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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 28.11.1997
Aktenzeichen: 3 StR 114/97
Rechtsgebiete: StGB, StPO


Vorschriften:

StGB § 99 Abs. 1 Nr. 1
StGB § 78 c Abs. 3 Satz 2
StGB § 52 Abs. 1
StPO § 244 Abs. 3
StPO § 60 Nr. 2
StGB § 99 Abs. 1 Nr. 1, § 78 c Abs. 3 Satz 2, § 52 Abs. 1; StPO § 244 Abs. 3, § 60 Nr. 2

1. Die doppelte Verjährungsfrist des § 78 c Abs. 3 Satz 2 StGB ist ohne eine vorherige Beendigung der Tat kein gesetzlich zulässiges Mittel zur zeitlichen Begrenzung einer tatbestandlichen Handlungseinheit.

2. Zur Bedeutung des Merkmals der Konnexität für einen Beweisantrag auf Vernehmung eines Zeugen (Fortführung von BGHSt 37, 162; 39, 251).

3. Das vom Bundesverfassungsgericht aus der Verfassung abgeleitete besondere Verfolgungshindernis für ehemalige DDR-Spione steht der Annahme eines Beteiligungsverdachts i.S.d. § 60 Nr. 2 StPO an einer durch Dritte begangene geheimdienstlichen Agententätigkeit nicht entgegen.

BGH, Urteil vom 28. November 1997 - 3 StR 114/97 - OLG Düsseldorf


BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

3 StR 114/97

vom

28. November 1997

in der Strafsache

gegen

wegen geheimdienstlicher Agententätigkeit

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Hauptverhandlung vom 26. November 1997 in der Sitzung vom 28. November 1997, an denen teilgenommen haben:

Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Kutzer,

Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Rissing-van Saan, die Richter am Bundesgerichtshof Dr. Blauth, Dr. Miebach, Pfister als beisitzende Richter,

Bundesanwalt als Vertreter der Bundesanwaltschaft,

1. Rechtsanwalt , 2. Rechtsanwalt , 3. Rechtsanwalt - Rechtsanwalt nur in der Verhandlung vom 26. November 1997 als Verteidiger,

Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 26. Juni 1996 wird verworfen.

Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Von Rechts wegen

Gründe:

Das Oberlandesgericht hat den Angeklagten wegen geheimdienstlicher Agententätigkeit zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt und den Verfall eines Betrages von einer Million DM angeordnet.

Die auf Verfahrensrügen und die Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten bleibt ohne Erfolg.

I.

Nach den Feststellungen des Urteils war der Angeklagte nach dem Regierungswechsel im Jahre 1969 als parlamentarischer Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion unter anderem für die Entspannungs- und Ostpolitik seiner Partei verantwortlich. Insbesondere war er mit vorbereitenden Gesprächen im Zusammenhang mit der Erarbeitung des Moskauer Vertrages, des Grundlagenvertrages, des Berliner Abkommens und des Warschauer Vertrages befaßt. Etwa 1970 beschloß die Leitung der Hauptverwaltung Aufklärung (HVA) des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR (MfS), mit dem Angeklagten in Kontakt zu treten, um diesen für eine nachrichtendienstliche Zusammenarbeit zu gewinnen. Zu diesem Zweck trat etwa Mitte 1970 der Mitangeklagte und Nichtrevident V. unter der Legende eines Mitarbeiters im wirtschaftspolitischen Bereich des Ministerrats der DDR an den Angeklagten heran. In Wirklichkeit war V. als Offizier im besonderen Einsatz für die HVA tätig. V. hatte für seine nachrichtendienstliche Tätigkeit im Zusammenhang mit der Person des Angeklagten W. den Arbeitsnamen "K. " erhalten, während der Angeklagte W. unter dem Decknamen "S. " im Referat 6 der Abteilung I der HVA geführt wurde. In der Zeit von 1970 bis 1974 kam es jährlich zu mehreren Treffen des Angeklagten mit V. , bei denen der Angeklagte u.a. über seine politische Arbeit berichtete, ohne jedoch zu dieser Zeit - wovon das Oberlandesgericht zugunsten des Angeklagten W. ausgegangen ist - schon den nachrichtendienstlichen Hintergrund des Treffens erkannt zu haben. Nachdem der Angeklagte Ende 1974 aus dem Bundestag ausgeschieden war und parteibezogene Führungspositionen aufgegeben hatte, wurden die Treffen zunächst eingestellt.

Trotz des Ausscheidens des Angeklagten W. aus der aktiven Politik nahm V. im Auftrag seiner Führungsstelle im Jahre 1976 wieder engeren Kontakt zu ihm auf. Führungsoffizier war, wie bereits früher, Wi. , der inzwischen Leiter des den Vorgang "K. /S. " führenden Referats 6 geworden war; Wi. behielt, auch nachdem er als Leiter des Referats 6 ausgeschieden war, als Sonderoffizier die Führung des innerhalb der HVA nachrichtendienstlich hoch angesiedelten Vorgangs "K. /S. " bis zum Ende der Verbindung inne. Da Aspekte der Konspiration innerhalb der HVA in Bezug auf diesen Vorgang von Anfang an in außergewöhnlich großem Ausmaße beachtet wurden, hatten ab 1975 grundsätzlich nur die für das Referat 6 zuständigen stellvertretenden Abteilungsleiter der Abteilung I der HVA sowie die Abteilungsleiter selbst Einblick in den Vorgang. Die Leitung der HVA wurde bei Bedarf unterrichtet. Mußte Wi. urlaubs- oder krankheitsbedingt vertreten werden, trat der stellvertretende Leiter der Abteilung I an seine Stelle. 1985 und 1986 wurde Wi. statt dessen sechs- bis siebenmal durch den Zeugen Dr. F. , einen operativen Mitarbeiter des Referats 6, und durch den Zeugen St. , der ab Mitte 1987 Leiter des Referats 6 wurde, drei- bis fünfmal bei der organisatorischen Abwicklung von Treffen V. 's mit dem Angeklagten W. vertreten.

