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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 28.06.2007
Aktenzeichen: 3 StR 140/07
Rechtsgebiete: StGB


Vorschriften:

StGB § 30 Abs. 2
StGB § 30 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

3 StR 140/07

vom 28. Juni 2007

in der Strafsache

gegen

1.

2.

wegen Verabredung zu einem Verbrechen

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 28. Juni 2007, an der teilgenommen haben:

Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Tolksdorf,

die Richter am Bundesgerichtshof Dr. Miebach, Winkler, von Lienen, Becker als beisitzende Richter,

Staatsanwältin als Vertreterin der Bundesanwaltschaft,

Rechtsanwalt als Verteidiger des Angeklagten H. ,

Rechtsanwalt als Verteidiger der Angeklagten K. ,

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Stade vom 3. November 2006 mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe:

1. Das Landgericht hat die Angeklagten von dem Vorwurf freigesprochen, die Tötung der Ehefrau des Angeklagten H. verabredet zu haben.

Nach dem festgestellten Sachverhalt entwickelte sich zwischen den bereits anderweitig verheirateten Angeklagten ein Liebesverhältnis. Nachdem der Angeklagte H. geäußert hatte, dass eine Scheidung "mit dem Haus und den vier Kindern" sein finanzieller Ruin sei und es eine gemeinsame Zukunft nur gebe, wenn seiner Ehefrau etwas zustoße, strebten beide Angeklagte deren Tötung ernsthaft an. Die Angeklagte K. schlug vor, sie besorge Gift, das der Angeklagte H. seiner Ehefrau beibringen solle. Dies lehnte der Angeklagte H. ab, da der Verdacht sogleich auf ihn falle, und machte den Gegenvorschlag, dass er eine Gelegenheit arrangieren könne, bei der die Angeklagte K. Gift in eine Getränkeflasche geben könne. Zwischen beiden Angeklagten war es noch zu keiner Einigung über die Modalitäten der Tatbegehung gekommen, als die Pläne vorzeitig aufgedeckt wurden.

Die Strafkammer hat die Voraussetzungen der Verabredung eines Verbrechens nach § 30 Abs. 2 StGB verneint, weil es für eine hinreichende Konkretisierung der Tat noch weiterer Vereinbarungen über Ort, Zeit und Art der Ausführung bedurft hätte.

2. Die Revision der Staatsanwaltschaft hat mit der Sachrüge Erfolg. Die rechtliche Bewertung des Landgerichts hält einer Nachprüfung nicht stand.

a) Die Strafkammer ist zunächst zutreffend davon ausgegangen, dass eine Verabredung im Sinne des § 30 Abs. 2 StGB - soweit hier von Bedeutung - drei Elemente aufweisen muss:

- den Entschluss von mindestens zwei Personen,

- jeweils als Mittäter

- ein bestimmtes Verbrechen zu begehen.

Mit der Annahme, die letztgenannte Voraussetzung sei nur gegeben, wenn Ort, Zeit und Art der Ausführung verbindlich festgelegt seien, hat sie indes einen zu engen, unzutreffenden Maßstab angelegt.

b) Die Verabredung eines Verbrechens setzt nicht die Festlegung aller Einzelheiten der in Aussicht genommenen Tat, sondern nur voraus, dass diese in ihren wesentlichen Grundzügen konkretisiert ist. Insoweit gilt nichts anderes als für die Absprache eines Tatplans von Mittätern nach § 25 StGB oder die Bestimmtheit der zu begehenden Tat bei der Anstiftung nach § 26 StGB (Roxin in LK 11. Aufl. § 30 Rdn. 66; Hoyer in SK-StGB § 30 Rdn. 54; für den Anstiftervorsatz BGHSt 34, 63, 66; BGH NStZ 1996, 434). Eine strafbare Verabredung wird also nicht dadurch ausgeschlossen, dass Zeit, Ort und Modalitäten der geplanten Ausführung im Einzelnen noch offen bleiben (BGH MDR 1960, 595; RGSt 69, 164).

