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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 25.08.1999
Aktenzeichen: 3 StR 290/99
Rechtsgebiete: StPO, StGB


Vorschriften:

StPO § 349 Abs. 4
StPO § 357
StGB § 255
StGB § 180 b Abs. 2 Nr. 2 1. Alternative
StGB § 181 a Abs. 1
StGB § 181 a Abs. 1 Nr. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

3 StR 290/99

vom

25. August 1999

in der Strafsache

gegen

1.

2.

wegen Menschenhandels u.a.

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 25. August 1999 gemäß § 349 Abs. 4 StPO einstimmig beschlossen:

Tenor:

Auf die Revision des Angeklagten C. wird das Urteil des Landgerichts Hannover vom 21. Januar 1999 mit den Feststellungen aufgehoben, auch soweit es die Angeklagte Z. betrifft.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten C. wegen Menschenhandels in Tateinheit mit Zuhälterei in - wie erst aus der Verhängung von zwei Einzelstrafen deutlich wird - zwei Fällen, wegen versuchter räuberischer Erpressung und wegen Ausübung der tatsächlichen Gewalt über eine halbautomatische Selbstladekurzwaffe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt, ihm die Fahrerlaubnis entzogen, den Führerschein eingezogen und eine Sperrfrist von einem Jahr festgesetzt; die Angeklagte Z. hat es wegen Menschenhandels in Tateinheit mit ausbeuterischer Zuhälterei und Beihilfe zur dirigierenden Zuhälterei in - wie ebenfalls erst aus der Strafzumessung erkennbar wird - zwei Fällen und wegen Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt und die Strafvollstreckung zur Bewährung ausgesetzt.

Die auf sachlichrechtliche Beanstandungen gestützte Revision des Angeklagten C. führt zur Aufhebung des Urteils; diese ist auch auf die Angeklagte Z. , die selbst keine Revision eingelegt hat, zu erstrecken (§ 357 StPO).

1. Die Verurteilung des Angeklagten C. wegen versuchter räuberischer Erpressung hält rechtlicher Prüfung nicht stand. Nach den Feststellungen hatten der Angeklagte und die Nichtrevidentin die Prostituierte P. in der gemeinsamen Wohnung aufgenommen. Den von ihr erarbeiteten Dirnenlohn hatten sie bis auf geringe Geldbeträge entgegengenommen und für sich verbraucht. Der Angeklagte verlangte von Frau P. die Zahlung von 20.000 DM mit der nicht zutreffenden Begründung, er habe diese Summe an einen früheren Freund von Frau P. als "Abstand" gezahlt. Es ist durch Feststellungen nicht belegt, daß der Angeklagte zum Zwecke des Erhalts dieses Geldbetrages Frau P. mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben gedroht hat. Hierfür reicht weder aus, daß der Angeklagte eine scharfe Schußwaffe einmal in Anwesenheit der Frau P. ausprobiert hatte, noch daß er ihr durch einen Dritten ausrichten ließ, sie müsse "sich auf einiges gefaßt machen". Die Feststellung, der Angeklagte habe Frau P. auch persönlich bedroht, wird nur insoweit mit Tatsachen belegt als ausgeführt wird, er habe ihr angedroht, sie einem "Junkie" zu überlassen, der sie einmal "richtig durchficken" werde. Auch dies erfüllt nicht ohne weiteres die Voraussetzungen für eine nach § 255 StGB qualifizierte Drohung (vgl. Tröndle/Fischer, StGB 49. Aufl. § 35 Rdn. 4 m.w.Nachw.).