Spätestens ab Ende 1976 erkannte der Angeklagte W. den nachrichtendienstlichen Hintergrund der nunmehr alle sechs bis acht Wochen (durchschnittlich siebenmal jährlich), aus Sicherheitsgründen unter Meidung der Bundesrepublik Deutschland nur noch im westeuropäischen Ausland` stattfindenden Treffen mit V. . Bis Ende Oktober 1989 teilte der Angeklagte W. diesem sein Wissen aus dem Bereich der Politik der Bundesrepublik Deutschland, insbesondere seine Kenntnisse über Interna der SPD, sowie seine persönliche Einschätzung aktueller politischer und wirtschaftlicher Fragen mit. Während des gesamten Tatzeitraums wurden dem Angeklagten W. als Gegenleistung von V. bei jedem Treffen hohe Beträge übergeben, und zwar erhielt der Angeklagte ab Ende 1976 bis Mitte 1985 durchschnittlich 7.500 DM pro Monat; ab Mitte 1985 bis zum Ende der nachrichtendienstlichen Verbindung betrug der Agentenlohn monatlich 10.000 DM, wobei der von V. bei den einzelnen Treffs überreichte Geldbetrag entsprechend den Intervallen zwischen den Treffen unterschiedlich hoch ausfallen konnte. Das letzte Treffen des Angeklagten W. mit V. fand im Oktober 1989 in Luxemburg statt. Eine für November/Dezember 1989 geplante weitere Treffreise V. 's kam wegen der politischen Veränderungen in der DDR nicht mehr zustande.

Der Beschwerdeführer, der die Anzahl und Umstände der Treffen mit V. im Laufe der Hauptverhandlung eingeräumt hat, macht geltend, ohne sein Wissen abgeschöpft worden zu sein; er bestreitet, Geldzahlungen vom MfS erhalten zu haben.

II.

Das Verfahrenshindernis der Strafverfolgungsverjährung besteht entgegen der Auffassung der Revision nicht. Wie die Revision selbst zutreffend darlegt, ist das in dem angefochtenen Urteil festgestellte, den Tatbestand des § 99 Abs. 1 Nr. 1 StGB kontinuierlich erfüllende Handeln des Beschwerdeführers von Regelmäßigkeit geprägt, so daß sich die Frage nicht stellt, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen Unterbrechungen die Annahme einzelner beendeter Taten im Sinne des § 99 Abs. 1 Nr. 1 StGB rechtfertigen könnten. Der Senat vermag der Ansicht der Revision, in derartigen Fällen gewinne der Ablauf der doppelten Verjährungsfrist im Sinne des § 78 c Abs. 3 Satz 2 StGB Bedeutung, nicht zu folgen.

Der Ablauf der doppelten Verjährungsfrist setzt eine zuvor beendete Tat voraus, da gemäß § 78 a StGB nur unter dieser Bedingung die Verjährungsfrist überhaupt in Lauf gesetzt wird. Daß eine zeitlich gestreckte Tat gemäß § 99 Abs. 1 Nr. 1 StGB eine tatbestandliche Handlungseinheit darstellt, die erst beendet ist, wenn die geheimdienstliche Tätigkeit eingestellt wird, hat der Senat wiederholt entschieden (BGH NStZ 1996, 129, 130; NJW 1996, 3424 = BGHSt 42, 215, 217 f.; BGH NStZ 1997, 487 mit Anm. Rudolphi und Besprechung Schlüchter/Duttge/Klumpe JZ 1997, 995, 998). Die Auffassung der Revision, der absoluten Verjährungsfrist als äußerster Grenze zulässiger strafrechtlicher Verfolgung gebühre der Vorrang vor der rechtlichen Zusammenfassung in tatbestandliche Handlungseinheiten, läßt außer acht, daß nach dieser Auffassung die generelle Anwendung des § 78 c Abs. 3 Satz 2 StGB nicht nur tatbestandliche Handlungseinheiten ohne gesetzlichen Anhalt verkürzen, sondern auch die Regelung des § 78 a StGB außer Kraft setzen müßte. Für eine solche Handhabung bietet das Gesetz keine Grundlage, vielmehr kann der Lauf der Verjährung sinnvollerweise erst beginnen, wenn der Täter sein rechtsverneinendes Tun insgesamt abgeschlossen hat; davor besteht kein Anlaß, durch einen Beginn der Verjährung Verfolgungsverzicht in Aussicht zu stellen (Jähnke in LK 11. Aufl. § 78 a Rdn. 3).

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Umstand, daß im Zusammenhang mit den täternachteiligen Folgen der früheren Rechtsfigur der fortgesetzten Handlung aus rechtsstaatlichen Gründen auch erwogen worden ist, die rechtliche Möglichkeit zur Aburteilung einer Mehrzahl von Einzelfällen als fortgesetzte Tat dadurch zu begrenzen, daß die Einbeziehung eines Einzelaktes in die fortgesetzte Handlung jedenfalls dann unstatthaft sein könnte, wenn für diesen Einzelakt das Doppelte der gesetzlichen Verjährungsfrist im Sinne des § 78 c Abs. 3 Satz 2 StGB verstrichen ist (vgl. BGHR StGB vor § 1/fH/Gesamtvorsatz 10). Denn anders als bei einer tatbestandlichen Handlungseinheit war für eine fortgesetzte Handlung gerade nicht die durch den gesetzlichen Tatbestand vorgegebene Einheitlichkeit der Tat kennzeichnend (vgl. BGHSt 40, 138, 163 ff.), sondern maßgeblich war der Umstand, daß objektiv mehr oder weniger lose zusammenhängende, im übrigen den objektiven und subjektiven Tatbestand voll erfüllende Einzelakte nur durch einen, wie auch immer gearteten Gesamtvorsatz zu einer Tat im Rechtssinne verbunden wurden (vgl. BGHSt 17, 157, 158; 35, 318, 324; vgl. auch Jähnke LK in 11. Aufl. § 78 a Rdn. 10).

III.

Die Verfahrensrügen, mit denen der Angeklagte die rechtliche Behandlung eines Beweisantrags sowie von acht der insgesamt 84 gestellten Hilfsbeweisanträge durch das Oberlandesgericht beanstandet, sind unbegründet.

1. Zu Unrecht macht die Revision geltend, das Oberlandesgericht habe den Hilfsbeweisantrag der Verteidigung auf Einvernahme des Zeugen Wo. , des Leiters der HVA, im Hinblick auf ein umfassendes Auskunftsverweigerungsrecht nach § 55 StPO wegen Ungeeignetheit des Beweismittels (§ 244 Abs. 3 Satz 2 StPO) rechtsfehlerhaft abgelehnt.

