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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 19.01.2007
Aktenzeichen: 2 StR 537/06
Rechtsgebiete: StPO, StGB


Vorschriften:

StPO § 206 a
StPO § 264 Abs. 1
StPO § 344 Abs. 2 S. 2
StPO § 349 Abs. 2
StPO § 349 Abs. 4
StPO § 357
StGB § 69
StGB § 69 a
StGB § 194
StGB § 223 Abs. 1
StGB § 224 Abs. 1 Nr. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

2 StR 537/06

vom 19. Januar 2007

in der Strafsache

gegen

wegen gefährlicher Körperverletzung u. a.

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 19. Januar 2007 gemäß §§ 349 Abs. 2 und 4, 206 a, 357 StPO beschlossen:

Tenor:

1. Auf die Revision des Angeklagten Sch. gegen das Urteil des Landgerichts Kassel vom 11. Juli 2006 wird

a) das Verfahren in den Fällen 7, 8 und 9 der Urteilsgründe gemäß § 206 a StPO eingestellt;

b) das Urteil im Schuldspruch im Fall 14 der Urteilsgründe dahin geändert, dass der Angeklagte der Bedrohung schuldig ist;

c) das Urteil in den Fällen 2 - insoweit auch, soweit es den Mitangeklagten F. betrifft -, 3, 6 und 19 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben;

d) das Urteil im Ausspruch über die Einzelstrafe im Fall 14 der Urteilsgründe sowie in den Aussprüchen über die Gesamtstrafen gegen beide Angeklagte und im Ausspruch über die Maßregel mit den Feststellungen aufgehoben.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurück verwiesen.

3. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten Sch. wegen Körperverletzung in fünf Fällen (Taten 10, 11, 13, 16, 20), gefährlicher Körperverletzung in drei Fällen (Taten 5, 6, 15), Beleidigung in zwei Fällen (Taten 8, 9), Beleidigung in Tateinheit mit Bedrohung (Tat 14), Nötigung in zwei Fällen (Taten 17, 19), Beförderungserschleichung (Tat 7), Bedrohung (Tat 18), Diebstahl "im besonders schweren Fall" (Tat 3) und versuchtem Diebstahl "im besonders schweren Fall" (Tat 2) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt und eine isolierte Sperre für die Erteilung einer Fahrerlaubnis festgesetzt. Den Mitangeklagten F. , der nicht revidiert, hat es wegen Diebstahls (Fall 4) und versuchten Diebstahls "im besonders schweren Fall" (Fall 2) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Die Revision des Angeklagten Sch. führt mit der Sachrüge zur Aufhebung des Urteils in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang unter Erstreckung auf den Mitangeklagten F. ; im Übrigen ist sie unbegründet.

1. Die Verfahrensrüge ist aus den vom Generalbundesanwalt zutreffend dargelegten Gründen unzulässig, da sie den Anforderungen des § 344 Abs. 2 S. 2 StPO nicht genügt.

2. In den Fällen 7, 8 und 9 der Urteilsgründe lag, wie der Generalbundesanwalt zutreffend ausgeführt hat, das Verfahrenshindernis des Strafklageverbrauchs vor, da die zum selben prozessualen Tatgeschehen im Sinne von § 264 Abs. 1 StPO gehörenden Taten bereits durch das Urteil des Amtsgerichts Kassel vom 6. Juli 2005 erfasst waren.

3. Im Fall 14 der Urteilsgründe hat das Landgericht übersehen, dass der Strafantrag gemäß § 194 StGB von der Geschädigten wirksam zurückgenommen wurde. Dies führt zur Änderung des Schuldspruchs (Wegfall der Verurteilung wegen Beleidigung) und zur Aufhebung der Einzelstrafe in diesem Fall.

4. Die Verurteilung wegen versuchten Diebstahls im Fall 2 der Urteilsgründe hält rechtlicher Prüfung nicht stand. Nach den Feststellungen schlug der Angeklagte Sch. die Scheibe eines Schaufensters ein, weil die Angeklagten einen darin stehenden Gegenstand entwenden wollten. Weil sie wegen des Lärms "dann doch Angst (hatten) entdeckt zu werden", ließen sie von ihrem Vorhaben ab (UA S. 9).

