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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 11.08.2004
Aktenzeichen: 3 StR 272/04
Rechtsgebiete: StPO, StGB


Vorschriften:

StPO § 349 Abs. 2
StPO § 349 Abs. 4
StGB § 66 Abs. 1
StGB § 66 Abs. 1 Nr. 1
StGB § 66 Abs. 3 Satz 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

3 StR 272/04

vom 11. August 2004

in der Strafsache

gegen

wegen schweren sexuellen Mißbrauchs von Kindern u. a.

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am 11. August 2004 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:

Tenor:

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Oldenburg vom 18. März 2004 im Maßregelausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

2. Die Urteilsformel wird dahin geändert, daß der "Freispruch im übrigen" entfällt.

Mit dem Wegfall des "Freispruchs im übrigen" entfällt die teilweise Auferlegung der Kosten des Verfahrens und der notwendigen Auslagen des Angeklagten auf die Staatskasse.

3. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren sexuellen Mißbrauchs von Kindern in zwei tateinheitlich zusammentreffenden Fällen und wegen schweren sexuellen Mißbrauchs von Kindern in drei tateinheitlich zusammentreffenden Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Körperverletzung, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Jahren verurteilt und seine Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet. Im übrigen hat es den Angeklagten freigesprochen. Die Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge den aus der Urteilsformel ersichtlichen Erfolg.

Zum Schuldspruch und zum Strafausspruch hat die sachlichrechtliche Überprüfung des Urteils keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO).

Dagegen hält der Maßregelausspruch der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Die getroffenen Feststellungen belegen die formellen Voraussetzungen des § 66 Abs. 1 Nr. 1 StGB nicht. Ihnen läßt sich nicht entnehmen, daß der Angeklagte vor der verfahrensgegenständlichen Tat schon zweimal wegen vorsätzlicher Straftaten jeweils zu einer Einzelfreiheitsstrafe von mindestens einem Jahr - rechtskräftig (vgl. BGHSt 35, 6, 11 f.; 38, 258, 259) verurteilt worden ist. Die Verurteilung durch das Landgericht Oldenburg vom 10. Dezember 2002, die als zweite Verurteilung in Betracht kommt und vom Landgericht zur Begründung der formellen Voraussetzungen herangezogen worden ist, war am Tag der Begehung der hier gegenständlichen Taten, dem 4. Mai 2003, noch nicht rechtskräftig geworden.

Die Maßregel kann auch nicht gestützt auf § 66 Abs. 3 Satz 1 StGB aufrechterhalten werden, weil die Anordnung der Sicherungsverwahrung nach dieser Vorschrift im pflichtgemäßen Ermessen des Tatrichters steht, das Landgericht die Unterbringung des Angeklagten aber auf die zwingende Vorschrift des § 66 Abs. 1 StGB gestützt hat. In diesem Fall kann das Revisionsgericht die fehlende Ermessensentscheidung nicht ersetzen; sie ist dem neuen Tatrichter vorbehalten (vgl. BGH NStZ-RR 2004, 12).

Der Teilfreispruch entfällt. Die Staatsanwaltschaft hatte den Angeklagten ursprünglich wegen sieben selbständiger Straftaten angeklagt, während ihn das Landgericht unter Zugrundelegung natürlicher Handlungseinheiten lediglich wegen zweier Taten - jeweils tateinheitlich zum Nachteil mehrerer Kinder - verurteilt hat. Gleichwohl hat das Landgericht den Verfahrensgegenstand durch die Verurteilung erschöpfend erledigt, weil sich die weggefallenen materiellrechtlich selbständig angeklagten Taten als Bestandteil der Taten erwiesen haben, derentwegen der Angeklagte verurteilt worden ist (vgl. BGHR StPO § 260 Abs. 1 Teilfreispruch 12; BGH bei Becker NStZ-RR 2003, 98 f.).

Das Verbot der "reformatio in peius" (§ 358 Abs. 2 StPO) steht der Änderung des Schuldspruchs und der Kostenentscheidung zu Ungunsten des Angeklagten nicht entgegen (vgl. Meyer-Goßner, StPO 47. Aufl. § 331 Rdn. 6 und 8).

Ende der Entscheidung

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