Die Verteidigung hatte für den Fall, daß der Angeklagte nicht freigesprochen werde, im Schlußvortrag beantragt, den Zeugen Wo. u.a. dazu zu vernehmen, daß der Beschwerdeführer niemals irgendwelche Geldzahlungen seitens des MfS, überbracht durch den Mitangeklagten V. , erhalten habe. Der Zeuge vermöge dies zu sagen, weil er über die Zeit des aktiven Dienstes hinaus immer wieder über Vorgänge, darunter auch den Vorgang des Beschwerdeführers, informiert und bei diesen Informationen kein Wort darüber berichtet worden sei, daß der Beschwerdeführer Geld seitens des MfS erhalten habe. Das Oberlandesgericht hat die Beweiserhebung in den Urteilsgründen wegen Ungeeignetheit des Beweismittels abgelehnt, nachdem der Rechtsbeistand des Zeugen schon zuvor erklärt hatte, daß der Zeuge in vollem Umfang von seinem Auskunftsverweigerungsrecht Gebrauch machen werde, und zwar mit Rücksicht darauf, daß der erkennende Senat das gegen Wo. früher ergangene erste Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf wegen geheimdienstlicher Agententätigkeit mit den Feststellungen aufgehoben und zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Oberlandesgericht zurückverwiesen hatte (vgl. BGHSt 41, 292, 295 f.).

Die Wertung des Oberlandesgerichts, daß es keine für das vorliegende Verfahren bedeutsame Frage gebe, die der Zeuge, dessen eigenes Strafverfahren erst durch Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 27. Mai 1997 rechtskräftig abgeschlossen worden ist, ohne Gefahr der Selbstbelastung beantworten könne, ist nicht zu beanstanden. Die tatsächliche Beurteilung der Verfolgungsgefahr bindet das Revisionsgericht, das sie nur rechtlich daraufhin nachzuprüfen hat, ob dem Tatgericht Rechtsfehler, etwa dahingehend unterlaufen sind, daß es den Umfang des Auskunftsverweigerungsrechts verkannt haben könnte (vgl. BGHSt 10, 104, 105). Rechtsfehler sind jedoch nicht ersichtlich. Das Wissen, das der Zeuge Wo. nach dem Ende seiner aktiven Dienstzeit im November 1986 über den Vorgang des Beschwerdeführers erlangt hat, steht in untrennbarem Zusammenhang mit dem Wissen, das er während der Zeit seiner Amtsausübung erworben hatte. Eine Offenbarung jenes Wissens würde ohne weiteres Rückschlüsse auf eine Verstrickung des Zeugen in den verfahrensgegenständlichen Vorgang ermöglichen. Entgegen dem Vortrag der Revision wird dies auch durch den Inhalt des Hilfsbeweisantrages deutlich. Er betraf nicht ausschließlich die nach dem Ausscheiden des Zeugen aus dem aktiven Dienst bestehenden Kontakte des Beschwerdeführers zur HVA, sondern allgemein die Frage, ob Geldzahlungen während der langjährigen Verbindung an den Beschwerdeführer erfolgt sind.

2. Soweit die Revision Verstöße gegen das Beweisantragsrecht beanstandet, weil das Oberlandesgericht einen Beweisantrag auf Vernehmung des Zeugen Kr. sowie die Hilfsbeweisanträge auf Vernehmung der Zeugen U. und Professor Dr. Vo. nicht nachgegangen ist, sind diese Rügen schon deshalb unbegründet, weil die Anträge, die lediglich Schlußfolgerungen und keine in das Wissen der Zeugen gestellten konkreten Beweistatsachen zum Gegenstand haben, keine nach § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO zu bescheidende Beweisanträge sind. Das Oberlandesgericht hat eine Beweiserhebung im Ergebnis zu Recht entweder als dem Zeugenbeweis nicht zugängliche Schlußfolgerungen oder als für die Entscheidung aus tatsächlichen Gründen ohne Bedeutung abgelehnt.

Auch der Antrag, den Vorsitzenden der Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages E. als Sachverständigen zu vernehmen, hat das Oberlandesgericht zu Recht zurückgewiesen, weil der Sachverständige lediglich zum Nachweis dafür benannt worden war, daß die Anklage hinsichtlich des tatsächlichen Verhältnisses der HVA zur Führung der SED einem Fehlschluß erlegen sei (vgl. S. 148 f. der Revisionsbegründung vom 9. Dezember 1996). Im übrigen hätte das Oberlandesgericht, wie bereits der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift zutreffend dargelegt hat, das Beweismittel nicht nur als völlig ungeeignet, sondern die Beweiserhebung über die in das Wissen des Sachverständigen gestellten Umstände als für die Entscheidung aus tatsächlichen Gründen ohne Bedeutung ablehnen können.

3. Auch die Rügen, mit denen die Revision bemängelt, das Oberlandesgericht habe die für den Fall der Verurteilung des Angeklagten W. beantragte Vernehmung der Zeugen So. , Stu. und G. (Hilfsbeweisanträge 13, 16 und 55) durch formelhaft-schematische Anwendung des sogenannten Konnexitätserfordernisses zwischen Beweisthema und benanntem Beweismittel zu Unrecht abgelehnt und dadurch gegen § 244 Abs. 3 Satz 2. StPO verstoßen, sind nicht begründet.

a) Soweit in das Wissen der Zeugin So. gestellt worden ist, daß neben Wi. nur Fi. genaue Kenntnis vom Vorgang "K. /S. " hatte, hat das Oberlandesgericht das als bereits erwiesene Tatsache behandelt, über die kein weiterer Beweis durch Vernehmung der Zeugin erhoben werden müßte. Dies beanstandet auch die Revision nicht.