Damit ist die Möglichkeit eines strafbefreienden Rücktritts vom Versuch nicht hinreichend sicher ausgeschlossen. Tatsachen, aus denen sich ein Fehlschlag des Versuchs ergeben würde, sind nicht festgestellt. Der bloße Umstand, dass ein Täter befürchtet, möglicherweise entdeckt zu werden, würde der Annahme eines unbeendeten Versuchs und der Möglichkeit eines freiwilligen Rücktritts noch nicht entgegenstehen (vgl. Tröndle/Fischer StGB 54. Aufl. § 24 Rdn. 7 und 19 mit Nachw. zur Rechtsprechung).

Die Aufhebung erstreckt sich gemäß § 357 StPO auch auf den nicht revidierenden Mitangeklagten F. ; sie führt auch zur Aufhebung der gegen diesen Angeklagten verhängten Gesamtstrafe.

5. Die Feststellungen zu Fall 3 der Urteilsgründe tragen die Verurteilung wegen vollendeten Diebstahls nicht. Danach schlug der Angeklagte die Scheibe eines Pkw ein und entnahm diesem eine Geldbörse, "die den Personalausweis, den Führerschein und die Bankkarte (des Geschädigten) enthielt, in der Absicht sich diese zuzueignen"; die Geldbörse wurde "samt Inhalt später aufgefunden" (UA S. 10).

Hiermit ist weder belegt, dass die Geldbörse Bargeld enthielt noch dass der Angeklagte sich die Börse selbst und ihren festgestellten Inhalt zueignen wollte. Die bisherigen Feststellungen legen im Gegenteil die Annahme nahe, dass er an den tatsächlich vorgefundenen Sachen gerade nicht interessiert war. In diesem Fall läge nur ein Versuch des Diebstahls vor.

6. Im Fall 6 der Urteilsgründe lässt sich auf die Feststellungen die Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB nicht stützen. Hiernach packte der Angeklagte den Geschädigten A. am Hals und "schlug auf ihn ein". A. "wehrte sich aber"; der Angeklagte floh daraufhin. Hier bleibt schon der erforderliche Erfolg des Grunddelikts gemäß § 223 Abs. 1 StGB offen.

7. Im Fall 19 belegen die Feststellungen, wonach der Angeklagte mit seinem Pkw auf den Gehweg vor den beiden Zeuginnen N. und L. fuhr und erst so spät abbremste, "dass er kurz vor den Zeuginnen zum Stehen kam", die Verurteilung wegen (vollendeter) Nötigung nicht. Weitergehende Feststellungen erscheinen auch hier möglich, so dass der Senat das Verfahren insoweit nicht, wie vom Generalbundesanwalt beantragt, vorläufig eingestellt hat. Dass der Angeklagte insoweit nicht wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr verurteilt wurde, beschwert ihn nicht.

8. Die Aufhebung des Urteils in den genannten Einzelfällen und die Einstellung des Verfahrens in den Fällen 7 bis 9 führen auch zur Aufhebung der Gesamtstrafe.

Aufzuheben war auch die Maßregelanordnung der Festsetzung einer isolierten Sperre gemäß § 69 a StGB. Eine Feststellung, ob der Angeklagte eine Fahrerlaubnis besitzt oder nicht, enthält das Urteil nicht. Dagegen könnten zwar die festgestellten Vorstrafen (auch) wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis sprechen. Andererseits stellt das Urteil verschiedentlich fest, dass der Angeklagte offenbar in normalem Umfang am Straßenverkehr teilnimmt und über mehrere eigene Kraftfahrzeuge verfügt; überdies ist er hier gerade nicht wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis verurteilt worden. Wäre der Angeklagte aber Inhaber einer Fahrerlaubnis, so fehlte es mangels einer Maßregelanordnung gemäß § 69 StGB der Festsetzung einer (isolierten) Sperre an einer Grundlage.

9. Im Übrigen wird der neue Tatrichter sein Augenmerk gegebenenfalls auf eine nachträgliche Gesamtstrafenbildung mit den durch Urteil des Amtsgerichts Kassel vom 6. Juli 2005 verhängten Strafen zu richten haben. Auch dies hat das Landgericht übersehen.

Ende der Entscheidung

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