2. An den erforderlichen Feststellungen fehlt es auch, soweit der Angeklagte C. wegen Menschenhandels zum Nachteil der Frau P. und der ebenfalls der Prostitution nachgehenden Frau M. verurteilt worden ist. § 180 b Abs. 2 Nr. 2 1. Alternative StGB setzt voraus, daß der Täter auf die unter 21 Jahre alte Person einwirkt, um sie zur Aufnahme oder Fortsetzung der Prostitution zu bestimmen. Beide Frauen hatten unabhängig von dem Angeklagten die Prostitution aufgenommen. Es ist nicht festgestellt, daß Frau P. in dem Zeitraum, in dem sie beim Angeklagten und der Nichtrevidentin wohnte, die Prostitution beenden wollte oder der Angeklagte davon ausging, daß sie möglicherweise die Prostitution beenden wollte und er deshalb Vorkehrungen traf, die dem entgegenwirken sollten (vgl. BGH, Urt. vom 28. Juli 1999 - 3 StR 206/99 - zur Veröffentlichung in BGHSt bestimmt). Als Frau P. überraschend die Tätigkeit in dem Bordell beendete und nicht mehr in die Wohnung des Angeklagten zurückkehrte, hatte der Angeklagte keine Gelegenheit mehr, auf sie einzuwirken. Seine Suche nach ihr blieb erfolglos. Für einen Menschenhandel zum Nachteil von Frau M. ist zwar festgestellt, daß diese Ende Juni 1998 die Prostitution beenden wollte. Die weitere Feststellung, Frau M. habe "in dieser Situation nicht mehr allein ausgehen" können, "ohne befürchten zu müssen, von dem Angeklagten C. oder ihrem ehemaligen 'Freund' abgefangen und wegen ihres nunmehr fest geplanten Ausstiegs aus der Prostituierten-Szene gemaßregelt zu werden" (UA S. 11), reicht für einen Schuldspruch nicht aus. Dem Urteil ist auch im Gesamtzusammenhang nicht zu entnehmen, daß der Angeklagte auf die bis dahin freiwillig und ohne Widerstände der Prostitution nachgehenden Frau eingewirkt, ihr also z. B. Kontrollen und Maßregeln für den Fall der Beendigung der Prostitution angekündigt hatte.

3. Die von den Feststellungen getragene Verurteilung des Angeklagten C. wegen ausbeuterischer und dirigierender Zuhälterei (§ 181 a Abs. 1 StGB) zum Nachteil der beiden Prostituierten muß wegen der festgestellten Tateinheit zu dem fehlerhaft angenommenen, weil bislang durch Feststellungen nicht belegten Vergehen des Menschenhandels aufgehoben werden. Gleiches gilt für die Verurteilungen wegen des Waffendelikts. Die Auffassung, der Angeklagte habe Frau P. auch mit der Schußwaffe gedroht (UA S. 12), wird zwar durch die bisherigen Feststellungen nicht belegt; es ist aber nicht ausgeschlossen, daß solche Feststellungen getroffen werden, die dann zur Tateinheit zwischen dem Waffendelikt und der Nötigungshandlung führen würden.

4. Auch bei der Nichtrevidentin Z. belegen die Feststellungen den Tatbestand des Menschenhandels nicht. Damit sind auch die Schuldsprüche wegen der tateinheitlich begangenen Zuhälterei aufzuheben. Gleiches gilt für die Verurteilung wegen Körperverletzung zum Nachteil der Frau P. . Die Schläge erfolgten aus Verärgerung darüber, daß sich Frau P. die Fingernägel hatte abschneiden lassen. Es liegt nahe, daß diese Handlung Teil der Bemühungen der Angeklagten war, Frau P. s Verhalten als Prostituierte zu bestimmen. In diesem Fall wäre Tateinheit mit § 181 a Abs. 1 Nr. 2 StGB gegeben.

5. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf folgendes hin:

Sowohl bei der Zuhälterei als auch beim Menschenhandel gegenüber mehreren Geschädigten kann Tateinheit vorliegen, wenn die Ausführungshandlungen teilidentisch sind (vgl. Tröndle/Fischer, StGB 49. Aufl. § 181 a Rdn. 16). Sollte der neue Tatrichter eine Nötigungshandlung des Angeklagten C. zum Nachteil der Frau P. feststellen, so wird im Hinblick auf eine Tateinheit mit den Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung zu prüfen sein, ob damit neben der Zahlung von Geld auch ein bestimmtes Verhalten im Hinblick auf die Prostitutionsausübung als solcher erzwungen werden sollte.

Bei der Angeklagten Z. wird der neue Tatrichter zu bedenken haben, daß Handlungen zum Nachteil einer Prostituierten nur einheitlich als täterschaftlich begangene Zuhälterei oder als Teilnahme an ihr beurteilt werden können.

Ende der Entscheidung

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