Im übrigen hat das Oberlandesgericht dem Antrag auf Vernehmung der Zeugin So. zu Recht die Eignung als Beweisantrag abgesprochen, soweit in das Wissen der Zeugin gestellt worden war, daß dem Angeklagten W. von V. auch im Zeitraum 1975 bis 1989 keine monatlichen Zahlungen in Höhe von 10.000 DM übgeben worden sind. Das Oberlandesgericht hat zutreffend darauf abgestellt, daß insoweit keine Tatsache behauptet wird, die unmittelbar Gegenstand der Wahrnehmung der Zeugin gewesen sein soll, sondern lediglich das Beweisziel des Antragstellers konkretisiert wird. Denn die in das Wissen der Zeugin gestellte Negativtatsache, daß keine monatlichen Geldübergaben in Höhe von 10.000 DM durch V. an W. stattgefunden haben, kann die Zeugin auch nach dem Gesamtzusammenhang der Antragsbegründung nicht aus eigener Wahrnehmung bekunden. Bestimmte Ereignisse oder Geschehen, die die Zeugin wahrgenommen oder nicht wahrgenommen hat, aus denen das Gericht dann möglicherweise den Schluß auf nicht erfolgte monatliche Zahlungen in der genannten Höhe ziehen könnte, werden dagegen nicht dargelegt. Ein derartiger Antrag ist, wie nachstehend unter b) bb näher ausgeführt, kein Beweisantrag, sondern nach § 244 Abs. 2 StPO zu behandeln (vgl. BGHSt 39, 251, 254 f.; 40, 3, 6), eine Verletzung der Aufklärungspflicht ist jedoch nicht dargetan.

Dahinstehen kann deshalb, ob auch die Hilfserwägung des Oberlandesgerichts die Ablehnung der Beweiserhebung rechtfertigen könnte. Das Oberlandesgericht meint, dem Antrag sei insoweit auch deshalb nicht nachzugehen, weil es an der erforderlichen Konnexität zwischen dem dargelegten (Negativ)Beweisziel und dem benannten Beweismittel fehle, denn allein der Umstand, daß die Zeugin in der HVA I gearbeitet und ab Mitte der achtziger Jahre die Sekretärin des für den Vorgang "K. /S. " zuständigen stellvertretenden Abteilungsleiters Fl. gewesen sei, belege angesichts der besonderen Abschottung des Vorgangs "K. /S. " die Konnexität nicht. Auf die (spekulativen) Erwägungen der Revision dazu, was eine langjährige, fachlich und menschlich qualifizierte Sekretärin alles weiß und ohne Wissen ihres Vorgesetzten erfährt, um damit die nach Ansicht der Revision vorhandene Konnexität zu belegen, kommt es ebenfalls nicht an, weil die Hauptbegründung des Oberlandesgerichts die Ablehnung der Beweiserhebung trägt.

Soweit der Antragsteller im Rahmen einer Gegenerklärung in Bezug auf die Zeugin So. ergänzend darauf hingewiesen hat, die Zeugin werde in der Hauptverhandlung bekunden, daß die Zeugen St. und Dr. F. mit dem Vorgang kaum befaßt waren, sondern lediglich nach Maßgabe der Aussage des Zeugen Fi. , dessen Bekundungen die Zeugin insoweit bestätigen werde, fehlt es bereits an einer konkreten Bezeichnung der Aussageinhalte, die durch die Zeugin bestätigt werden sollten, und damit an einer hinreichend bestimmten Beweistatsache. Das Oberlandesgericht ist in seiner Begründung zur Ablehnung der Beweiserhebung durch Vernehmung der Zeugin So. hierauf auch nicht mehr eingegangen. Die Revision rügt dies nicht; auch eine Aufklärungsrüge ist nicht erhoben.

b) Die Rüge der Ablehnung des Hilfsbeweisantrages auf Vernehmung des Zeugen Stu. ist gleichfalls unbegründet. Die Verteidigung hatte den Zeugen Stu. dafür benannt, er werde bekunden, (1) daß W. weder von V. noch von einer anderen Person, die mit dem MfS der ehemaligen DDR in Verbindung zu bringen sei, unmittelbar oder mittelbar irgendwelche finanziellen Zuwendungen erhalten habe, (2) daß er - der Zeuge - seit 1959 Mitarbeiter der HVA gewesen sei und bis 1984 als operativer Mitarbeiter der Abteilung I Referat 6 gearbeitet habe, (3) daß die Legende V. 's sich als sehr stabil erwiesen habe und daß eine nachrichtendienstliche Werbung W. 's nicht geplant gewesen sei, da dies den Gesprächskontakt beendet hätte.

Das Oberlandesgericht hat die Ablehnung der Vernehmung des Zeugen Stu. zu den Beweisthemen (1) und (3) vornehmlich darauf gestützt, daß keine konkreten Tatsachen genannt, sondern lediglich die Beweisziele der Antragsteller konkretisiert würden, jedoch Tatsachen, die unmittelbar Gegenstand der Wahrnehmung des Zeugen Stu. gewesen seien und die von den Antragstellern erwarteten Schlußfolgerungen rechtfertigen könnten, nicht behauptet würden. Die Wertung des Oberlandesgerichts, insoweit handele es sich nicht um einen ordnungsgemäßen Beweisantrag, da keine dem Beweis durch Vernehmung des Zeugen zugängliche, hinreichend konkrete Tatsachen unter Beweis gestellt werden (vgl. BGHSt 37, 162, 163 f.; 39, 251, 253), ist nicht zu beanstanden.

aa) Das gilt zunächst für die unter (3) angeführten Umstände schon deshalb, weil die Behauptung, die Legende V. 's habe sich als sehr stabil erwiesen, schon nicht mitteilt, für welchen Zeitraum der Zeuge die Stabilität der Legende bekunden soll und was mit dem Werturteil "stabil" konkret gemeint ist; dies kann zum einen bedeuten, daß die Legende von außenstehenden Dritten nicht als solche erkannt wurde - davon geht auch das angefochtene Urteil für den Zeitraum von 1970 bis 1974 aus -, zum anderen kann es bedeuten, daß die Legende lange aufrechterhalten wurde. Auch von diesem Umstand geht das Urteil aus, da es ausdrücklich feststellt, daß die Legende V. 's bis zum Schluß nicht verändert wurde (UA S. 84, 123, 145). Daß der Angeklagte W. die Legende nicht durchschaut und den nachrichtendienstlichen Charakter der Verbindung zu dem Mitangeklagten V. auch ab Ende 1976 nicht erkannt hat, wird in dem Antrag gerade nicht behauptet.

