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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 21.12.2005
Aktenzeichen: 2 StR 539/05
Rechtsgebiete: StPO, BtMG


Vorschriften:

StPO § 265
StPO § 349 Abs. 2
StPO § 349 Abs. 4
BtMG § 30 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

2 StR 539/05

vom 21. Dezember 2005

in der Strafsache

gegen

wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u. a.

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 21. Dezember 2005 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:

Tenor:

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Koblenz vom 22. Juli 2005 im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte der Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge schuldig ist.

2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

3. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu der Freiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt und ihm die Fahrerlaubnis mit der Wirkung entzogen, dass er für die Dauer von zwei Jahren im Inland von ihr keinen Gebrauch machen darf. Mit seiner Revision gegen dieses Urteil rügt der Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Das Rechtsmittel führt zu der aus der Beschlussformel ersichtlichen Änderung des Schuldspruchs. Im Übrigen ist es offensichtlich unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).

1. Das Landgericht hat im Wesentlichen festgestellt:

Der Angeklagte hatte bei "A. " in H. 1.500 € Schulden aus Drogenkäufen. "A. " verlangte von dem Angeklagten, dass dieser für ihn eine größere Menge Haschisch, Marihuana und Kokain aus den Niederlanden nach L. bei M. bringen solle, damit die Drogen dort verkauft werden könnten. "A. " zeigte dem Angeklagten dabei eine Waffe und drohte, die frühere Freundin und den Sohn des Angeklagten "aufzusuchen", falls er die Kurierfahrt verweigern sollte. Daneben versprach "A. " dem Angeklagten, ihm nach der Fahrt die Schulden zu erlassen und ihm eine kleine Menge Betäubungsmittel zu geben. Der Angeklagte ließ sich darauf ein und brach nach Einnahme von Kokain und Marihuana am 22. März 2005 mit "A. " von den Niederlanden in Richtung M. auf, wo die Drogen weitergegeben werden sollten. Sie fuhren mit zwei Fahrzeugen, wobei sich die Drogen (1 kg Marihuana, 6,8 kg Haschisch, 1,18 kg Kokain) in dem vom Angeklagten geführten Fahrzeug befanden. Bei einer Zollkontrolle bei Mo. wurden die Betäubungsmittel sichergestellt.

2. Der Angeklagte hat zwar die Einfuhr der Betäubungsmittel als Täter verwirklicht, hinsichtlich des Handeltreibens ist sein Tatbeitrag jedoch nur als Beihilfe zu werten.

Der Schuldspruch wegen Täterschaft hinsichtlich der unerlaubten Einfuhr bedingt nicht notwendig auch die Bewertung des Vorgehens des Angeklagten als täterschaftliches Handeltreiben. Vielmehr bedarf es der Abgrenzung zur Beihilfe nach den allgemeinen Grundsätzen des Strafrechts (vgl. BGH NStZ-RR 1999, 186, 187; BGH, Beschl. vom 2. Juli 1998 - 1 StR 280/98 -; Urt. vom 14. Dezember 2005 - 2 StR 466/05 - jeweils m.w.N.). Der Tatbestand des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln ist zwar weit auszulegen (BGH-GSSt, Beschl. vom 26. Oktober 2005 - GSSt 1/05 - S. 14 = NJW 2005, 3790, 3792) und erfasst grundsätzlich alle Tätigkeiten, soweit sie auf den späteren Umsatz des Rauschgifts gerichtet sind. Nicht jede eigennützige Förderung fremder Umsatzgeschäfte ist aber als täterschaftliches Handeltreiben zu bewerten (vgl. aaO S. 20 = NJW 2005, 3790, 3793 m.w.N.). Eine ganz untergeordnete Tätigkeit genügt in aller Regel nicht. Die Tätigkeit des Kuriers, der gegen Entlohnung selbst Betäubungsmittel transportiert, ohne selbst Käufer oder Verkäufer zu sein, ist insoweit nicht grundsätzlich von untergeordneter Bedeutung, auch er kann Täter sein (vgl. BGH NStZ-RR 1999, 186, 187 m.w.N.).

Das angefochtene Urteil nimmt in Bezug auf das Handeltreiben aber keine nähere über die bloße Umschreibung der Kuriertätigkeit hinausgehende Abgrenzung zwischen Täterschaft und Beihilfe vor, obwohl das unter den gegebenen Umständen geboten war. Die bisher festgestellten, für diese Abgrenzung relevanten Umstände ergeben, dass der Tatbeitrag des Angeklagten als Beihilfe zum Handeltreiben zu werten ist. Der Angeklagte hatte mit dem An- und Verkauf der transportierten Betäubungsmittel nichts zu tun, er hatte keinen Einfluss auf deren Menge sowie auf Transportweg und -ziel und handelte unter dem Eindruck der von "A. " geäußerten Drohung. Der Angeklagte transportierte das Rauschgift nicht eigenverantwortlich, sondern unter der ständigen Aufsicht und Anleitung des "A. " als Kurierbegleiter. Der Angeklagte wusste nicht, an wen das Rauschgift am Zielort abgegeben werden sollte. Im Hinblick auf die transportierte Gesamtmenge und die dem Angeklagten entstehenden Fahrtkosten war die Entlohnung gering. Insgesamt belegen diese Umstände, dass der Angeklagte bei dem Betäubungsmittelgeschäft des "A. " nur eine untergeordnete Rolle spielte. Der Tatbeitrag des Angeklagten kann daher nur als Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln, nicht aber als Täterschaft gewertet werden.

Da die bisherigen Feststellungen auf dem vom Landgericht für glaubhaft erachteten Geständnis beruhen und in einer neuen Hauptverhandlung keine weiteren Feststellungen, die ein täterschaftliches Handeltreiben begründen könnten, zu erwarten sind, hat der Senat den Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte der Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge schuldig ist. § 265 StPO steht nicht entgegen, weil auszuschließen ist, dass sich der Angeklagte gegen den geänderten Schuldvorwurf anders und wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.

Der Rechtsfolgenausspruch kann auch nach der Änderung des Schuldspruchs bestehen bleiben. Der Senat schließt insbesondere im Hinblick auf die große Menge der eingeführten Betäubungsmittel aus, dass das Landgericht auf der Grundlage des geänderten Schuldspruchs eine mildere Freiheitsstrafe verhängt hätte. Für die Strafzumessung bleibt unverändert der Strafrahmen des § 30 Abs. 1 BtMG maßgebend. Zudem hat das Landgericht die tateinheitliche Verwirklichung eines weiteren Tatbestands nicht zum Nachteil des Angeklagten gewertet und strafmildernd berücksichtigt, dass er lediglich als Kurier für strafwürdigere Hintermänner tätig wurde. Damit hat das Landgericht der untergeordneten Rolle des Angeklagten bei seiner Strafbemessung bereits hinreichend Rechnung getragen.

Ende der Entscheidung

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