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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 20.06.2001
Aktenzeichen: 3 StR 209/01
Rechtsgebiete: StPO, StGB


Vorschriften:

StPO § 349 Abs. 2
StPO § 349 Abs. 4
StPO § 64 Abs. 2
StGB § 64
StGB § 6 Nr. 5
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

3 StR 209/01

vom

20. Juni 2001

in der Strafsache

gegen

wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 20. Juni 2001 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:

Tenor:

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Kleve vom 9. April 2001 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit von der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt abgesehen worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt und Betäubungsmittel eingezogen. Seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt hat es wegen Aussichtslosigkeit einer Entziehungskur abgelehnt. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, die er auf die Verletzung materiellen Rechts stützt.

Die Überprüfung es Urteils hat zum Schuld- und Strafausspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO). Jedoch hat die Revision insoweit Erfolg, als es das Landgericht abgelehnt hat, die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt anzuordnen. Hierzu hat der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom 29. Mai 2001 folgendes ausgeführt:

"Zu Recht weist die Revision darauf hin, dass mangelhafte oder fehlende Sprachkenntnisse des Angeklagten für die Prognoseentscheidung im Rahmen des § 64 Abs. 2 StPO außer Betracht zu bleiben haben. Zum einen genügen für die Verständigung zwischen Therapeut und Patient regelmäßig sprachliche Grundkenntnisse (BGHSt 36, 199, 203). Über diese verfügt der Angeklagte, der zwar 'schlecht Deutsch spricht', sich aber 'im Alltag verständigen kann' (jeweils UA S. 14). Zum anderen ist es Aufgabe der für den Vollzug der Maßregel zuständigen Vollstreckungs- und Verwaltungsbehörden, hinreichend geeignete Vollstreckungsmöglichkeiten bereit zu stellen (BGHSt aaO S. 201). Soweit der Sachverständige als möglich ansah, dass eine in der Bundesrepublik Deutschland begonnene Therapie wegen sprachlicher Schwierigkeiten später abgebrochen werden müsse (UA S. 14), hat die Kammer außer Acht gelassen, dass die Vollstreckungsbehörde auf einen Vollzug der Maßregel im Heimatland des Angeklagten hinzuwirken vermag, wenn sich die Durchführung einer Entziehungskur in einer bundesdeutschen Therapieeinrichtung aus diesem Grund tatsächlich als zwecklos erweisen sollte (BGHSt aaO S. 203).

Wie die Revision ebenfalls zu Recht vorträgt, darf die Erwägung, auf die die Strafkammer entscheidend abgestellt hat, nämlich 'dass der Angeklagte bei einer Unterbringung in einer Entziehungsanstalt bereits die erste Lockerung zur Rückkehr nach Frankreich nutzen und die Therapie somit nicht ordnungsgemäß und erfolgreich beenden würde' (UA S. 14), keine Rolle spielen. Eine gegebenenfalls erhöhte Fluchtgefahr bei Lockerungen im Maßregelvollzug hat bei der Prognose, ob eine hinreichend konkrete Aussicht auf einen Behandlungserfolg besteht, außer Betracht zu bleiben (vgl. BGH, Beschluss vom 27. Juli 1999 - 4 StR 328/99). Soweit die Strafkammer im Hinblick auf die Einlassung des Angeklagten, 'er wolle lieber in Frankreich eine Therapie machen' (UA S. 13), Zweifel an einem ernsten Therapiewillen des Angeklagten hegt, lässt sie außer Acht, dass der Angeklagte, der seit 1987 Heroin konsumiert, in der Vergangenheit bereits 'mehrfach, auch mittels eines Klinikaufenthaltes, vom Heroin loszukommen versuchte, was zeitweise auch erfolgreich war. Der Angeklagte war daraufhin für einen Zeitraum von zusammen fünf bis sechs Jahren abstinent' (UA S. 3/4). Diesen Umstand hätte die Strafkammer jedoch in ihre Erwägungen einbeziehen müssen, da ein Behandlungserfolg im Sinne des § 64 StGB nicht nur dann zu bejahen ist, wenn der Süchtige (endgültig) geheilt wird, sondern bereits dann, wenn der Süchtige über eine gewisse Zeitspanne vor dem Rückfall in die akute Sucht bewahrt wird (BGH NStZ 1995, 229).

Die Aufhebung der Nichtanordnung der Unterbringung des Angeklagten nach § 64 StGB bedingt nicht die Aufhebung des Strafausspruchs. Angesichts der milden Strafe wird der Senat ausschließen können, dass die Strafkammer bei der Anordnung einer Unterbringung des Angeklagten eine (noch) mildere Strafe verhängt hätte. Dies umso mehr, als die Strafkammer - rechtsfehlerhaft - zu Gunsten des Angeklagten berücksichtigt hat, dass 'die Bundesrepublik bei der Verwirklichung dieses Rauschgiftschmuggels nur Transitland' gewesen sei (UA S. 12). Nach § 6 Nr. 5 StGB gilt das deutsche Strafrecht, soweit es den unbefugten Vertrieb von Betäubungsmitteln anbelangt, auch für die Taten, die im Ausland begangen werden (sogenanntes Weltrechtsprinzip). Demnach soll das inländische Strafrecht insoweit die Sanktionierung übernehmen, unabhängig davon, ob die Taten im In- oder Ausland von In- oder Ausländern gegen in- oder ausländische Interessen begangen werden."

Dem schließt sich der Senat an.

Ende der Entscheidung

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