Ähnliche Erwägungen gelten hinsichtlich des zweiten Teils dieses Beweisthemas. Es wird nicht mitgeteilt, für welchen Zeitraum oder welchen der beiden in Betracht kommenden Zeiträume eine nachrichtendienstliche Werbung W. 's nicht geplant gewesen sein soll, weil eine solche Werbung den Gesprächskontakt beendet hätte. Der näheren Darlegung hätte es schon deshalb bedurft, weil nach den Urteilsfeststellungen zwar Anfang der siebziger Jahre im MfS daran gedacht worden war, den Angeklagten W. anzuwerben (vgl. UA S. 11 f.). Eine solche Anwerbung hat jedoch ausweislich der Urteilsgründe nicht stattgefunden. Das Oberlandesgericht stellt zudem ausdrücklich fest, daß es zu der ursprünglich von der HVA vorgesehenen Verpflichtung des Angeklagten W. als IM nicht gekommen ist, weil und dessen Führungsstelle es nicht für zweckmäßig hielten, da man in einem solchen Fall mit dem Abbruch des Kontaktes durch W. rechnen mußte (vgl. UA S. 75, 145).

bb) Auch zu dem Beweisthema (1) werden im Antrag lediglich Negativtatsachen benannt, die zudem sowohl hinsichtlich des in Betracht kommenden Personenkreises als auch der von dem Zeugen als nicht geschehen auszuschließenden Formen möglicher finanzieller Entlohnung so allgemein gehalten sind, daß sie den Anforderungen an eine bestimmte Behauptung nicht genügen.

Ein Beweisantrag i.S.d. § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO setzt als erstes Erfordernis eine konkrete und bestimmte Behauptung einer Tatsache voraus (vgl. BGHSt 37, 162, 164 f.). Als weitere Anforderung an einen auf eine Zeugenvernehmung zielenden Beweisantrag kommt hinzu, daß der Zeuge die behauptete Tatsache aufgrund eigener Wahrnehmung bekunden kann. Dies muß ebenfalls - wenn auch nur im Wege der Auslegung - aus dem Antrag hervorgehen. Denn ein Zeuge kann grundsätzlich nur über seine eigenen Wahrnehmungen vernommen werden, sei es, daß er die von ihm zu bekundenden Tatsachen gesehen, gehört, gelesen, gefühlt oder mit seinem Geschmackssinn wahrgenommen hat. Gegenstand des Zeugenbeweises können deshalb nur solche Umstände und Geschehnisse sein, die mit dem Beweismittel unmittelbar bewiesen werden sollen. Soll aus den Wahrnehmungen des Zeugen auf ein bestimmtes weiteres Geschehen geschlossen werden, ist nicht dieses weitere Geschehen, sondern nur die Wahrnehmung des Zeugen tauglicher Gegenstand des Zeugenbeweises (BGHSt 39, 251, 253). Sind diese beiden Voraussetzungen gegeben, kann u.U. eine dritte hinzutreten, die sogenannte Konnexität zwischen Beweismittel und Beweisbehauptung, die im Falle des Zeugenbeweises nur bedeutet, daß der Antrag erkennen lassen muß, weshalb der Zeuge überhaupt etwas zu dem Beweisthema bekunden können soll (BGH, Urteil vom 23. Oktober 1997 - 5 StR 317/97; vgl. auch BGHSt 40, 3, 6; Widmaier NStZ 1993, 602 f. Anmerkung zu BGHSt 39, 251), etwa weil er am Tatort war, in der Nachbarschaft wohnt, eine Akte gelesen hat usw.. Dieser Zusammenhang zwischen Beweistatsache und Beweismittel wird sich in vielen Fällen von selbst verstehen; jedoch sind auch Fälle denkbar, in denen, vergleichbar den früher in der Rechtsprechung unter den Begriffen der aufs Geratewohl aufgestellten, aus der Luft gegriffenen Behauptung abgehandelten Fällen (vgl. hierzu Herdegen in KK 3. Aufl. § 244 Rdn. 44), zwar konkrete und bestimmte Behauptungen aufgestellt werden, denen eigene Wahrnehmungen eines Zeugen zugrundeliegen sollen, der Antrag jedoch nicht erkennen läßt, weshalb der Zeuge seine Wahrnehmung machen konnte. In diesen Fällen bedarf es der näheren Darlegung des erforderlichen Zusammenhangs, der Konnexität zwischen Beweistatsache und Beweismittel. Allerdings macht eine vorhandene Konnexität, wovon die Revision jedoch auszugehen scheint, die beiden ersten Voraussetzungen eines förmlichen Beweisantrages i.S.d. § 244 Abs. 3 StPO nicht entbehrlich, nämlich die Behauptung einer bestimmten Tatsache, über die der Zeuge Auskunft geben kann, weil er sie selbst wahrgenommen hat. Eine Konnexität in dem Sinne, daß ein Zeuge zum Beispiel zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort war und deshalb zu einer beweiserheblichen Tatsache möglicherweise etwas bekunden kann, ersetzt nicht die Mitteilung dessen, was an dem Ort geschehen sein und was der Zeuge aufgrund eigener Wahrnehmung dazu bekunden soll.

Das Oberlandesgericht hat dem Antrag auf Vernehmung des Zeugen Stu. deshalb auch insoweit zu Recht die Eignung als Beweisantrag im Sinne des § 244 Abs. 3 StPO abgesprochen, da es schon an der erforderlichen bestimmten und konkreten Behauptung einer Tatsache fehlt. Denn selbst die dem Beweisthema zu (1) allenfalls zu entnehmende Mindestbehauptung, der Angeklagte habe von V. keine Geldzuwendung erhalten, der Angeklagte sei kein bezahlter Agent gewesen, beinhaltet nur Negativtatsachen, beschreibt nur das Beweisziel, nämlich das Ergebnis einer Bewertung von Tatsachen, die möglicherweise den Schluß zulassen, daß ein bestimmtes Ereignis nicht stattgefunden hat, daß dem Angeklagten eine bestimmte Eigenschaft nicht zukommt. Welche Tatsachen dies sind, und daß der Zeuge Stu. sie aufgrund eigener Wahrnehmung bekunden kann, etwa weil V. ihm dies erzählt hat oder weil er bestimmte Akten gelesen hat, aus denen sich konkrete Anhaltspunkte für eine solche Schlußfolgerung ergeben haben, teilt der Antrag hingegen nicht mit.

cc) Diese strengen Anforderungen an die Voraussetzungen eines förmlichen Beweisantrags beeinträchtigen das berechtigte Verteidigungsinteresse des Angeklagten nicht. Denn der Antragsteller kann einen Beweisantrag, der die dargelegten inhaltlichen Voraussetzungen nicht erfüllt und deshalb zurückgewiesen wird, in einer den Anforderungen des Gesetzes entsprechenden modifizierten Weise wiederholen, um die Bescheidungspflicht nach § 244 Abs. 3 - 5 StPO auszulösen; Voraussetzung ist allerdings, daß er zu einer solchen Substantiierung in der Lage ist, ohne Behauptungen aufs Geratewohl oder ins Blaue hinein aufzustellen. Dieser Möglichkeit, seinen Antrag "nachzubessern", begibt sich ein Antragsteller, der - wie der Angeklagte - nur die Form des Hilfsbeweisantrags wählt und damit auf dessen Bescheidung vor der Urteilsverkündung verzichtet.

