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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 19.07.2000
Aktenzeichen: 3 StR 259/00
Rechtsgebiete: StGB, MRK


Vorschriften:

StGB § 56 f
StGB § 55
MRK Art. 6 Abs. 1 Satz 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

3 StR 259/00

vom

19. Juli 2000

in der Strafsache

gegen

wegen Betruges u.a.

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 19. Juli 2000 einstimmig beschlossen:

Tenor:

1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Osnabrück vom 24. Februar 2000 wird verworfen.

2. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

Das Landgericht Osnabrück hat den Angeklagten im nunmehr dritten Durchgang wegen Unterschlagung in Tateinheit mit Betrug (Tatzeit Mai 1994) unter Einbeziehung einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten aus dem Urteil des Amtsgerichts Münster vom 22. August 1995 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Das erste - am 9. Juli 1998 ergangene - Urteil wurde vom Senat mit Beschluß vom 13. Januar 1999 im Strafausspruch aufgehoben. Bereits am 18. März 1999 verurteilte das Landgericht Osnabrück den Angeklagten wiederum zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten, wobei es die Einsatzstrafe erneut auf zwei Jahre festsetzte. Da die Kammer keine eigenen Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen des Angeklagten getroffen, sondern insoweit auf die Feststellungen des im Strafausspruch aufgehobenen ersten Urteils verwiesen und diese wörtlich eingerückt hatte, hat der Senat mit Beschluß vom 25. Juni 1999 den Strafausspruch erneut aufgehoben. Die Kammer hat nunmehr eine Einsatzstrafe von zwei Jahren und zwei Monaten für tat- und schuldangemessen erachtet, diese aber im Hinblick auf eine von ihr angenommene, von der Justiz zu verantwortende Verfahrensverzögerung von zwei Jahren um zwei Monate auf zwei Jahre ermäßigt. Die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat keinen Erfolg.

Die Strafzumessung weist keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf. Insbesondere dringt die Rüge, daß der Strafnachlaß von zwei Monaten für die von der Strafkammer angenommene Verletzung des Beschleunigungsgebots nach Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK zu gering ausgefallen sei, bereits deswegen nicht durch, weil die Verfahrensdauer insgesamt nicht unangemessen war und daher eine solche Verletzung tatsächlich nicht vorgelegen hat.

Ein Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK kommt nur bei einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung in Betracht (vgl. BVerfG NJW 1995, 1277; BGHR StGB § 46 Abs. 2 Verfahrensverzögerung 7, 11, 12). Allein die Verfahrensverlängerung, die dadurch entsteht, daß auf Revision des Angeklagten ein Urteil aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen wird, begründet regelmäßig keine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung, auch dann nicht, wenn dies zum zweiten Mal erforderlich ist. Ein derartiger Verfahrensgang ist Ausfluß einer rechtsstaatlichen Ausgestaltung des Rechtsmittelsystems. Sollte den Entscheidungen des 2. Strafsenats vom 13. Januar 1995 - 2 StR 717/94 - und des 5. Strafsenats vom 24. Juli 1991 (BGHR StGB § 46 Abs. 2 Verfahrensverzögerung 5) eine gegenteilige Annahme zugrunde liegen, würde der Senat dieser nicht beitreten können. Auf mögliche Divergenzen kommt es hier jedoch nicht an, weil eine Verletzung des Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK schon deshalb nicht vorliegt, weil die angemessene Verfahrensdauer insgesamt noch nicht überschritten wurde (BGH NStZ 1999, 313). Diese begann im Januar 1997, als der Angeklagte - wie sich dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe entnehmen läßt - von der Beschuldigung in Kenntnis gesetzt wurde, und endet mit dem rechtskräftigen Abschluß des Verfahrens. Auch unter Berücksichtigung des Umstandes, daß der Schuldspruch schon aufgrund des Beschlusses des Senats vom 13. Januar 1999 in Rechtskraft erwachsen ist, hält der Senat eine Verfahrensdauer von drei Jahren und sechs Monaten im Hinblick auf das beträchtliche Gewicht des Tatvorwurfs und den Umstand, daß das Verfahren auch in der Folgezeit zügig weiterbetrieben wurde, für noch angemessen.

Auch der Ausspruch über die Gesamtstrafe hält revisionsgerichtlicher Überprüfung stand. Die Kammer hat bei der Gesamtstrafenbildung erkennbar auch die Härten besonders gewichtet, die sich für den Angeklagten daraus ergeben, daß er nach Ablauf der Bewährungszeit - ohne daß ein Widerrufsgrund gemäß § 56 f StGB gegeben wäre - durch die Einbeziehung in eine nicht mehr aussetzungsfähige Gesamtstrafe so gestellt wird, als ob die Strafaussetzung widerrufen worden wäre (BGHR StGB § 55 I Einbeziehung 2; vgl. auch BVerfG wistra 1990, 262; BGH NStZ 1991, 330). Sie hat bei der Bildung der sehr milden, "im unteren Bereich des Möglichen liegenden" Gesamtfreiheitsstrafe berücksichtigt, daß die Tat, die zu der einzubeziehenden Strafe geführt hat, schon über zehn Jahre zurückliegt und sich - was sich aus der Verweisung auf die zur Bemessung der Einsatzstrafe maßgeblichen Umstände ergibt - der Angeklagte seit sechs Jahren straffrei geführt hat. Es kann offen bleiben, ob die Revision mit der Beanstandung, die Kammer hätte auch ausdrücklich erörtern müssen, daß die Einbeziehung nach Ablauf der Bewährungszeit erfolgte, hier im Rahmen der Sachrüge gehört werden kann oder ob es insoweit hinsichtlich Beginn und Ende der Bewährungszeit einer Verfahrensrüge bedurft hätte. Jedenfalls war eine ausdrückliche Erörterung dieses Umstandes deshalb nicht erforderlich, weil der Angeklagte seit seiner ersten Verurteilung durch das Landgericht Osnabrück vom 9. Juli 1998 mit der der zwingenden Regelung des § 55 StGB entsprechenden Einbeziehung der Freiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten in eine nicht mehr aussetzungsfähige Gesamtfreiheitsstrafe rechnen mußte.

Entgegen der Auffassung der Revision war die Kammer nicht verpflichtet, das durch die Einbeziehung entstandene Übel schon bei der Bemessung der ohnehin milden Einsatzstrafe zu berücksichtigen. Die von der Revision zitierte Entscheidung des Senats (NStZ 2000, 137) betrifft den nicht vergleichbaren Fall eines sich aus der Bildung mehrerer Gesamtfreiheitsstrafen ergebenden zu hohen, nicht mehr schuldangemessenen, Gesamtstrafübels.



Ende der Entscheidung

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