Auch aus der vom Landgericht zum Beleg für seine engere Auffassung herangezogenen Passage bei Tröndle/Fischer (StGB 54. Aufl. § 30 Rdn. 12), wonach die Verabredung nach Ort, Zeit und Inhalt hinreichend konkretisiert sein müsse, folgt nichts anderes. Denn diese bezieht sich auf die Entscheidung BGHR StGB § 30 Abs. 2 Mindestfeststellung 1 (= StV 1994, 528), bei der die Annahme des Tatgerichts, der Angeklagte habe sich an der geplanten Tötung als Mittäter beteiligen wollen, als unzureichend belegt beanstandet worden ist, weil die Absprache "nach Ort und Zeit, insbesondere aber hinsichtlich ihres Inhalts - jedenfalls was die vorgesehenen Tatbeiträge jedes einzelnen Beteiligten betrifft - so wenig konkretisiert war, dass die Annahme, die Angeklagten hätten als Mittäter (und damit nicht nur als Gehilfen) an der Tat mitwirken wollen, keine ausreichende Grundlage hatte".

c) Hier war die in Aussicht genommene Tat ausreichend konkretisiert. Nach den Feststellungen waren die Angeklagten fest entschlossen, in gemeinschaftlichem Zusammenwirken und im gemeinsamen Interesse (um eine gemeinsame Zukunft zu ermöglichen) also als Mittäter die Tötung der Ehefrau des Angeklagten H. herbeizuführen, wobei beide erwogen hatten, ihr Gift beizubringen. Damit waren Tatbeteiligte, Tatbestand (§ 212 bzw. § 211 StGB), Tatmittel, Tatopfer und Tatmotiv beschrieben. Offen blieb lediglich, bei welcher geeigneten Gelegenheit und in welcher konkreten Arbeitsteilung die Ausführung erfolgen sollte. Dies vermag die Bestimmtheit der verabredeten Tat nicht in Frage zu stellen.

3. Die Sache bedarf daher neuer tatrichterlicher Prüfung und Entscheidung. Dabei weist der Senat auf folgendes hin:

a) Die Frage, ob die Angeklagten bereits einen festen Tatentschluss gefasst hatten, wird näher zu untersuchen sein. Grundsätzlich ist auch bei unsicherer Tatsachengrundlage eine feste Verabredung (Tatbegehung auf welche Weise auch immer) möglich; ob sie im Einzelfall vorliegt, ist Tatfrage (vgl. BGHSt 12, 306, 309; Roxin aaO Rdn. 61). Dabei kommt es entscheidend darauf an, ob das Ob der Tötung bereits fest beschlossen und nur noch das Wie der konkreten Tatausführung offen war, oder ob die Beteiligten nur allgemein tatgeneigt waren, sich aber vorbehalten hatten, erst dann endgültig den Tatentschluss zu fassen, wenn die weiteren Einzelheiten, insbesondere zur Erbringung der jeweiligen Tatbeiträge, feststehen.

b) Sollte der neue Tatrichter danach von einem festen Tatentschluss ausgehen, wird weiter zu prüfen sein, ob sich die Abrede jeweils auf die Erbringung eines mittäterschaftlichen Tatbeitrags richtete. Angesichts der beiderseitigen Tatherrschaft und des hohen gemeinsamen Tatinteresses wird Mittäterschaft aber unabhängig vom Gewicht der jeweiligen Tatbeiträge nahe liegen.

c) Lässt sich keine Verabredung im Sinne des § 30 Abs. 2 StGB feststellen, wird getrennt für beide Angeklagte zu prüfen sein, ob nicht in einzelnen Äußerungen gegenüber dem jeweils anderen eine versuchte Anstiftung nach § 30 Abs. 1 StGB liegt; insbesondere der am 9. November 2005 an das St. Hospital gelangte Brief der Angeklagten K. legt eine solche Untersuchung nahe.



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