Aber auch wenn der Antragsteller zu einer Konkretisierung, die das Beweisbegehren zu einem förmlichen Beweisantrag qualifiziert, mangels näherer Kenntnisse des aufzuklärenden Geschehens nicht in der Lage ist, darf der Antrag nicht ausschließlich deshalb zurückgewiesen werden. Das Gericht ist vielmehr nach Maßgabe des § 244 Abs. 2 StPO verpflichtet, dem Antrag dennoch nachzugehen, wenn er Tatsachen oder Beweismittel betrifft, die für die Entscheidung von Bedeutung sind. Eine solche Verpflichtung hat das Oberlandesgericht rechtsfehlerfrei im Hinblick auf die "Abschottung des Vorgangs K. /S. " und deswegen verneint, weil der Zeuge nach seinen Bekundungen im Ermittlungsverfahren keine Kenntnis von dem Vorgang hatte. Auch die Verteidigung hat während der einjährigen Hauptverhandlung bis zum Schluß der Beweisaufnahme keinen Anlaß gesehen, die Vernehmung des Zeugen Stu. förmlich zu beantragen.

Im übrigen stehen die Ausführungen des Oberlandesgerichts zur Abschottung des Vorgangs "K. /S. " in Übereinstimmung mit dem im Hilfsbeweisantrag Nr. 13 in das Wissen der Zeugin So. gestellten und vom Oberlandesgericht als erwiesen erachteten Umstand, daß neben Wi. nur Fi. genaue Kenntnis vom Vorgang "K. /S. " gehabt habe. Zudem beruft sich die Revision selbst im Rahmen der Sachrüge auf die strikte Abschottung des Vorgangs zum Beleg ihrer These von einer "Innenkonspiration" zwischen V. , Wi. und Fl. zum Zwecke der "Fremdverwendung" der für den Vorgang "K. /S. " bestimmten HVA-Gelder (vgl. S. 31 ff.; insbesondere S. 36 f. und S. 51 f. der Revisionsbegründung vom 2. Juni 1997).

Die Erwägungen des Oberlandesgerichts, mit denen die mangelnde Konnexität zwischen dem Zeugen Stu. und den Beweisthemen begründet wird, sind demgegenüber nur ergänzender Natur und insoweit lediglich hilfsweise angestellt. Sie stehen außerdem vornehmlich mit den in dem Beweisthema (2) des Antrages aufgestellten Behauptungen zur Funktion und Tätigkeitszeiten des Zeugen Stu. in der HVA, namentlich im Referat 6 der Abteilung I in Verbindung, auf die das Oberlandesgericht in seiner die Beweiserhebung ablehnenden Begründung zwar nicht näher eingeht, die es aber ersichtlich als zutreffend ansieht und deshalb als wahr behandelt.

c) Auch der Hilfsbeweisantrag Nr. 55 auf Vernehmung des früheren HVA-Mitarbeiters G. als Zeugen ist insgesamt ein Beweisermittlungsantrag, der nicht nach § 244 Abs. 3 StPO, sondern nach § 244 Abs. 2 StPO zu behandeln wäre. Eine zulässige Aufklärungsrüge ist nicht erhoben.

aa) Es liegt auf der Hand, daß es sich insoweit nicht um einen Beweisantrag handelt, wie der Zeuge bekunden soll, die Aussagen mehrerer namentlich benannter und vom Oberlandesgericht in der Hauptverhandlung schon vernommener Zeugen seien hinsichtlich bestimmter Inhalte glaubhaft, während die Vertreter der Bundesanwaltschaft die Aussagen dieser Zeugen in ihrem Schlußvortrag falsch bzw. unvollständig wiedergegeben hätten. Denn in dem Antrag fehlt jeder Hinweis auf eine Wahrnehmungsgrundlage des Zeugen für dieses Werturteil (vgl. BGHSt 37, 162, 164). Ebenso hat das Oberlandesgericht zutreffend die von dem Zeugen erwartete Bekundung, er halte es für völlig ausgeschlossen, daß es in einer fast zwei Jahrzehnte dauernden IM-Verbindung nicht ein einziges Mal zu einem Führungstreffen gekommen sei, nicht als Tatsache, sondern als bloße Schlußfolgerung angesehen, die dem Zeugenbeweis nicht zugänglich ist.

bb) Aber auch soweit der Zeuge G. nach den Behauptungen des Antrags bekunden sollte, W. sei eine unwissentlich abgeschöpfte Kontaktperson des Mfs gewesen und bis zuletzt davon ausgegangen, daß V. Mitarbeiter des Ministerrats der ehemaligen DDR war, handelt es sich nicht um eine dem Zeugenbeweis zugängliche Tatsachenbehauptung; das Oberlandesgericht hat den Antrag auch insoweit im Ergebnis zu Recht nicht als einen Beweisantrag behandelt, weil der Antragsteller lediglich das von ihm erstrebte Beweisziel angegeben habe.

