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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 14.03.2007
Aktenzeichen: 2 StR 576/06
Rechtsgebiete: StPO, StGB


Vorschriften:

StPO § 349 Abs. 2
StPO § 349 Abs. 4
StGB § 239 a
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

2 StR 576/06

vom 14. März 2007

in der Strafsache

gegen

1.

2.

wegen erpresserischen Menschenraubes u. a.

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung der Beschwerdeführer am 14. März 2007 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:

Tenor:

1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Aachen vom 3. Mai 2006 im Fall 1 der Urteilsgründe

a) im Schuldspruch dahin geändert, dass die Angeklagten der versuchten räuberischen Erpressung in zwei tateinheitlichen Fällen, der Angeklagte R. M. rechtlich zusammentreffend mit vorsätzlicher Körperverletzung, schuldig sind,

b) mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben im Strafausspruch hinsichtlich des Angeklagten A. M. im Einzelstrafausspruch in diesem Fall und im Gesamtstrafenausspruch hinsichtlich des Angeklagten R. M. .

2. In Umfang der Aufhebung wird die Sache zu erneuter Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

3. Die weitergehenden Revisionen werden verworfen.

Gründe:

Das Landgericht hat die Angeklagten (Fall 1 der Urteilsgründe) des erpresserischen Menschenraubs, den Angeklagten R. M. weiter (Fall 2 der Urteilsgründe) der räuberischen Erpressung für schuldig befunden. Es hat den Angeklagten R. M. zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten (Einzelstrafe für Fall 1: zwei Jahre und sechs Monate, für Fall 2: drei Jahre) und den Angeklagten A. M. zu einer zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt.

Die Revisionen haben mit der Sachrüge im aus dem Beschlusstenor ersichtlichen Umfang Erfolg, im Übrigen sind sie unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

Das Landgericht hat zu Fall 1 der Urteilsgründe folgendes festgestellt:

Die Angeklagten brachten zusammen mit zwei weiteren gesondert Verfolgten die beiden Geschädigten R. und D. L. unter einem Vorwand dazu, in ihr Fahrzeug einzusteigen. Die Geschädigten wurden am Aussteigen gehindert und zu einem Waldstück gefahren. Während der Fahrt versetzte der Angeklagte R. M. dem R. L. einen Faustschlag ins Gesicht. Die Angeklagten bezichtigten die Geschädigten betrügerischer Machenschaften zum Nachteil von Landsleuten und forderten zunächst die Zahlung von 100.000 €. Sie selbst waren von etwaigen Betrügen nicht betroffen, auch waren sie nicht von Betrugsopfern zur Wahrung ihrer Interessen beauftragt worden. Die eingeschüchterten Geschädigten wurden schließlich mit der Aufforderung freigelassen, bis zum nächsten Wochenende 25.000 € zu zahlen, andernfalls werde man sie zu finden wissen, auch ihren Frauen werde etwas passieren. Zahlungen wurden in der Folge nicht geleistet, R. L. erstattete Strafanzeige.

Das Landgericht hat dieses Geschehen für beide Angeklagte als erpresserischen Menschenraub gewertet. Dies hält - wie der Generalbundesanwalt zutreffend ausgeführt hat - rechtlicher Prüfung nicht stand.

Zwar hatten sich die Angeklagten der Geschädigten bemächtigt und unter Drohungen aufgefordert, Zahlungen zu erbringen. Jedoch sollten diese erst zu einem Zeitpunkt erfolgen, zu dem sie aus der Gewalt der Angeklagten entlassen waren. Da die Geschädigten sich das Geld beschaffen mussten, war Voraussetzung für die Erfüllung der Forderung der Angeklagten die Beendigung der Bemächtigungslage. Unter diesen Umständen fehlt es an dem zwischen der Bemächtigungslage und der beabsichtigten Erpressung erforderlichen funktionalen und zeitlichen Zusammenhang und subjektiv auch an der erforderlichen Absicht des "Ausnutzens" im Sinne von § 239 a StGB (BGH NStZ 2005, 508). Denn der Zweck der gesetzlichen Regelung besteht gerade darin, das Sichbemächtigen des Opfers deshalb besonders unter Strafe zu stellen, weil der Täter seine Drohung während der Dauer der Zwangslage jederzeit realisieren kann (BGHR StGB § 239 a Abs. 1 Sichbemächtigen 5).

Tateinheitlich hat sich der Angeklagte R. M. der vorsätzlichen Körperverletzung zum Nachteil des Geschädigten R. L. schuldig gemacht. Durch die auch im Hinblick auf die Körperverletzung beantragte Schuldspruchänderung hat der Generalbundesanwalt jedenfalls konkludent das besondere öffentliche Interesse an der Strafverfolgung bejaht.

Die Änderung des Schuldspruchs hinsichtlich beider Angeklagten für den Fall 1 der Urteilsgründe führt zur Aufhebung der insoweit verhängten Strafe bzw. - soweit es den Angeklagten R. M. betrifft - verhängten Einzelstrafe und Gesamtstrafe. Hingegen kann die gegen den Angeklagten R. M. rechtsfehlerfrei festgesetzte weitere Einzelstrafe (Fall 2 der Urteilsgründe) bestehen bleiben. Der Senat schließt aus, dass sie durch den genannten Rechtsfehler beeinflusst worden ist.

Ende der Entscheidung

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