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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 01.10.2002
Aktenzeichen: 3 StR 325/02
Rechtsgebiete: StPO, VereinsG


Vorschriften:

StPO § 349 Abs. 4
StPO § 349 Abs. 2
StPO § 53 Abs. 2 Satz 1
VereinsG § 20 Abs. 1 Nr. 4
VereinsG § 20 Abs. 1 Nr. 1
VereinsG § 20 Abs. 1 Nr. 2
VereinsG § 20 Abs. 1 Nr. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS

3 StR 325/02

vom

1. Oktober 2002

in der Strafsache

gegen

wegen versuchter räuberischer Erpressung u.a.

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am 1. Oktober 2002 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:

Tenor:

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Dortmund vom 16. Mai 2002

a) im Schuldspruch dahin geändert, daß der Angeklagte der versuchten räuberischen Erpressung in Tateinheit mit Zuwiderhandeln gegen ein vereinsrechtliches Betätigungsverbot schuldig ist;

b) im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten unter Freisprechung im übrigen wegen Zuwiderhandelns gegen ein vereinsrechtliches Betätigungsverbot in vier Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit versuchter räuberischer Erpressung, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten verurteilt. Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung materiellen Rechts. Das Rechtsmittel führt zu der aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Abänderung des Schuldspruchs und zur Aufhebung des Strafausspruchs. Im übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

Die Verurteilung des Angeklagten wegen vier rechtlich selbständiger Straftaten nach § 20 Abs. 1 Nr. 4 VereinsG kann im Hinblick auf den Zweifelssatz keinen Bestand haben.

Zu Recht ist das Landgericht allerdings davon ausgegangen, daß § 20 Abs. 1 Nr. 4 VereinsG im Gegensatz zu § 20 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 VereinsG kein Organisationsdelikt beinhaltet, so daß sich grundsätzlich jedes Handeln, mit dem der Täter für den mit einem Betätigungsverbot belegten Verein tätig wird oder dessen Belange fördert, als rechtlich selbständige Tat im materiellen Sinn darstellt (BGHSt 46, 6, 9 ff. m. w. N.). Es hat auch nicht verkannt, daß - abgesehen von den Fällen natürlicher Handlungseinheit - eine hiervon abweichende Beurteilung dann Platz greift, wenn der Täter ein auf eine gewisse Dauer angelegtes Amt oder einen Tätigkeitsbereich im Interesse des Vereins mit dem Willen übernimmt, zur Aufrechterhaltung oder zur Unterstützung der verbotenen Tätigkeit des Vereins beizutragen. Hier verbindet das übernommene Amt oder die übernommene Funktion als Grundlage und Gegenstand der einheitlichen strafrechtlichen Bewertung sämtliche in Ausübung des Amtes bzw. der Funktion begangenen Zuwiderhandlungen im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 4 VereinsG zu einer einzigen Tat (Bewertungseinheit; BGHSt 46, 6, 12 ff.).

Nicht gefolgt werden kann jedoch der Auffassung des Landgerichts, die vier festgestellten Verstöße des Angeklagten gegen das vereinsrechtliche Betätigungsverbot seien deswegen nicht zu einer Bewertungseinheit in diesem Sinne zusammenzufassen, weil Einzelheiten zum Umfang der Tätigkeit des Angeklagten für die PKK/ERNK nicht geklärt werden konnten. Voraussetzung für die Annahme einer rechtlichen Bewertungseinheit ist nicht, daß eine fest umrissene Funktion des Angeklagten innerhalb der PKK, etwa als deren Verantwortlicher für den Kreis L. und/oder B. , positiv festgestellt werden oder "hinreichend sicher angenommen werden" kann, daß er auf Ortsebene ein Amt bekleidete, das dem eines Vereinskassiers vergleichbar ist (UA S. 6 und 19). Da ein Schuldspruch wegen vier selbständiger Taten für den Angeklagten nachteiliger ist als ein solcher wegen nur einer rechtlich einheitlichen Tat, muß in Anwendung des Zweifelssatzes vom Vorliegen nur einer Tat vielmehr schon dann ausgegangen werden, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, daß die tatsächlichen Voraussetzungen einer Bewertungseinheit gegeben sind (vgl. BGH NJW 2002, 1810 für Bewertungseinheiten beim Handeltreiben mit Betäubungsmitteln).

Derartige konkrete Anhaltspunkte liegen hier vor. Schon das umfangreiche Propagandamaterial und die Vielzahl verschiedenster Unterlagen über das Eintreiben von Spenden für die PKK/ERNK, die anläßlich der Durchsuchung vom 15. November 2001 beim Angeklagten sichergestellt wurden (Fall II 4), deuten darauf hin, daß der Angeklagte entweder als Funktionär oder als Helfer der PKK/ERNK für einen längerfristigen Zeitraum bestimmte Aufgaben im Rahmen der Geldbeschaffung für die Organisation übernommen hatte. Darüber hinaus sind nicht nur die drei abgeurteilten konkreten Spendenbeitreibungsaktionen des Angeklagten gegen den Zeugen Y. zu berücksichtigen (Fälle II 1 bis 3), die in einem Fall mit Gewaltanwendung verbunden waren. Insoweit handelt es sich lediglich um eine Mindestzahl, von der das Landgericht nach dem Grundsatz "Im Zweifel für den Angeklagten" ausgegangen ist, weil auf Grundlage der Angaben des Zeugen Y. , der von weiteren regelmäßigen "Spendensammlungen" des Angeklagten zwischen 1997 und Oktober 2000 berichtet hatte, nur diese Aktionen mit einer für eine Verurteilung ausreichenden Sicherheit nachweisbar seien (UA S. 20). Bei der Prüfung der Frage, ob dem Angeklagten nur ein einheitliches Vergehen nach § 20 Abs. 1 Nr. 4 VereinsG angelastet werden kann, ist der Zweifelssatz jedoch in umgekehrter Richtung anzuwenden. Insofern ist daher davon auszugehen, daß der Angeklagte entsprechend dem Vorwurf der Anklageschrift regelmäßig und damit auch in den Fällen, in denen ihn das Landgericht freigesprochen hat, "Spendengelder" beim Zeugen Y. für die PKK/ERNK "abkassiert" hat. Dann deutet aber vieles darauf hin, daß der Angeklagte in Ausübung einer für längere Zeit in der oder für die PKK/ERNK übernommenen Funktion tätig wurde, als er die "Spenden" des Zeugen Y. eintrieb bzw. einzutreiben versuchte und die Unterlagen über Geldbeschaffungsmaßnahmen der Organisation verwahrte.

Danach hätte das Landgericht den Angeklagten wegen nur eines Zuwiderhandelns gegen ein vereinsrechtliches Betätigungsverbot in Tateinheit mit versuchter räuberischer Erpressung schuldig sprechen dürfen. Der Senat schließt aus, daß in einer neuen Hauptverhandlung noch Feststellungen getroffen werden könnten, die eine Verurteilung des Angeklagten wegen vier rechtlich selbständiger Taten tragen könnten. Er ändert daher den Schuldspruch selbst. Dies führt zur Aufhebung des Strafausspruchs, über den das Landgericht auf Grundlage des geänderten Schuldspruchs neu zu befinden haben wird.

Das angefochtene Urteil gibt noch Anlaß zu dem Hinweis, daß die Tagessatzhöhe für Einzelgeldstrafen auch dann festzusetzen ist, wenn diese gemäß § 53 Abs. 2 Satz 1 StPO in eine Gesamtfreiheitsstrafe einbezogen werden (vgl. BGHSt 30, 93; 34, 90).

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