Bei der Behauptung, der Beschwerdeführer sei eine "unwissentlich abgeschöpfte Kontaktperson" gewesen, handelt es sich nicht um die Behauptung bestimmter Tatsachen, sondern lediglich um die Angabe des Ergebnisses einer Bewertung durch den Zeugen. Denn die Behauptung, der Angeklagte W. sei unwissentlich abgeschöpft worden, d.h. er habe die wahren Hintergründe der Kontakte mit V. nicht erkannt und auch nicht aus den indiziellen objektiven Umständen erschlossen, knüpft notwendig an äußere Tatsachen an, aus denen sich die Schlußfolgerung auf eine Gutgläubigkeit der abgeschöpften Person rechtfertigen könnte. Der Behauptung dieser Umstände hätte es bedurft. Die bloße Wiedergabe der von einem Zeugen erwarteten Wertungen oder Schlußfolgerungen kann die Behauptung der Tatsachen, an die sich die Bewertung möglicherweise knüpfen läßt, nicht ersetzen (vgl. BGHSt 37, 162, 164; 39, 251, 254; BGHR StPO § 244 VI Beweisantrag 4, 13, 31). Dies gilt im gleichen Maße für die sinngemäße Behauptung, der Beschwerdeführer habe bis zum Ende der Verbindung an die Legende des Mitangeklagten V. geglaubt. Es handelt sich insoweit, wie im übrigen auch bei der Frage der Wissentlichkeit bzw. Unwissentlichkeit, um eine fremdpsychische, innere Tatsache eines anderen Menschen, die sich für den Zeugen in der Regel nur aus indiziellen äußeren Tatsachen erschließt (vgl. BGHSt 12, 287, 290; BGH bei Pfeiffer/Miebach NStZ 1984, 210 (Nr. 9); Herdegen in KK 3. Aufl. StPO § 244 Rdn. 3 m.w.N.), die deshalb konkret zu bezeichnen sind, um einem Antrag die Eigenschaft eines formgerechten Beweisantrags zu geben. Hieran fehlt es in dem Hilfsbeweisantrag auf Vernehmung des Zeugen G. .

4. Schließlich greift die Rüge, das Oberlandesgericht habe neun Zeugen, die in der HVA des MfS als Mitarbeiter tätig gewesen sind, wegen des Verdachts der Beteiligung an einer nach § 99 Abs. 1 StGB strafbaren Tat gemäß § 60 Nr. 2 StPO rechtsfehlerhaft unvereidigt gelassen, nicht durch.

Die Revision meint, das vom Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluß vom 15. Mai 1995 (BVerfGE 92, 277) bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen entwickelte "Verfolgungshindernis" für hauptamtliche Mitarbeiter des DDR-Geheimdienstes und für die von diesen Personen gegen die Bundesrepublik Deutschland begangenen Straftaten nach §§ 94, 99 StGB entspreche einer teilweisen Außerkraftsetzung des § 99 StGB für einen bestimmten Personenkreis und führe deshalb zum Entfallen eines Beteiligungsverdachts im Sinne des § 60 Nr. 2 StPO. Diese Ansicht trifft nicht zu.

a) Für die Frage, ob ein Beteiligungsverdacht im Sinne des § 60 Nr. 2 StPO besteht, ist entscheidend, daß das Verhalten des Zeugen ein tatbestandsmäßiges, rechtswidriges und schuldhaftes und deswegen an sich strafbares Tun darstellt (RGSt 22, 99, 100; 28, 111, 112; 55, 233; 57, 417; BGHSt 4, 130, 131; 9, 71, 73; BGHR StPO § 60 Nr. 2 Tatbeteiligung 3). Darauf, daß eine Bestrafung des Täters im Einzelfall erfolgen kann, kommt es hingegen nicht an. Demzufolge entfällt ein Beteiligungsverdacht im Sinne dieser Vorschrift nicht, wenn der Zeuge lediglich wegen eines Verfahrenshindernisses strafrechtlich nicht verfolgt werden kann (BGHSt 4, 130: Straffreiheitsgesetz; RGSt 55, 233: Militäramnestieverordnung; BGH NJW 1952, 1146: Verfolgungsverjährung), oder wenn ein persönlicher Strafaufhebungs- oder Strafausschließungsgrund eingreift, der aber die Rechtswidrigkeit und Schuld grundsätzlich unberührt läßt, wie etwa die Selbstbegünstigung (BGHSt 9, 71, 73), der Rücktritt vom Versuch nach § 24 StGB bzw. § 31 StGB (BGH GA 1962, 370; BGH bei Dallinger MDR 1973, 191; BGH NStZ 1982, 78; BGHR StPO § 60 Nr. 2 Tatbeteiligung 3) oder die Möglichkeit, nach § 31 BtMG von der Bestrafung abzusehen (BGH NStZ 1983, 516; vgl. zum Ganzen auch Dahs in Löwe/Rosenberg StPO 24. Aufl. § 60 Rdn. 18 ff.; Pikart in KK 3. Aufl. § 60 Rdn. 19 f.; Kleinknecht/Meyer-Goßner StPO 60 Rdn. 14).

b) Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung vom 15. Mai 1995 ausdrücklich festgestellt, daß die von DDR-Bürgern, auch soweit sie vom Boden der DDR ausgehandelt haben, gegen die Bundesrepublik Deutschland begangenen Spionagestraftaten nach den im Einklang mit dem Grundgesetz stehenden §§ 94, 99 StGB i.V.m. §§ 9, 5 Nr. 4 StGB von Anfang an strafbares Unrecht waren; dabei ist es auch geblieben (BVerfGE 92, 277, 330). Daran vermag nichts zu ändern, daß das vom Bundesverfassungsgericht begründete Verfolgungshindernis nicht nur dem Verfahrensrecht zuzuordnen ist, sondern der Sache nach auch das materiellrechtliche Ziel der Straflosigkeit bestimmter Gruppen von DDR-Spionen bezweckt (BGH NJW 1997, 670, 672 m.w.N.) Wie der Senat bereits in seinen Beschlüssen vom 28. November 1996 zur Zulässigkeit eines auf § 79 Abs. 1 BVerfGG gestützten Wiederaufnahmeantrages ehemaliger DDR-Spione ausgeführt hat (vgl. BGH NJW 1997, 668 ff. und 670 ff.), unterscheidet sich das vom Bundesverfassungsgericht aus der Verfassung abgeleitete Verfolgungshindernis von den strafprozessualen Verfahrenshindernissen im herkömmlichen Sinne gerade dadurch, daß ihm eine - zusätzliche - materiellrechtliche Wirkung ähnlich einem sachlich-rechtlichen Strafausschließungsgrund zukommt (vgl. BGH NJW 1997, 670, 672). Damit ist der Senat aber, ebenso wie das Bundesverfassungsgericht, von der fortbestehenden grundsätzlichen materiell-rechtlichen Strafbarkeit nach § 99 StGB auch derjenigen DDR-Agenten ausgegangen, die ausschließlich vom Boden der DDR oder im für sie sicheren Ausland tätig geworden sind; das für sie postulierte Verfolgungshindernis, gleich ob es rein prozessualen Charakter hat oder auch materiellrechtlicher Art ist, beseitigt deshalb einen Beteiligungsverdacht i.S.d. § 60 Nr. 2 StPO nicht. Dieses Ergebnis entspricht den der Vorschrift des § 60 Nr. 2 StPO zugrundeliegenden Erwägungen, daß ein an der Straftat beteiligter Zeuge bei seiner Aussage nicht diejenige Unbefangenheit gegenüber dem Angeklagten besitzt, wie sie Voraussetzung eines einwandfreien Zeugnisses ist. Das Oberlandesgericht hat daher zu Recht von einer Vereidigung der Zeugen abgesehen.

