fall beim Versuch blieb, Körperverletzung in einem Fall und Bedrohung in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt. Dagegen wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, die er auf eine Verfahrensrüge und die Sachrüge stützt.

Das Rechtsmittel hat in dem aus dem Beschlusstenor ersichtlichen Umfang mit der Sachrüge Erfolg, im Übrigen ist es aus den Erwägungen in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 26. Oktober 2006 unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

1. Nach den Feststellungen des Landgerichts hat der Angeklagte seine Ehefrau, die Zeugin T. in der Zeit vom 4. Juli 1997 bis zum 13. Juni 1999 ca. alle zwei Wochen - unter Berücksichtigung eines Sicherheitsabschlags - in 30 Fällen vergewaltigt. Eine weitere Tatserie von 50 Fällen - ebenfalls nach Abzug eines Sicherheitsabschlags - hat das Landgericht für die Zeit von Anfang 2002 bis 1. März 2005 angenommen. Dabei habe er die Zeugin am 20. Dezember 2004 auf die Couch geworfen, sie mit den Knien und Händen festgehalten, an den Haaren gezogen und geschüttelt und sie zur Ausübung des Oralverkehrs und zum Anal- und Vaginalverkehr gezwungen. Im Februar 2005 habe der Angeklagte, der des Öfteren gegen die Zeugin gewalttätig wurde, sich mit einem Stock bewaffnet auf die Zeugin gestürzt und sie zum Oralverkehr gezwungen.

Soweit das Landgericht den Angeklagten dieser am 20. Dezember 2004 und im Februar 2005 begangenen Vergewaltigungen für schuldig befunden und jeweils Einzelstrafen von zwei Jahren und acht Monaten verhängt hat, hat die Nachprüfung des Urteils keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Da der Angeklagte jedoch bei der im Februar 2005 begangenen Vergewaltigung einen Stock verwendete, liegt die Qualifikation gemäß § 177 Abs. 4 Nr. 1 StGB vor. Dies ist in der Urteilsformel durch Verurteilung wegen besonders schwerer Vergewaltigung kenntlich zu machen (vgl. BGHR StPO § 260 Abs. 4 Nr. 1 Urteilsformel 4; BGH StraFo 2005, 516; Tröndle/Fischer, StGB 54. Aufl. § 177 Rdn. 78). Der Senat hat den Urteilstenor entsprechend geändert.

Keinen Bestand haben kann dagegen die Verurteilung des Angeklagten wegen 78 weiterer Vergewaltigungen. Das Landgericht hat insoweit ausgeführt, dass vergleichbare Vorfälle wie die am 20. Dezember 2004 und im Februar 2005 festgestellten Vergewaltigungen auch im Übrigen stattgefunden haben. Der Angeklagte habe "seine körperliche Überlegenheit und die Angst der Zeugin vor körperlicher Züchtigung und der Wegnahme ihres Sohnes (ausgenutzt), um sie für seine Zwecke gefügig zu machen". Die Zeugin habe ihren Widerstand immer spätestens dann aufgegeben, wenn der Angeklagte damit drohte, ihr den Sohn wegzunehmen.

Damit ist weder eine finale Gewaltanwendung noch eine Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben für jeden Einzelfall ausreichend konkretisiert und individualisiert. Wenn auch bei Serienstraftaten nach § 177 Abs. 1 und Abs. 2 StGB an die Individualisierbarkeit der einzelnen Taten keine überspannten Anforderungen zu stellen sind, bleibt hier nach den Feststellungen schon offen, ob der Angeklagte stets ein Nötigungsmittel im Sinne des § 177 Abs. 1 StGB eingesetzt hat. Zwar hat der Angeklagte bei den Vergewaltigungen am 20. Dezember 2004 und im Februar 2005, auf die das Landgericht auch für die weiteren Vergewaltigungen verweist, Gewalt angewandt. Bedenken, ob damit der Einsatz von Gewalt auch für die pauschal in Bezug genommenen Fälle ausreichend konkretisiert ist, bestehen schon deshalb, weil der Handlungsablauf und die Gewaltanwendung bei den einzelnen Taten offensichtlich unterschiedlich war. Zudem bedarf es generell hinsichtlich der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 177 Abs. 1 StGB auch bei Serientaten wegen der erfahrungsgemäß nicht gleichen Handlungsabläufe hinsichtlich des Ob und Wie des Einsatzes des Nötigungsmittels näherer Feststellungen (vgl. Senatsbeschluss vom 30.8.2002 - 2 StR 274/02). Insbesondere ist im vorliegenden Fall nach den unklaren Feststellungen aber auch nicht auszuschließen, dass der Angeklagte die sexuellen Handlungen teilweise ohne Gewaltanwendung oder qualifizierte Drohungen im Sinne von § 177 Abs. 1 Nr. 2 StGB allein durch die Drohung erzwungen haben könnte, der Zeugin den Sohn wegzunehmen. Dann läge ein Nötigungsmittel nach § 177 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 StGB nicht vor. Das Urteil unterliegt deshalb der Aufhebung, soweit der Angeklagte wegen Vergewaltigung in 78 Fällen verurteilt ist. Weitere Feststellungen, die zur Konkretisierung und Individualisierung wenigstens einiger weiterer Fälle führen können, erscheinen möglich.

2. Soweit der Angeklagte in den Fällen 88 und 89 wegen Bedrohung verurteilt worden ist, war der Schuldspruch entsprechend dem Antrag des Generalbundesanwalts jeweils auf versuchte Nötigung umzustellen, da der Angeklagte mit seinen Drohungen die Rückkehr seiner Ehefrau zu ihm erreichen wollte. Auswirkungen auf die insoweit verhängten Einzelstrafen von je drei Monaten sind angesichts des höheren Strafrahmens für die versuchten Nötigungen auszuschließen.

3. Die teilweise Aufhebung des Urteils mit dem Wegfall von 30 Einzelstrafen von jeweils zwei Jahren und drei Monaten und 48 Einzelstrafen von jeweils zwei Jahren und acht Monaten führt auch zur Aufhebung der Gesamtstrafe.

Ende der Entscheidung

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