IV.

Auch die Überprüfung der Urteilsgründe aufgrund der Sachrüge hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten aufgezeigt.

1. Insbesondere hat das Oberlandesgericht das für die Zeit von Ende 1976 bis Ende Oktober 1989 rechtsfehlerfrei festgestellte Verhalten des Angeklagten W. zu Recht als nach § 99 Abs. 1 Nr. 1 StGB strafbare geheimdienstliche Agententätigkeit gewertet. Denn der Angeklagte hat sich aktiv in den Dienst des MfS der ehemaligen DDR gestellt, indem er sich ca. 90mal mit dem Mitangeklagten V. im Ausland traf. Diese Treffen dienten der Mitteilung von politischen Interna aus der Bundesrepublik, insbesondere aus der SPD, und über das Verhältnis SPD-interner Gruppierungen zueinander, über Schwierigkeiten in der bis 1982 regierenden SPD/FDP-Koalition, über Äußerungen führender SPD-Politiker sowie persönliche Einschätzungen der jeweils aktuellen politischen und wirtschaftlichen Situation. Der "zentrale Spionagetatbestand" des § 99 Abs. 1 Nr. 1 StGB (vgl. Tröndle, StGB 48. Aufl. § 99 Rdn. 1) erfaßt sowohl nach dem Wortlaut als auch nach seiner Auslegung und Anwendung in der Rechtsprechung jede Art und in allen Bereichen ausgeübte geheimdienstliche Tätigkeit für den Geheimdienst einer fremden Macht, die auf Mitteilung oder Lieferung von Tatsachen, Gegenständen oder Erkenntnissen gerichtet ist, ohne daß es auf die Qualifizierung der Information oder darauf ankommt, ob der Täter sich i.S.d. § 99 Abs. 1 Nr. 2 StGB vorher bereit erklärt hat, insbesondere sich förmlich verpflichtet hat (vgl. BVerfGE 57, 250, 262.ff.; BGHSt 24, 369; 25, 145; BGH NStZ 1996, 129 f.).

2.Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers hat das Oberlandesgericht den Schuldumfang auch nicht geschätzt, sondern nach Beweisaufnahme konkret festgestellt. Das Oberlandesgericht hat lediglich die Höhe der monatlichen Zuwendungen an den Angeklagten für die ersten Jahre ab Ende 1976 bis Mitte 1985 gemäß § 73 b StGB zur Bestimmung der Höhe des für verfallen zu erklärenden Geldbetrages geschätzt und, ausgehend vom feststehenden Zuwendungsbetrag von 10.000 DM ab Mitte 1985, die Höhe des monatlichen Anfangsbetrages Ende 1976 auf 5.000 DM geschätzt; für die Zeit ab Ende 1976 bis Mitte 1985 hat es außerdem, ausgehend von der Aussage des Zeugen Gr. und unter Zugrundelegung einer linearen Steigerung, eine monatliche Durchschnittszuwendung in Höhe von 7.500 DM angenommen. Das ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Eine Schätzung des Schuldumfangs bedeutet diese Vorgehensweise des Oberlandesgerichts nicht. Der dem Angeklagten zur Last gelegte Schuldumfang wird bestimmt durch die Dauer der geheimdienstlichen Agententätigkeit, die Anzahl der Treffen und den Gegenstand der Mitteilungen, die aufgrund der Aussagen zahlreicher vernommener Zeugen feststehen und die der Überzeugungsbildung des Oberlandesgerichts zugrundegelegt worden sind.

3. Auch die Strafzumessungserwägungen des Oberlandesgerichts begegnen keinen rechtlichen Bedenken.

Das Oberlandesgericht hat es aufgrund der objektiven Umstände der Tat für naheliegend erachtet, daß das finanzielle Interesse des Angeklagten als maßgebliches Motiv in Betracht kommt, es jedoch auch für möglich gehalten, daß der Angeklagte sich aus verletzter Eitelkeit zur Zusammenarbeit mit dem MfS entschlossen hatte, oder auch deshalb, weil er glaubte, sich schon durch sein Verhalten in den Jahren von 1970 bis 1974 sehr tief in eine nachrichtendienstliche Verbindung verstrickt zu haben, als er Ende 1976 in V. einen MfS-Mitarbeiter erkannte. Welches der Motive das bestimmende war, hat das Oberlandesgericht nicht sicher feststellen können. Entgegen der Ansicht der Revision war das Oberlandesgericht nicht verpflichtet, das für den Angeklagten günstigste Motiv als wesentlichen Strafzumessungsgrund ausdrücklich zu erwähnen. Denn der Unrechtsgehalt und das Gewicht der Tat werden weniger durch die Frage, welches der drei möglichen Motive das Maßgebliche war, geprägt, als vielmehr durch die herausgehobene politische Vertrauensstellung des Angeklagten, die lange Tatdauer und die Annahme außergewöhnlich hohen Agentenlohns.

Dem Umstand, daß gegen den Angeklagten der Wertersatzverfall des durch die Tat unrechtmäßig erlangten Vermögenszuwachses angeordnet worden ist, kommt - anders als die Revision meint - auch nach der Einführung des Bruttoprinzips für die § 73 ff. StGB kein strafähnlicher Charakter zu (BGH NStZ 1995, 491 f.).



Ende der Entscheidung

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